04. Februar 2022

Ricarda Funk

 

 

Olympiasiegerin Ricarda Funk liebt die Herausforderung am Kanu-Slalom. Ihrem Sport ordnet sie alles unter.

Zu gern würde Ricarda Funk auf die Schule für Zauberei und Hexerei gehen – dabei hat sie mehrfach im Wildwasserkanal bewiesen, dass sie bereits zaubern kann. „Ich warte immer noch auf meinen Brief, der noch nicht angekommen ist, dass ich endlich nach Hogwarts gehen darf“, sagt sie lachend. Die 28-Jährige liebt die Harry-Potter-Romane. „Ich bin mit den Handelnden aufgewachsen. Sie waren damals in meinem Alter. Und Zauberei ist irgendwie etwas Schönes für Kinder. Ich finde sie aber heute immer noch cool.“

Seit Jahren gehört Ricarda Funk zu den Spitzenathletinnen der Welt. Mit EM- und WM-Medaillen dekoriert, sicherte sich die für Bad Kreuznach startende Wahl-Augsburgerin 2016 und 2017 den Weltcup-Gesamtsieg. 2016 war aber auch die größte Enttäuschung für die Sportsoldatin: Die Qualifikation für Olympia im brasilianischen Rio de Janeiro schaffte sie nicht. 2019 sollte es klappen. Souverän setzte sie sich im nationalen Kampf um das Olympia-Ticket nach Tokio durch und sicherte auch den Quotenplatz für den DKV.

Dann folgte 2021 der große Triumph. Ricarda Funk wurde Olympiasigerin. Gold in Tokio. Ricarda paddelte am 27. Juli 2021 im Kasai Canoe Slalom Centre ihrer Konkurrenz davon. Zugleich war es das erst Gold für Deutschland bei diesen Olympischen Spielen. Ihr sportlicher Traum wurde war. 

 

Rückblick:

Tanzen auf dem Wasser

Urlaub auf Teneriffa (Foto: privat)

Sport war schon immer ihre Leidenschaft. In Bad Breisig am Rhein aufgewachsen, begann sie im Alter von fünf Jahren mit dem Tanzen in einer Karnevalsgruppe. Mit Kanu-Slalom kam sie erstmals durch ihren Bruder in Berührung. „Anfangs dachte ich: Das ist ein Sport für Jungs. Da habe ich keinen Bock drauf. Ich will lieber tanzen und Leichtathletik machen, eben eher etwas typisch Mädchenhaftes.“ Doch nach dem ersten miterlebten Wettkampf fand die damals Sechsjährige Gefallen am Paddeln. Lange Zeit fuhr sie dann zweigleisig, bis sie mit etwa 14 Jahren eine Entscheidung treffen musste. „Irgendwann hatte es mit dem Tanzen keinen Sinn mehr, weil ich an den Auftritten nicht teilnehmen konnte, weil wir immer unterwegs waren.“

2009 gewann sie bei den Junioren-Europameisterschaften mit Bronze ihre erste internationale Medaille. Nach dem Abitur 2011 kam sie in die Sportfördergruppe der Bundeswehr und zog nach Augsburg zum Bundesstützpunkt. Drei Jahre später qualifizierte sie sich erstmals für das A-Team. 2014 holte sie den Europameistertitel in Wien. Ein Jahr später folgte mit WM-Silber ihr bislang größter Erfolg.

Ricarda Funk liebt das Unvorhersehbare am Kanu-Slalom. „Es ist spannend, weil man an jeder Strecke vor einer neuen Herausforderung steht. Das Wasser ist jedes Mal anders. Es ist kein 800-Meter-Lauf, wo man schon vorher gut einschätzen kann, wo man steht. Man muss reagieren, je nachdem wie auch das Wasser reagiert“, erzählt die Wahl-Augsburgerin. Und wenn die Streckenaushängung mal nicht so ist, wie sie es sich wünschen würde, sieht sie es als Herausforderung: „Man wird dann mit seinen Schwächen konfrontiert, die man bewältigen muss.“ Für sie ist es wie ein Spiel auf dem Wasser. „Es ist ein bisschen wie Tanzen auf dem Wasser, wenn ich in der Welle surfe und eine Rückwärtsdrehung mache“, schwärmt sie.


Positive Corona-Einstellung: „Ich nehme es wie es kommt.“

Foto: Alexander Funk

Kanu-Slalom ist für sie „eine coole Kombination aus vielen Fähigkeiten: Es ist technisch sehr anspruchsvoll. Wir müssen aber genauso auch ausdauermäßig fit sein. Zudem spielen Schnelligkeit und Kraft eine große Rolle, wenn man bei einem Aufwärtstor noch einmal schnell anreißen muss. Oder wenn man in den Zielsprint übergeht.“

Nach der coronabedingten Verschiebung der Sommerspiele auf 2021 und der immer noch unsicheren Situation, wie es überhaupt weitergeht, sagt sie: „Ich bin positiv eingestellt. Ich nehme es, wie es kommt. Wir müssen weiterhin flexibel und kreativ sein.“ Zudem sei sie sehr dankbar für die Unterstützung der Bundeswehr. „Vor allem jetzt auch in der Corona-Zeit ist sie ein treuer und verlässlicher Partner.“

Rückhalt bietet ihr auch ihre Familie. „Als voriges Jahr alles abgesagt wurde, bin ich auch gerne nach Hause gefahren, in meinen sicheren Hafen zum Runterkommen.“ Mit der Corona-Pandemie haben sich Funks Pläne bezüglich Ausbildung verschoben. Den Bachelor in Medien- und Kommunikationswissenschaften hat sie bereits an der Universität Augsburg absolviert. „Mein Plan war, 2020 das Studium wieder aufzunehmen, den Master strebe ich an.“ Doch ein Direktstudium soll es nicht wieder werden. „Ich möchte keine Sonderrolle mehr haben. Nicht die sein, die sowieso immer nicht da ist, die für Klausuren Sondertermine bekommen muss.“ Halbe Sachen sind nichts für die Perfektionistin. „Wenn ich etwas mache, dann will ich es richtig machen und mich nicht immer zweiteilen. Das eine halb und das andere halb. Das hat mich immer gestört. Am Ende ist das Studium immer etwas zurückgefallen. Ich hasse es, wenn ich etwas nicht so gut abgeben kann, wie ich es gern gemacht hätte.“ Trotzdem möchte sie ihre duale Laufbahn etwas vorantreiben, der Sport stehe jedoch nach wie vor an erster Stelle.


Die Berufswahl ist noch offen

Konkret weiß die Sportsoldatin noch nicht, was sie später einmal beruflich machen will. Ursprünglich dachte sie an ein Biologie-Studium. Dieses Fach und Chemie haben ihr in der Schule immer sehr viel Spaß gemacht. „Auch Mathematik und natürlich Sport“, sagt sie lachend. Doch ihr Leistungssport stand an erster Stelle – und Biologie kann man in Augsburg nicht studieren. „Was mein Traumjob ist, das muss ich tatsächlich noch herausfinden.“ Aufgrund des Sports war bisher kaum Zeit dazu. Deshalb, so der Plan, möchte sie sich im nächsten Jahr bemühen, Praxis-Einblicke in verschiedenste Bereiche zu bekommen. Eines ist aber sicher, der klassische Journalismus soll es nicht sein. Die kreative Branche gefalle ihr. „Ich finde die Werbebranche sehr interessant. Das hat ja auch sehr viel mit Psychologie zu tun. Das interessiert mich generell.“ Vorstellbar für sie ist auch die Unternehmenskommunikation, zum Beispiel für Social-Media-Accounts verantwortlich zu sein. Vielleicht bleibe sie aber auch dem Sport treu, in irgendeinem Bereich oder auch als Trainerin. „Ich weiß zwar nicht, was ich als Trainer drauf habe. Aber ich weiß, ich habe ein gewisses Know-how, was ich vielleicht anderen vermitteln kann.“ In ihrer wenigen Freizeit ist Ricarda Funk gern kreativ, gestaltet Karten für alle möglichen Anlässe. Aktuell liest sie gern Biografien, wie kürzlich von Michelle Obama. „Sie sind Inspirations- und Motivationsquellen für mich.“ Wenn es die Zeit erlaubt, liebt sie das Wandern in den Bergen. Im Urlaub ist es für sie wichtig, dass es raus in die Natur geht und dass auch etwas Action dabei ist. „Ein reiner Strandurlaub wäre für mich zu langweilig.“ Ihr Traumland ist Island. „Vielleicht ist es irgendwann mit dem Wettkampfkalender vereinbar.“ 


Ricarda auf der RoadToTokyo

(Foto: Thomas Lohnes)

Doch vorerst steht der Sport an oberster Stelle. Dem ordnet Ricarda Funk alles unter. Immer noch. Auch nach den goldenen Tagen von Tokio. Im gleichen Jahr folgte ein zweiter großer Triumph, der aufgrund der olympischen Goldmedaille fast untergegangen wäre. Ricarda wurde im September auch noch Weltmeisterin. Ein historischer Erfolg, was noch keiner Slalomkanutin vor ihr gelang: Im gleichen Jahr die zwei wichtigsten Goldmedallien ihrer Disziplin zu geben. Natürlich war es auch ein bißchen verzaubert, da normalerweise keine Weltmeisterschaften im Olympiajahr stattfinden. Durch die Corona-Verschiebung fielen beide Events in ein Jahr, und Ricarda nutzte ihre Chance. 

Die Kanu-Familie freut sich, wenn sie weiter über das Wasser fliegt. Ganz wie ihre Kinderhelden fliegt sie über die Wildwasserschnellen, zaubert wieder und wieder in ihrem Kajakboot. 

 



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