Das Paddel ist wahrscheinlich der wichtigste Teil der Paddel-Ausrüstung - das Werkzeug eines jeden Kanuten. Schon viele Paddler haben daher ein Modell der Marke Lettmann investiert und erwarten etwas Besonderes. Warum eigentlich? Wir durften einen Blick in die Edelmanufaktur werfen.
Von Sabine Stümges
Wer in die heiligen Hallen der Moerser Paddel-Werkstatt betritt, den erwarten zunächst Lärm, Hitze, Gerüche, ein schier unüberschaubares Sammelsurium an Töpfen mit Harzen, Matten aus Glasfasern oder Carbon, zahllosen Werkzeugen sowie die vier Lettmann-Paddelbauer, die zwischen den großen Paddelformen herumwuseln. Einige Formen sehen aus als stammten sie aus einer anderen Zeit andere sind Aluformen neuester Bauart und -technik. „Die ältesten sind über 30 Jahre und werden noch mit Wasser erhitzt“, erklärt Paddelbauer Frank Tschinkel. Eine Werkstatt mit der Aura von Tradition.
Das grundsätzliche Verfahren zur Herstellung ist schon seit Jahren etabliert. Immerhin werden nach dieser Methode auch Flügel von Windkrafträdern hergestellt. Gleichzeitig hat in dieser Werkstatt ein neuer Wind Einzug gehalten. Klaus Lettmann entwickelte 1983 das erste Voll-Carbon-Paddel für den Slalom- und Tourensport. Seitdem haben sich nicht nur Form und Aufbau entscheidend verändert, sondern vor allem die verwendeten Materialien. Der Trend geht hier zu günstigeren, aber auch umweltschonenderen Weiterentwicklungen. „Das Ziel bleibt ein Hochleistungsprodukt mit der perfekten Symbiose zwischen Stabilität und Flexibilität“, erklärt Frank Tschinkel. „Dazu besteht ein Paddel aus bis zu zehn Materiallagen oder partiellen Verstärkungen. Was wie funktioniert, wurde über die Jahre durch Erfahrung, „try und error“ erarbeitet und mittels einer Bruchlastmaschine getestet. Gefertigt wird bei Lettmann in zwei Verfahren. Im klassischen Handlaminat mit Kunstharz und Gewebematten und im Prepreg-Verfahren, bei dem die Faserverbundstoffe bereits mit Harz getränkt sind.
Diese Belegtechniken zu beherrschen, braucht Erfahrung. Es dauert mindestens ein Jahr bis ein Paddelbauer die Ansprüche an Fertigkeiten und Präzision beherrscht und einen Schritt völlig fehlerfrei schafft. „Wir bilden aus, aber bei uns steigen auch Quereinsteiger ein. Alles erfahrene Handwerker, die ihren Job von der Pieke auf gelernt haben“, sagt Frank Tschinkel, der selber gelernter Dachdecker und Zimmermann ist. Bis jemand ein Paddel alleine fertig stellen kann, vergeht viel Zeit. Das Gefühl, etwas Greifbares produziert zu haben und am Ende eines Tages zwei perfekte High-End-Doppelpaddel in den Händen halten zu können ist Ausgleich für Schweiß und harte Arbeit am Abend.
Zwei Doppelpaddel am Tag
Zwei...? Ja richtig gelesen. Nur zwei Paddel produziert ein Paddelbauer im Schnitt am Tag. Produziert wird deshalb das ganze Jahr auf Lagerhaltung - ansonsten könnte in der Saison die Nachfrage nicht gedeckt werden. Aktuell warten rund 200 Paddel im Lettmann-Lager auf ihren ersten Einsatz. Lässt sich der Herstellungsprozess nicht beschleunigen? Mit was für einer Seelenruhe Frank im Zeitlupentempo die Harzmischung auf die Form streicht...
„Wenn man bedenkt, dass Max Rendschmidt mit einem Serienmodell seine Rennen bestreitet, kann man sich vorstellen, was für eine Präzision in jedes einzelne Paddel gelegt wird. Wir sind im High-End-Bereich der Paddelherstellung unterwegs. Sicherlich gäbe es grundsätzlich Maschinen, die diese Aufgaben übernehmen könnten. Aber dafür ist der Markt nicht groß genug, als dass sich die Anschaffungskosten rechnen. Also muss der Mensch die Präzision leisten. Und das schaffen wir mittlerweile so gut, dass wir nur selten ein Paddel wegwerfen müssen, weil in der Produktion etwas schief gelaufen ist.
Gut Ding will eben Weile haben. Und diese wirklich längere Weile beginnt bei jedem einzelnen Paddel mit dem Schnitt der Materialien. „Wir haben für jeden Tag Vorgaben, was gebaut werden soll“, sagt Frank Tschinkel. Da es für jedes Paddel der Lettmann-Modellpalette nur eine einzige Form gibt, kann man erahnen, dass es manchmal eine komplizierte Planung ist, besonders wenn Sonderbestellungen alle Überlegungen über den Haufen werfen. Immer belegt sind die Formen für die Ergonom Paddel - seit ihrer Entwicklung der Kassenschlager in Moers.
Laminierte Paddel sind Sensibelchen bei der Herstellung
Klaus und Jochen Lettmann haben jedes Paddel durch die Entwicklung begleitet. Immer neue Verstärkungen machen die Zusammenstellung der Paddel-Bestandteile zum Puzzlespiel. Wenn endlich alle Teile bereit liegen, dann geht es an die Form für die Herstellung der Decklagen. Erst ein wenig Trennmittel und dann die erste Schicht an frisch angemischtem Harz. Einfach lospinseln - Fehlanzeige: Nur mit dem exakten Mischungsverhältnis, Einwirk-, Ruhe-, Verarbeitungszeit und so weiter kann sich das Ergebnis sehen lassen. „Die Deckschicht ist das erste was der Kunde sieht. Hier darf nichts schief gehen.“ Und das ist auch der Grund warum sich die Paddelbauer mit dem Einstreichen der Form besonders viel Zeit lassen.
Dann geht es an das Innenleben. Besonders „praktisch“ - der Harz klebt wie Honig. Einfach drauflegen und zurechtschieben geht also nicht. Man muss vorher genau wissen was wohin gehört. Und auch wann die nächste Schicht aufgetragen wird. Dies kann man nämlich nicht machen, wann es einem passt, sondern erst, wenn das Material dazu bereit ist. „Besonders toll ist es, wenn ein Zulieferer an dem gelieferten Werkstoff eine Kleinigkeit verändert hat und uns dies nicht mitgeteilt hat. Das ganze System ist so sensibel, dass dann das ganze Ergebnis für die Tonne sein kann.“
In zwei Formen entsteht ein Doppelpaddel - inklusive Schaft. Der wird nicht extra produziert, sondern in einem Prozess in der gleichen Form hergestellt. Liegen alle Komponenten da, wo sie hingehören, kommt das „tempern“. Rund zwei Stunden werden die Formen mit heißem Wasser oder Strom erhitzt, so dass das Epoxi-Harz aushärten kann. Wenn der Paddelbauer alles richtig gemacht hat, kann er nach dem Abkühlen das Paddel relativ problemlos aus der Form nehmen.
Millimeterarbeit mit dem rabiaten Biest
Allerdings lässt sich nun die typische Paddelblattform erst erahnen. Also wird flugs die Stichsäge zur Hand genommen und das Paddelblatt anhand von Schablonen oder Anreißungen in Form geschnitten. „Wir arbeiten hier auf 1/10 mm genau“ sagt Frank Tschinkel stolz. Purer Eigennutz, denn je genauer man arbeitet, desto näher ist man an der gewünschten Form und desto weniger muss „das rabiate Biest“ zum Einsatz kommen.
Dieses „Monster“, wie der Paddelbauer liebevoll die betagte, dafür aber sehr laute und gefräßige vertikale Bandschleifmaschine nennt, arbeitet sich gnadenlos durch das Harz - und direkt ins Carbon, wenn man mal eine Sekunde nicht aufgepasst hat. Um die Herausforderung zu vergrößern, ist immer nur Schleifband einer Körnung eingespannt. Egal ob man 1 cm oder 1 mm wegschleifen muss. Da ist die Erleichterung groß, wenn es an das Feinschleifen - wahlweise mit 180er oder 600er Schleifpapier - geht. Dann noch Polieren. Hier lässt sich der Paddelbauer Zeit und unterzieht sein Werk einer strenge Qualitätskontrolle. „Der Anspruch an das eigene Werk ist sehr groß. Wir arbeiten nach dem Prinzip der Selbstkontrolle. Das Paddel wird nur so gut wie die eigenen Fähigkeiten. Jeder Paddelbauer bei uns hat das Ziel ein perfektes Ergebnis abzuliefern.“
Schlussendlich kommen dann noch die Aufkleber drauf. Bei Frank Tschinkel klappt das natürlich auf Anhieb ohne störende Bläschen. Dann wird das Paddel mit der Kreissäge auf die richtige Länge gekappt und beide Paddelblätter mit der gewünschten Teilung (zum Beispiel Vario oder fester Verbindung) miteinander verklebt. Wenn dann die finale Funktionskontrolle zufriedenstellend verläuft, ist das Tageswerk eines Paddelbauers bei Lettmann mit einem (von zwei) Paddeln zur Hälfte geschafft.
Auch wenn angesichts dieser handwerklichen Leistung ein Vergleich zum Preis nicht angebracht ist, sei doch ein Aspekt erwähnt: Der Markt gibt vor, welche Preise sich für ein Paddel erzielen lassen. Wer also auf das Handwerk setzt und gleichzeitig auch in Deutschland produzieren möchte, der tut dies aus Überzeugung.
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Sa, 9:30-13:00 Uhr
Franz-Haniel-Str. 53, 47443 Moers
Website: www.lettmann.de/
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