15. Dezember 2022

Operation „Gefrierfach“

Stör (Foto: Christine Luxen)

Eine Wintertour auf der Stör: Kaum lugt die Sonne aus dem Einheitsgrau des Winterwetters hervor, erwischt es den paddlerischen Motivationsnerv eiskalt. Von nun an gibt es kaum noch eine Möglichkeit der Sucht zu entrinnen. Stimmen dann auch noch die Rahmenbedingungen des auserkorenen Ziels, ist die Euphorie nicht mehr zu bremsen.

Von Heinz-Georg Luxen (Text) und Christine Luxen (Fotos)

 

Die Wintersonne kommt nicht gegen den eisigen Ostwind an, taucht die Szene in ein magisches Licht.
(Foto: Christine Luxen)

Die Gezeiten zeigen sich für einen Start auf der Stör in Kellinghusen sehr sonntagskompatibel, wen stören da schon -12C° Grad auf dem Thermometer? Schließlich kann man in der heutigen Zeit mit Trockenanzug und entsprechender Kopfbedeckung Paroli bieten. Doch zum Leidwesen der Hände spielt noch eine weitere Komponente im Winterwunderland eine tragende Rolle. Der schneidende, kräftige Ostwind schafft es recht schnell die gefühlte Temperatur auf mindestens -20C° Grad zu drücken und leitet somit gefühlsstark die “Operation Gefrierfach“ ein.

Kaltstart

"Spätestens jetzt vergeht mir das Lästern über alle Weicheier, Warmduscher, Laternenparker, vor allem aber Handschuhträgern "

Nach dem Abladen des Bootes und dem anschließenden Umgeplünne in den Trockenanzug lässt sich die mittlerweile auch nicht mehr gerade hochelastische Neoprenspritzdecke kaum noch mit den fast steif gefrorenen Händen auf den Süllrand ziehen. Spätestens jetzt vergeht mir das Lästern über alle Weicheier, Warmduscher, Laternenparker, vor allem aber Handschuhträgern unwissend darüber, dass mich dieses „Aha-Erlebnis“ im Laufe der Tour, in noch gesteigerter Form erneut ereilen wird. Voller Vorfreude, mit der realistischen Hoffnung auf warme Hände, schlüpfe ich zittrig in die mit kuscheligem Fleece gefütterten Paddelpfötchen und siehe da, bereits knapp einen Kilometer weiter umschmeichelt wohlige Wärme meine Finger, wer braucht im Winter schon Handschuhe? Ein wenig zusätzliche Zehengymnastik sorgt alsbald auch hier wieder für ein angenehmes Wärmegefühl.

   


Eisige Stille

Bei einem derartigen körperlichen Wohlgefühl stellt sich nun auch der eigentliche Genuss des Winterpaddelns ein. Ineinander geschobene, aufgetürmte Eisplatten, teilweise in der Größe eines Wandspiegels säumen die Ufer und glitzern in der tiefstehenden Wintersonne.

Winterliche Stille auf der Stör. (Foto: Christine Luxen)

"Bizarre Eiszapfen hängen von den Sträuchern und Ästen in den Fluss herab."

Bizarre Eiszapfen hängen von den Sträuchern und Ästen in den Fluss herab und lassen der Fantasie bezüglich der interessant geformten, vergänglichen Gebilde freie Interpretationsmöglichkeiten. Einsam und still gleite ich durch eine einzigartige Landschaft. Das vom Paddel abtropfende Wasser beginnt langsam aber sicher das Kajakdeck zu vereisen, während sich das am Paddel selbst festsetzende Eis zumindest gewichtsmäßig für einen Zeitsprung in die „Hantelstangenära“ des Paddelbaus sorgt. Ab und an reißt mich ein verdächtiges Knacken aus meinen Tagträumen. Erste, optisch kaum wahrnehmbare, dünne Eisplatten, jedoch verbunden mit einem gewissen Bremseffekt beim Paddelzug, treiben durch die Gezeitenströmung recht flott auf dem Fluss. Kurve um Kurve verdichtet sich mittlerweile dieses Phänomen, wobei die Dicke der Platten nun deutlich zunimmt, teilweise bleibt nur noch eine kleine Fahrrinne für mich offen. Zwar liegt Grönland (Ortschaft in Schleswig-Holstein unweit von Glückstadt) hier nur „um die Ecke“, aber dennoch habe ich derartige Parallelen so nicht erwartet. Glücklicherweise entschärft sich die Situation kurz vor Itzehoe wieder, trotzdem verkneife ich mir, angesichts des kräftigen Ostwindes, die eigentlich wohlverdiente Pause, schließlich will ich nicht mehr meinen hart erarbeiteten Kuschelfaktor bis zum Ziel an der Wilsterau-Mündung verspielen.

   

Versuch macht klug

"Im warmen Auto auf dem Weg nach Hause überwiegen
bereits die schönen Erlebnisse und die positiven Aspekte
der Wintertour."

Am Endpunkt der Tour angelangt, werde ich bedingt durch die Ebbe von nicht gerade einladendem Schlick an den Ufern empfangen. Ein Versuch, dem Modder über einen der Schiffsanleger im Bereich der hübschen, antik anmutenden Schleuse zu umgehen, scheitert kläglich. Feucht-warme Hände und tiefgekühltes Metall stellen nach diesem unüberlegten Selbstversuch wohl nur eine suboptimale Kombination dar. Wie war das nochmal mit den Handschuhen? Es folgen also unabdingbar die bereits befürchteten Schlammwadenwickel, die jedoch ohne Trockenanzug um ein Vielfaches unangenehmer wären. Der kurze Landweg bis zum geparkten Auto bietet zur Abwechslung der heutigen, eher Ausdauer orientierten Tätigkeit, Kraftsport vom Feinsten. Durch den Eispanzer, der mittlerweile den Kajak ummantelt, ist das Gewicht des Boots doch erheblich gestiegen und der rasante Temperaturanstieg seit Beginn der Tour auf immerhin -9°C Grad bringt wohl auch keine Verbesserung der Situation.
Im warmen Auto auf dem Weg nach Hause überwiegen bereits die schönen Erlebnisse und die positiven Aspekte der Wintertour, die wieder einmal bewiesen hat, das Paddeln, mit der entsprechenden Ausrüstung, schon lange kein reiner Saisonsport mehr ist.

 


Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenvorschlägen stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.
 



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

Literatur

 

Die schönsten Kanutouren in Schleswig-Holstein und Hamburg

2. Auflage 2021, 192 Seiten
Autor: Heinz-Georg Luxen

In Schleswig-Holstein, im Norden der Bundesrepublik zwischen Nord- und Ostsee gelegen, befindet sich auf kleinstem geographischen Raum ein Paradies für Kanuten, das in dieser Form sicherlich einzigartig ist. Schmale Auen, einsame Flussläufe und imposante Seen bis hin zum weit in das Landesinnere hereinragenden Ostseefjord bieten dem Paddler unendliche Möglichkeiten, seinen Sport auszuleben. Entdecker finden hier Naturidylle und Abwechslung pur, egal ob es sich um eine kurze Feierabendrunde handelt oder eine anspruchsvolle Gepäckfahrt geplant ist.

Damit der logistische Aufwand so gering wie möglich gehalten wird, ist das Bundesland in fünf Regionen unterteilt, die allesamt ihren eigenen Charme und Charakter besitzen. Das Auenland, die grüne Mitte Holsteins; das Lauenburgische entlang der ehemaligen deutschdeutschen Grenze; die Landesgrenzen hinaus bekannte Holsteinische Schweiz mit der Schwentine sowie das Gebiet rund um die Schlei sowie das im Nord-Westen gelegene “Dreistromland“ Eider, Treene und Sorge. Die Hansestadt Hamburg schafft dann letztendlich den gelungenen Spagat zwischen Natur und Kultur und trägt somit zur einzigartigen Tourenvielfalt im Norden bei.

Dieser praxisnahe Kanuführer liefert 48 interessante und abwechslungsreiche Tourenvorschläge für Ein- und Mehrtagestouren und lässt als verlässlicher Begleiter keine Fragen offen bei Auswahl, Planung und Durchführung der eigenen Paddeltour. Neben praktischen Tipps zum Paddeln, Hinweisen zu Ein- und Ausstiegsstellen, Zeltplätzen und Einkaufsmöglichkeiten liefert das Buch auch Wissenswertes zu den Sehenswürdigkeiten entlang der Ufer. Exzellente Fotos, detaillierte Wassersport-Karten und weiterführende Informationen zu jeder einzelnen Tour runden dieses Buch ab.

Weitere Infos zum Buch und Online-Bestellung

   

 

 

 


 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 1/2015:

KANU-SPORT 1/2015
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