02. Februar 2023

Schlanke Kajaks in warmer Brandung

Wintertour rund um Minsener Oog (Foto: Lars Everding)

Eine Wintertour rund um Minsener Oog. Es ist Februar, um genau zu sein: Karneval. Es zieht uns zur Küste oder sollte ich besser sagen, die Jecken schieben uns fort Richtung Norden.

Von Lars Everding, Referent Ausbildung Küste

 

Start im Hafen von Horumer Siel. (Foto: Lars Everding)

Es ist dunkel und stürmisch, als wir mit unserem T5 am Freitagabend an der Hafenmole von Horumersiel ankommen. Die kalte Luft rüttelt am Auto und findet ihren Weg ins Innere. Unsere Antwort ist ein leichtes Drehen des Standheizungsreglers auf kleinster Stufe. Nach kurzer Zeit brüllt die Heizung mit Turbinenpfeifen auf. Ein wenig später erliegen wir schon der wohligen Wärme und träumen von schlanken Kajaks in warmer Brandung.


Soll Ist Vergleich

Es dämmert. Der Wind rüttelt nur noch vereinzelt am Wagen. Windfinder prognostiziert uns einen tollen Tag. Wind bei max. 4 BFT aus Ost. Sonnenschein den ganzen Tag. Wir trauen uns und vergleichen das Soll der App mit dem Ist aus dem Autofenster. Übereinstimmung, Bravo! Nach der letzten Baltrum Aktion eine Woche vorher, Start um 0630h, der Tide wegen, haben wir diesmal viel Zeit. Die frühe Tide kann uns mal, auf jeden Fall heute.
Frühstück zu zelebrieren ist für mich nicht leicht. Hibbelig warte ich, nach dem Stürzen eines Jogurts, auf das schnelle Verrinnen der Zeit. Ein Paradoxon wie ich feststelle. Irgendwann ist es dann soweit. Um1100h verlassen wir maximal gerüstet, den Hafen und mäandern dem Priel folgend in die Nordsee. Zwei bullige Seehunde rutschen im letzten Moment von den trocken gefallenen Schlickbänken ins Meer und beäugen uns behäbig.


Effizienz und Eleganz

Minsener Oog, Buhne A (Foto: Lars Everding)

Dann geht es entlang der Oldoogrinne Richtung Nord. Eine leicht auf Südost drehende frische Brise schiebt uns, die fallende Tide zur vierten Stunde zieht uns an Schillighörn, der nordöstlichsten Spitze des Wangerlandes vorbei, Richtung Minsener Oog. Das nenne ich effizientes und elegantes Reisen. Diese künstliche Insel zum Küstenschutz und gegen die Versandung der Oldoogrinne besteht aus einem versandetem Hauptdamm und drei Buhnen A bis C.
Die Augen schweifen in die endlos scheinende Ferne. In gerader Linie reckt sich der Radarturm auf Minsener Oog in die Höhe. Weiß Schwarz schimmert er über dem Horizont. Etwas weiter Östlich auf der anderen Seite der Oldoogrinne setzt sich der Leuchtturm von Mellumplate vom Horizont ab. Plötzlich durchbrechen einige schwarzschimmernde Flossen für kurze Zeit das tiefe Wasser der Oldoogrinne. Wie für Schweinswale üblich, ist der Spuk nach kurzer Zeit wieder vorbei. Ein warmes Urgefühl durchströmt unsere Körper. Fantastisch!
Nach gut einer halben Stunde Fahrt erreichen wir die Südspitze von Minsener Oog. Für uns, gerade erst warm gefahren, uninteressant. Sonst für Paddler der einzige Ort um nach den geltenden Nationalparkregeln des Niedersächsischen Wattenmeeres einen Fuß, oder auch zwei, auf das Eiland zu setzen. Wir ziehen davon unbeeindruckt unsere Bahn Richtung der ersten Buhne C von Minsener Oog. Der Radarturm mit dem dazugehörigen Stelzenhaus gewinnt an Präsenz. 2009 habe ich hier schon einmal bei Orkan mit Böen 11 BFT beim Vogelwart Asyl gesucht und gefunden. Bei den heutigen ruhigen Bedingungen kaum vorstellbar, dass damals mit 1,60 über MHW der gesamte Pfahlbau in seiner Basis überspült war.

Ehem. Flak Turm am nödlichen Ende der Buhne A
(Foto: Lars Everding)

Es folgt die Buhne B. Geschenkt. Denn das Highlight auf der Buhne A kommt immer näher. Der Flak Turm aus dem 2. WK, der bis 1998 als Leuchtturm diente. Ein ehemaliger Trittsteig und Biwakplatz für Seekajaker. Heute nur noch Denkmal und zudem einsturzgefährdet. Aus einem heimlich gehegten Übernachtungstraum wird in diesem Moment ein realer Albtraum.


Virtuelle Ausflüge

Da wir uns hier in einem schützenswerten Bereich des Niedersächsischen Wattenmeeres befinden, stellen wir uns den Besuch und die Besteigung des Flakturmes natürlich nur virtuell vor. Pünktlich zum Tidenwechsel durchstoßen wir mit unseren Bootspitzen die Strömungsverschneidung an der Spitze der Buhne A und gleiten durch die Blaue Balje Richtung Pausenplatz Wangerooge Ost. Wir suchen an dem Strömungsscheitelpunkt der Ostspitze einen Pausenplatz. Durch die Kräfte zweier Ströme, Wind und Welle ist die Sandoberfläche mit Mulden und Furchen sowie kleinen Prielen durchzogen. Eine beindruckende Landschaftsformation.


Lohnende Pause

Obwohl wir einen wunderschönen Februartag haben, der Wind nur mit leichten 3 BFT weht, hilft es uns trotzdem, der niedrigen Temperatur von 2 Grad geschuldet, durch eine windbrechende Überkleidung wie z.B. einen Poncho den Chill-Faktor auf dem Körper soweit zu reduzieren, dass wir die lohnende Pause auch genießen können.
Es wird getrunken und gegessen. Während die Energiespeicher gefüllt werden, schweift der Blick über den menschenleeren Sandstrand rüber zum Gatt zwischen Minsener Oog und Wangerooge, der Blaue Balje, die Ihren Namen, wie wir jetzt feststellen, nicht zu Unrecht trägt. Nach einem kurzen Augenblick der Entspannung konzentrieren wir uns auf den gemeinsamen Start zur zweiten Etappe, die uns durch die Minsener Balje über den Priggenweg des Minsener Ooger Wattfahrwasser zurück zur Oldoogrinne führt.


Der Flow

Priel des Wagner Außentiefs Richtung Ooldoogrinne
(Foto: Lars Everding)

Wir nehmen den unterstützenden leichten Strom gerne an, blinzeln verträumt in die Sonne und fühlen uns Eins, mit der Welt des Seekajakers, dem Meer, der Tide und den leicht säuselnden Wellen von vorn. Wie ein großes Tor, dessen Einfahrt man nicht verpassen kann, nimmt uns die Kardinaltonne West des Hauptdammes auf der einen und die Steuerbordtonne des Fahrwassers auf der anderen Seite in Empfang und leitet uns durch die Minsener Balje. Trotz des seit Tagen anhaltenden Ostwindes ist der Wasserstand nach der zweiten Stunde nach NW mehr als ausreichend, so dass wir direkt ohne weitere Zwangspause, wie eigentlich vermutet, in das flachere Wattfahrwasser einfahren können.


Voller Freude

Wir folgen den Priggen bis zum Wattenhoch, nun steht der Strom für eine kurze Strecke gegen uns. Wir gefallen uns im sauberen Vorwärtsschlag und schießen voller Freude nach kurzer Zeit in den Mitstrom der Oldoogrinne. Nun gilt es, nicht zu eng am Wattrücken zu fahren. Schließlich übt Schillighörn auf dem Festland eine imaginäre Anziehungskraft auf unseren Kurs aus. Wir korrigieren diesen mehrmals, bis wir wieder tiefes Wasser erreichen.

Die Kardinaltonnen der Reeden begleiten uns seeseitig, bis wir in den Priel des Wanger Außentiefs einfahren können. Noch ein paar mehr oder weniger enge Kurven, dann öffnet sich vor uns das Hafenbecken von Horumer Siel. Die Sonne gleitet genau in diesem Moment unter den Horizont. Ein perfektes Timing einer perfekten Tour. Das obligatorische Rebriefing beendet offiziell unsere Tour. Die Pflicht des Klarierens und Aufladens wird schnell zur Kür und entlässt uns, schon wieder von schlanken Kajaks in warmer Brandung träumend, in den kühlen Februarabend.

 

 

Kurz-Info


Karten/Gezeiten/Ströme: www.bsh.de

Seewetter: www.dwd.de

Befahrungsregeln: www.nationalpark-wattenmeer.de

Ausbildungs- und Tourenangebote: www.kanu.de

 


Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

    


 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 5/2015:

KANU-SPORT 5/2015
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