25. November 2021

Paddel- und Rettungstechniken üben und wiederholen: eine Übersicht

Training im Hallenbad (Fotos: Robin Hetzel, TV Heiligenhaus)

Winterzeit ist Technikzeit, aber was soll ich genau trainieren? Eine Übersicht der gängigsten Paddel- und Rettungstechniken im Kajak soll dabei nur der Anlass sein, die eigene Technik gedanklich zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen. Vielleicht mag die Übersicht ja Motivation sein, selber das nächste Hallentraining des eigenen oder eines befreundeten Vereins zu besuchen. Schaden wird es sicher nicht und gemeinsam macht das Training umso mehr Spaß.

1.    Ein- und Aussteigen

Bei Strömung sollte man zum Einsteigen den Bug entgegen der Fließrichtung stellen. Zum Ein- und Aussteigen nutzt man eine „Paddelbrücke", um das Boot zu stabilisieren. Das Paddel wird hinter dem Körper und hinter dem Süllrand über das Boot gelegt. Wichtig ist, dass eine Seite des Paddels über die Bootsseite hinausragt und auf einem Stein, dem Steg oder auf einer anderen Möglichkeit aufliegt. Beim Ein- und Aussteigen greift man hinter sich den Süllrand und fixiert dabei den Paddelschaft mit dem Daumen. Mit der anderen Hand hält man sich so am Stein oder dem Steg fest, dass das Paddel auch hier fixiert wird. Dadurch stabilisiert der Druck, den man durch das eigene Körpergewicht ausübt, das Kajak.


2.    Sitz

Ob man mit einem steifen Rücken aus dem Boot aussteigt, entscheidet vor allem die Sitzposition: für einen entspannten Rücken müssen Boot und Körper eine stabile Einheit bilden. So hat man zudem das Boot spürbar „im Griff“.
Dafür folgende Punkte beim der „Sitzkontrolle“ checken:

  • Mit Prallplatte, Schenkelstützen und Rückengurt haben Füßen, Knien und Lendenwirbeln fünf Kontaktpunkte zum Boot
  • Die Knie sind leicht gebeugt, die Beine geschlossen
  • Bauch- und Rückenmuskulatur ist angespannt
  • Aufrechter und leicht vorgebeugter Oberkörper (nicht anlehnen)
  • Entspannte Schultern, geöffneter Brustkorb
  • Der Körper bewegt sich nicht zur Seite
  • Wem das unbequem erscheint, der hat (noch) eine zu geringe Rumpfmuskulatur. Schmerzen in Form von Muskelkater können daher trotz perfekter Sitzhaltung auftreten. Das Gute: mit regelmäßigem Training wird es immer besser.


3.    Paddelhaltung

Asymmetrisch im Griff! Wenn das Paddelblatt abgeschrägt ist, damit es sich leichter durch das Wasser ziehen lässt, sollte man natürlich vor dem Lospaddeln einen Blick opfern, ob man das Paddel wirklich richtigherum hält. Wie groß der Abstand der Hände sein soll, erkennt man, wenn man den Schaft über dem Kopf hält, während beide Ober- und Unterarme einen Winkel von etwas weniger als 90° zueinander bilden. Das ist allerdings nur ein grober Richtwert. Bei hohem Kraftaufwand oder für eine exakte Kontrolle der Paddelführung greift man weiter, beim Langstreckenpaddeln ist der Abstand oft etwas kleiner. Außerdem: wer hin und wieder leicht variiert, verhindert einseitige Muskelbelastungen.


4.    Grundschlag

Der Grundschlag bewegt das Kajak nach vorne. Wie genau er „richtig“ durchgeführt wird, hängt von dem persönlichen Paddelstil, vom Körperbau, von der Paddelausstattung und von der eigenen Fitness ab. Dennoch sind die Hauptelemente guter Paddeltechnik einheitlich. Durch sie lassen sich Fehlbelastungen vermeiden und man paddelt schnell und effektiv.
Mit dem Grundschlag zieht man sich „gefühlt“ am eingetauchten Paddel vorbei, anstatt dieses auf sich zuzuziehen. Mit diesem Bild im Hinterkopf paddelt man schnell effizienter. Der Grundschlag unterteilt sich dabei in drei Phasen:

  1. Eintauchen
    Das Paddelblatt wird vor den Knien direkt neben dem Kajak vollständig ins Wasser eingesetzt. Das funktioniert durch eine Drehung des Rumpfes. Nicht durch Vorbeugen oder durch vollständiges Ausstrecken des unteren Armes. Der untere Arm ist dabei gestreckt, der obere ist entspannt und leicht gedreht.
  2. Vorbeiziehen
    Der Schlag wird nicht durch ein Ziehen der Arme, sondern durch eine Rotation des Oberkörpers ausgeführt. Das Paddel gleitet dabei parallel zum Boot durch das Wasser. Am leichtesten geht das, wenn man anfangs dem Paddel mit den Augen folgt. Der untere Arm bleibt fast gestreckt. Zur Unterstützung des Rumpfes wird der paddelseitige Fuß gegen die Fußstütze gepresst. Der obere Arm bleibt entspannt, die Hand ist dabei mindestens auf Augenhöhe und sorgt dafür, dass das Paddel während der Rotation senkrecht aus dem Wasser heraussteht.
    Die meiste Kraft wird am Anfang der Rotation aufgewendet. Der Schlag endet, wenn die untere Zughand etwa auf Bauchhöhe ist. Weiter bringt nichts – es bremst sogar die Bewegung des Bootes.
  3. Herausziehen
    Der Ellenbogen „zieht“ das Paddel rückwärts aus dem Wasser. Dabei bleibt dieser unter der Schulter. Der obere Arm bleibt dabei fixiert, damit er der Drehung des Rumpfes folgt.
  4. Rückholbewegung
    Der Oberkörper rotiert zurück, damit das Paddel wieder so weit wie möglich vorne eingetaucht wird.


5.    Bogenschlag

Der Bogenschlag beeinflusst die Richtung des Kajaks. Der wesentliche Unterschied ist, dass durch eine Ratation des Oberkörpers der ausgestreckte Aktionsarm das Paddel in einem großen Bogen um den Oberkörper herum nach hinten bis auf Hüfthöhe (machmal auch bis ans Heck) durch das Wasser führt. Der obere Arm ist niedriger als beim Grundschlag, eher auf Brusthöhe. Diese Bewegung schiebt die Bootsspitze in eine Drehung zur gegenüberliegenden Seite. Deshalb kommt der Bogenschlag kommt zur Steuerung des Kajaks zum Einsatz, um eine Drehung einzuleiten oder ein aus der Spur gelaufenes Boot wieder auf Kurs zu bringen. Einen leichten Richtungswechsel kann man zum Beispiel durch eine Kombination von Grund- und Bogenschlag vornehmen.


6.    Flache Paddelstütze

Wer etwas die Balance etwas verloren hat und zu kippen droht, kann sich mit einem Stabilisationsschlag der „flachen Paddelstütze“ zurück ins Gleichgewicht bringen. Einfach formuliert wird dabei mit dem Paddelblatt flach auf dem Wasser Gegendruck zur Kipprichtung aufgebaut. Gleichzeitig „kippt“ die Hüfte den Schwerpunkt wieder zur Mitte. Gerade hier kommt durch regelmäßiges Üben und Wiederholen Routine in den Bewegungsablauf. Denn es gibt einige Details, die es zu beachten gilt, damit die flache Paddelstütze nicht zur ungewollten Kenterung wird.

  • Das Paddel wird auf Hüfthohe gegriffen, der Ellbogen ist recht tief, die Fingerknöchel zeigen nach unten
  • Auf der „Kippseite“ ist das Paddelblatt parallel zur Wasseroberfläche
  • Beim Kippen schlägt man das Paddel flach auf die Wasseroberfläche und lehnt sich gleichzeitig mit seinem Körpergewicht auf eben dieses
  • Dann wird zuerst das Kajak mit einem Hüftschwung aufgerichtet bevor der Oberkörper wieder ins Gleichgewicht gebracht wird
  • Wenn man während des Einschlagens das Paddel gleichzeitig nach vorne „streicht“, kann man die Paddelstütze wesentlich länger einsetzen


7.     Eskimorolle

Wer dennoch gekentert ist, rettet sich am besten mit einer Eskimorolle, korrekter, der Kenterrolle. Es gibt mehrere Varianten dieser Rolle, mit der ein Paddler sein kopfüber schwimmendes Kajak wieder aufrichten kann, ohne aussteigen zu müssen. Wichtig ist, dass man eine davon „blind“ beherrscht. Denn ihr Erlernen und Durchführen unter „kontrollierten Bedingungen“ ist die eine Sache. Ihr routiniertes Beherrschen unter Realbedingungen eine ganz andere. Deshalb hilft nur Üben, Üben, Üben.
Eine Möglichkeit: Zunächst führt der Paddler ein Ende des Doppelpaddels in 90° zum Kajak knapp unter die Wasseroberfläche. (Da man in einer Realsituation nicht geplant kentert, ist hier die besondere Gefahr, dass man unbewusst das Paddel schon so weit ins Wasser gezogen hat, so dass es für die eigentliche Rolle schon zu tief ist.) Dann drückt man es impulsartig ins Wasser und übt auf dieses eine Kraft aus. Hierbei entsteht eine Stützkraft, die es erlaubt, das Boot in einem so genannten Hüftknick nach oben zu drehen: dem Abkippen der Hüfte in Richtung Schulter derselben Körperseite. Damit weniger Kraft nötig ist, wird anschließend der eigene Körper nach oben gezogen.
Achtung: manchmal kann es auch ratsam sein, das Boot zu verlassen und sich schwimmend in Sicherheit zu bringen. Auch ist es natürlich besser, durch eine sichere Paddelstütze das Kentern von vornherein abzuwenden. Rollen ist also nicht alles!

 


 


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