Portrait - Ricarda Funk

„Ich träume vom Lauf meines Lebens bei Olympia“

Olympia-Starterin Ricarda Funk liebt die Herausforderung am Kanuslalom. Ihrem Sport ordnet sie alles unter.

von Uta Büttner

(Foto: Uta Büttner)

Zu gern würde Ricarda Funk auf die Schule für Zauberei und Hexerei gehen – dabei hat sie mehrfach im Wildwasserkanal bewiesen, dass sie bereits zaubern kann. „Ich warte immer noch auf meinen Brief, der noch nicht angekommen ist, dass ich endlich nach Hogwarts gehen darf“, sagt sie lachend. Die 28-Jährige liebt die Harry-Potter-Romane. „Ich bin mit den Handelnden aufgewachsen. Sie waren damals in meinem Alter. Und Zauberei ist irgendwie etwas Schönes für Kinder. Ich finde sie aber heute immer noch cool.“

Seit Jahren gehört Ricarda Funk zu den Spitzenathletinnen der Welt. Mit EM- und WM-Medaillen dekoriert, sicherte sich die für Bad Kreuznach startende WahlAugsburgerin 2016 und 2017 den Weltcup-Gesamtsieg. 2016 war aber auch die größte Enttäuschung für die Sportsoldatin: Die Qualifikation für Olympia im brasilianischen Rio de Janeiro schaffte sie nicht. 2019 sollte es klappen. Souverän setzte sie sich im nationalen Kampf um das Olympia-Ticket nach Tokio durch und sicherte auch den Quotenplatz für den DKV.

Tanzen auf dem Wasser

Urlaub auf Teneriffa (Foto: privat)

Sport war schon immer ihre Leidenschaft. In Bad Breisig am Rhein aufgewachsen, begann sie im Alter von fünf Jahren mit dem Tanzen in einer Karnevalsgruppe. Mit Kanu-Slalom kam sie erstmals durch ihren Bruder in Berührung. „Anfangs dachte ich: Das ist ein Sport für Jungs. Da habe ich keinen Bock drauf. Ich will lieber tanzen und Leichtathletik machen, eben eher etwas typisch Mädchenhaftes.“ Doch nach dem ersten miterlebten Wettkampf fand die damals Sechsjährige Gefallen am Paddeln. Lange Zeit fuhr sie dann zweigleisig, bis sie mit etwa 14 Jahren eine Entscheidung treffen musste. „Irgendwann hatte es mit dem Tanzen keinen Sinn mehr, weil ich an den Auftritten nicht teilnehmen konnte, weil wir immer unterwegs waren.“

2009 gewann sie bei den Junioren-Europameisterschaften mit Bronze ihre erste internationale Medaille. Nach dem Abitur 2011 kam sie in die Sportfördergruppe der Bundeswehr und zog nach Augsburg zum Bundesstützpunkt. Drei Jahre später qualifizierte sie sich erstmals für das A-Team. 2014 holte sie den Europameistertitel in Wien. Ein Jahr später folgte mit WM-Silber ihr bislang größter Erfolg.

Ricarda Funk liebt das Unvorhersehbare am Kanu-Slalom. „Es ist spannend, weil man an jeder Strecke vor einer neuen Herausforderung steht. Das Wasser ist jedes Mal anders. Es ist kein 800-Meter-Lauf, wo man schon vorher gut einschätzen kann, wo man steht. Man muss reagieren, je nachdem wie auch das Wasser reagiert“, erzählt die Wahl-Augsburgerin. Und wenn die Streckenaushängung mal nicht so ist, wie sie es sich wünschen würde, sieht sie es als Herausforderung: „Man wird dann mit seinen Schwächen konfrontiert, die man bewältigen muss.“ Für sie ist es wie ein Spiel auf dem Wasser. „Es ist ein bisschen wie Tanzen auf dem Wasser, wenn ich in der Welle surfe und eine Rückwärtsdrehung mache“, schwärmt sie.

Positive Corona-Einstellung: „Ich nehme es wie es kommt.“

Foto: Alexander Funk

Kanu-Slalom ist für sie „eine coole Kombination aus vielen Fähigkeiten: Es ist technisch sehr anspruchsvoll. Wir müssen aber genauso auch ausdauermäßig fit sein. Zudem spielen Schnelligkeit und Kraft eine große Rolle, wenn man bei einem Aufwärtstor noch einmal schnell anreißen muss. Oder wenn man in den Zielsprint übergeht.“

Nach der coronabedingten Verschiebung der Sommerspiele auf 2021 und der immer noch unsicheren Situation, wie es überhaupt weitergeht, sagt sie: „Ich bin positiv eingestellt. Ich nehme es, wie es kommt. Wir müssen weiterhin flexibel und kreativ sein.“ Zudem sei sie sehr dankbar für die Unterstützung der Bundeswehr. „Vor allem jetzt auch in der Corona-Zeit ist sie ein treuer und verlässlicher Partner.“

Rückhalt bietet ihr auch ihre Familie. „Als voriges Jahr alles abgesagt wurde, bin ich auch gerne nach Hause gefahren, in meinen sicheren Hafen zum Runterkommen.“ Mit der Corona-Pandemie haben sich Funks Pläne bezüglich Ausbildung verschoben. Den Bachelor in Medien- und Kommunikationswissenschaften hat sie bereits an der Universität Augsburg absolviert. „Mein Plan war, 2020 das Studium wieder aufzunehmen, den Master strebe ich an.“ Doch ein Direktstudium soll es nicht wieder werden. „Ich möchte keine Sonderrolle mehr haben. Nicht die sein, die sowieso immer nicht da ist, die für Klausuren Sondertermine bekommen muss.“ Halbe Sachen sind nichts für die Perfektionistin. „Wenn ich etwas mache, dann will ich es richtig machen und mich nicht immer zweiteilen. Das eine halb und das andere halb. Das hat mich immer gestört. Am Ende ist das Studium immer etwas zurückgefallen. Ich hasse es, wenn ich etwas nicht so gut abgeben kann, wie ich es gern gemacht hätte.“ Trotzdem möchte sie ihre duale Laufbahn etwas vorantreiben, der Sport stehe jedoch nach wie vor an erster Stelle.

Die Berufswahl ist noch offen

Wasser ist Ricardas Element (Foto: Thomas Lohnes)
Konkret weiß die Sportsoldatin noch nicht, was sie später einmal beruflich machen will. Ursprünglich dachte sie an ein Biologie-Studium. Dieses Fach und Chemie haben ihr in der Schule immer sehr viel Spaß gemacht. „Auch Mathematik und natürlich Sport“, sagt sie lachend. Doch ihr Leistungssport stand an erster Stelle – und Biologie kann man in Augsburg nicht studieren. „Was mein Traumjob ist, das muss ich tatsächlich noch herausfinden.“ Aufgrund des Sports war bisher kaum Zeit dazu. Deshalb, so der Plan, möchte sie sich im nächsten Jahr bemühen, Praxis-Einblicke in verschiedenste Bereiche zu bekommen. Eines ist aber sicher, der klassische Journalismus soll es nicht sein. Die kreative Branche gefalle ihr. „Ich finde die Werbebranche sehr interessant. Das hat ja auch sehr viel mit Psychologie zu tun. Das interessiert mich generell.“ Vorstellbar für sie ist auch die Unternehmenskommunikation, zum Beispiel für Social-Media-Accounts verantwortlich zu sein. Vielleicht bleibe sie aber auch dem Sport treu, in irgendeinem Bereich oder auch als Trainerin. „Ich weiß zwar nicht, was ich als Trainer drauf habe. Aber ich weiß, ich habe ein gewisses Know-how, was ich vielleicht anderen vermitteln kann.“ In ihrer wenigen Freizeit ist Ricarda Funk gern kreativ, gestaltet Karten für alle möglichen Anlässe. Aktuell liest sie gern Biografien, wie kürzlich von Michelle Obama. „Sie sind Inspirations- und Motivationsquellen für mich.“ Wenn es die Zeit erlaubt, liebt sie das Wandern in den Bergen. Im Urlaub ist es für sie wichtig, dass es raus in die Natur geht und dass auch etwas Action dabei ist. „Ein reiner Strandurlaub wäre für mich zu langweilig.“ Ihr Traumland ist Island. „Vielleicht ist es irgendwann mit dem Wettkampfkalender vereinbar.“ 

Ricarda auf der RoadToTokyo

(Foto: Thomas Lohnes)

Doch vorerst steht der Sport an oberster Stelle. Dem ordnet Ricarda Funk alles unter. Ganz wie ihre Kinderhelden fliegt sie über die Wildwasserschnellen, zaubert wieder und wieder in ihrem Kajakboot, wie kürzlich beim ersten internationalen Wettkampf während des Warmwasserlehrgangs auf La Réunion, eine zu Frankreich gehörende Insel im Indischen Ozean. Sie war 2020 in bestechender Form, was ihre Zeiten bei der nationalen Qualifikation Ende 2020 in Markkleeberg zeigten. In diesem Jahr soll es so weitergehen. Akribisch bereitet sich die 28-Jährige darauf vor.

„Ich möchte an das, was ich im vollen Wettkampfjahr 2019 gezeigt habe, anknüpfen.“ Aktuell ist es schwer einzuschätzen, wo sie international steht. Die Konkurrenz kann nicht beobachtet werden, Vergleiche sind unmöglich. „Deshalb wird das Jahr jetzt wirklich spannend. In einem Jahr kann sehr viel passieren. Gerade, dass vielleicht Jüngere hochkommen. Wir werden sehen“, sagt die Olympia-Starterin. Zudem seien die Trainingsmöglichkeiten nicht optimal gewesen. Ricarda Funk hat ein großes sportliches Ziel:

„Ich träume davon, bei den Olympischen Spielen endlich an der Startlinie zu sitzen und dann DEN Lauf zu haben.“ Mit einer zauberhaften Paddelfahrt auf dem Wildwasserkanal im Kasai-Kanu-Slalomzentrum hätte sich dann zumindest einer ihrer Träume erfüllt.


Ricarda Funk


 

Persönliche Daten

Geburtsdatum 15.04.1992
Geburtsort Bad Neuenahr
Wohnort Augsburg
Bootsklasse Kajak Damen + Kanu-Slalom Extreme
Kanusport seit 2002
Verein KSV Bad Kreuznach
Coach Thomas Apel, Thorsten Funk
  

Im Internet

 

  

Sportliche Erfolge

Olympische Sommerspiele:
2021 Tokyo/JPN: Gold K1

Weltmeisterschaften:
2021 Bratislava/SVK: Gold K1
2018 Rio de Janeiro/BRA: Bronze K1, Silber K1 Team
2017 Pau/FRA: Bronze K1, Gold K1 Team
2015 Broxbourne/GBR: Silber K1

Weltcup:
2018 Gesamt 2.
2017 Gesamtsiegerin
2016 Gesamtsiegerin

Europameisterschaften:
2021 Ivrea/ITA: Gold K1
2018 Prag (Troja)/CZE: Gold K1, Gold K1 Team
2015 Markkleeberg/GER: Silber K1
2014 Wien/AUT: Gold K1
 

Auflistung der Erfolge

2023 EM: 1. K1, 2. Kajak Cross, 3. K1 Team
2022 WM: 1. K1 Team
2021 OS: 1. K1
2021 WM: 1. K1
2021 EM: 1. K1
2018 WM: 3. K1, 2. K1 Team
2018 EM: 1. K1, 1. K1 Team
2017 WM: 3. K1, 1. K1 Team
2015 WM: 2. K1, 14. K1 Team
2015 EM: 2. K1, 8.Platz K1 Team
2014 WM: 5. K1 Einzel, 4. K1 Team
2014 EM: 1. K1 Einzel, 4. K1 Team
2013 U23 EM: 1. K1 Einzel, 4. K1 Team
2013 U23 WM: 2. K1 Team, 4. K1 Einzel
2012 U23 EM: 1. K1 Team, 6. K1 Einzel
2011 U23 EM: 3. K1 Team, 3. K1 Einzel
2010 JEM: 1. K1 Team
2010 JWM: 2. K1 Team, 4. K1 Einzel
2009 JEM: 3. K1 Einzel
2008 JWM: 3. K1 Team
 

Gefragt

Blick ins Familienalbum:
Ricarads Bruder Alexander ist ehemaliger C1–Fahrer und war jahrelang
mit der Junioren und U23-Nationalmannschaft unterwegs. Im Jahr 2013 hatte er sich
im C2 für das A-Team qualifiziert. Ihr Vater unterstützt als Trainer die
U23-Nationalmannschaft während der Wettkampfsaison.

Karriere/Lebenslauf:
Ricarda hat durch ihre Eltern und ihren Bruder etwa mit sechs Jahren
im Rheintal mit Kanuslalom angefangen (WSV Remagen). Anfangs war es neben
Tanzen nur ein weiteres Hobby, mit der Zeit hat es sich immer mehr
zum richtigen Leistungssport entwickelt. Im Jahr 2009 konnte sie bei
den Europameisterschaften der Junioren mit Bronze ihre erste
internationale Medaille gewinnen. Nach dem Abitur 2011 kam sie in
die Sportfördergruppe der Bundeswehr. In diesem Zusammenhang
war auch der Umzug zum Bundesstützpunkt Augsburg unumgänglich.
2014 qualifizierte sie sich erstmals für das A-Team. Kurz stand sie
das erste Mal auf dem Podium. Den Gewinn der Goldmedaille bei
den Europameisterschaften in Wien 2014 konnte sie zunächst gar
nicht begreifen. 2015 gelang ihr der Gewinn einer WM-Silber-Medaille.
Dies ist bislang ihr größter Erfolg. Nebenbei hat sie 2017 ihren
Bachelor im Fachbereich Medien und Kommunikation an der Universität
Augsburg abgeschlossen. Auch die Pflichtlehrgänge eines Sportsoldaten
sind seit 2017 alle absolviert.

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