23. März 2023

Spade Kayaks: Anarchie braucht Ordnung

Olli Grau und Matze Brustmann kontrollieren die Form des Ace of Spades, bevor die Negativform gefräst wird. (Foto: Spade Kayaks)

Eine kleine Gruppe Wildwasserfahrer gründet vor sieben Jahren mit SPADE Kajaks eine Firma, um Wildwasserboote nach den eigenen Vorstellungen zu bauen. Ein nicht immer einfacher Weg, wie sich rausstellen sollte.

Hans Mayer, Inhaber und Kopf der Firma, hat jahrzehntelange Erfahrung in der Branche, das merkt man den Booten an.

Um Spade Kayaks zu verstehen, muss man zuerst Hans Mayer verstehen. Mayer, Baujahr 1957, hat in der europäischen Wildwasserszene viele Spuren hinterlassen, ohne das die meisten Paddler seinen Namen kennen.


„White Water Legend” als Jungunternehmer

Anfangs im Vertrieb für andere Kajakfirmen tätig, gründete Mayer 1994 seinen eigenen Kajakladen „La Ola“ bei Rosenheim, der bald darauf durch seine frischen T-Shirts-Designs und den Versandhandel deutschlandweit Beachtung fand. Durch den Vertrieb von Necky Kayaks und seinen unbändigen Willen „den Kajaksport geil zu machen“, wie er selbst sagt, scharrte er bald eine junge, aktive Szene um sich.
Ob als Organisator des berüchtigten Lofer-Rodeos, als Verleger des „Paddle Power Magazins“ oder mit dem La Ola Verlag, Hans Mayer mag es zu initiieren. Er ermöglichte Olli Graus Lehrbuchreihe, motivierte Olaf Obsommer zum ersten Sick Line Film, mit 50 Jahren startet er bei den adidas Sick Line World Championships. „Nur so, aus Spaß“, wie er selbst sagt.

"Mit Hans zu arbeiten, ist wohl nicht immer einfach."

Mit Hans zu arbeiten, ist wohl nicht immer einfach. „Er hat so viele Ideen, da kommt man kaum hinterher.“, schmunzelt Jens Klatt, der Mayer auch schon aus den Neunziger kennt. „Ohne Hans hätten Olaf und ich nie unser Norwegen-Buch gemacht. Ohne das Buch wäre adidas nie auf uns aufmerksam geworden. Ohne adidas kein 10 Jahre Sick Line Rennen im Ötztal.“


Das Team - Kumpels aus der Szene

Winter 2014: Erste Prototypen werden im heimischen Keller entworfen und gefertigt.

Und so wundert es eigentlich nicht, dass Mayer seinen lang gehegten Traum, eigene Wildwasserkajaks zu bauen, dann 2014 in die Tat umsetzt. Und dazu holt er sich Verstärkung, er sammelt über hundert Jahre Erfahrung im Wildwasser um sich: Olli Grau, Rodeo-Weltmeister 1995, renommierter Kajaklehrer, Buchautor. Matze Brustmann, ehemaliges Mitglied der Freestyle-Nationalmanschaft, Extrempaddler und Namensgeber von „Matzes Drop“ in Norwegen, ebenfalls Kajaklehrer und Musiker. Jan Haluszka, Diplom-Industriedesigner, spezialisiert auf 3D-Animation und Kunststofftechnik, ebenfalls Paddler seit dem sechsten Lebensjahr. Zu guter Letzt Jens Klatt – Fotograf, Filmer und Grafiker – der zwar nach eigenen Angaben wenig von Bootsdesign versteht, aber jahrelang mit Olaf Obsommer in Norwegen Neuland suchte und somit auch sehr gut weiß, was er von einem Wildwasserkajak erwartet.
Erste Prototypen werden Olli Graus Garage in Nußdorf geshapt, in Haluszkas Werkstatt in München verfeinert, Sitzausbauten entworfen, Namen und Logo für die neue Firma diskutiert. Der Wildwassersport ist bekannt dafür, meinungsstarke Köpfe anzuziehen, die Idee einer gleichberechtigten Firmenkultur kommt auch an seine Grenzen: „Wir haben teilweise Kleinigkeiten nieder diskutiert, in endlosen Video-Calls tief bis in die Nacht. Das ging schwer an die Belastungsgrenze, da die meisten von uns das nebenbei gemacht haben, nachdem die Kinder im Bett waren.“, erinnert sich Jens Klatt.

"Der Wildwassersport ist bekannt dafür, meinungsstarke Köpfe anzuziehen, die Idee einer gleichberechtigten Firmenkultur kommt auch an seine Grenzen"

„Nichts bedarf mehr Ordnung als die Anarchie!“, fügt Jan Haluszka hinzu, der schon mit 19 Jahren sein erstes eigenes Boot aufs Wasser brachte und auch schon für andere Kanuhersteller tätig war. Haluszka ist spezialisiert auf 3D-Computerdesign, hat aber fast 2 Jahre mit BASF an einem neuen, leichten Werkstoff gearbeitet. „Die Arbeit im Team war anstrengend, aber eben auch ungemein fruchtbar. Olli zum Beispiel hat eine wahnsinnig analytische Herangehensweise, dass half ungemein, seine Erfahrung und Ansprüche im Wildwasser in ein 3D-Modell umzusetzen.“

Jan Haluszka aktualisiert das 3D-Modell.

Aber dann der erste Dämpfer: Ausgerechnet beim ersten Modell, dem Ace of Spades, gibt es Probleme bei der Produktion. Der Ace of Spades wird, anders als die meisten Kajaks auf dem Wildwassermarkt, im Blasverfahren hergestellt, dem sogenannten Blow-Moulding. Das hat Vorteile, birgt aber eben auch Gefahren gegenüber dem Rotationsverfahren, dem Roto-Moulding.

Das Ausgangsmaterial beider Verfahren ist dasselbe, nämlich Polyethylen. Der Unterschied im Endprodukt liegt in der Kettenlänge der Moleküle: Blow-Moulding hat längere Moleküllängen, dadurch ist es steifer und zäher, erklärt Jan Haluszka. „Beim Blasverfahren wird das Material durch Hochdruck in die Form gepresst, beim Rotationsverfahren verteilt sich das erhitzte Material durch eine Drehbewegung der Form. Dadurch das das Material fließen muss, hat es kürzere Moleküllänge und die Reißfestigkeit ist nicht so hoch.“

 



Kehrtwende in der Produktion

"Wir mussten einsehen, dass der Kajakmarkt nicht bereit ist, einen höheren Preis zu zahlen und wir uns ein weiteres geblasenes Modell schlichtweg nicht leisten konnten."

Aber geblasene Boote haben auch Schwachstellen, verrät Hans Mayer. „Der Ace hat uns fast das Genick gebrochen, einige Boote der ersten Produktion hatten zu dünne Süllränder. Die Energie und Kosten, die uns Umtausch und Reklamation gekosten haben, haben uns um Jahre zurückgeworfen.“ Und das, obwohl die Produktionsfirma sich sicher war, dass das Design gut umsetzbar war.

Ein weiterer Nachteil beim Blasverfahren: Die Formen und Herstellung sind extrem teuer. „Wir mussten einsehen, dass der Kajakmarkt nicht bereit ist, einen höheren Preis zu zahlen und wir uns ein weiteres geblasenes Modell schlichtweg nicht leisten konnten.“, sagt Hans Mayer. Daher setzt Spade Kayaks mittlerweile, wie die meisten Hersteller, auf das Rotationsverfahren.


Manches hört sich nur leicht an...

Wenn ein paar paddelbegeisterte Freunde eine Firma gründen, ist das Startkapital zwangsweise nicht sehr hoch. Eine eigene Produktion aufzubauen, wie es bei alteingesessenen Kajakfirmen der Fall ist, stand bei Spade nie wirklich zur Debatte. „Wir wollten uns auf das konzentrieren, was wir am besten können: Nämlich Boote designen, vermarkten und den Vertrieb organisieren“, sagt Jens Klatt, der bei sich bei Spade um das äußere Erscheinungsbild der Firma kümmert. Im SUP-, Ski- oder Fahrradmarkt sind externe Produzenten Gang und gebe, viele Produkte werden in Asien gefertigt. Dennoch war für Spade eine Produktion in Deutschland und Europa immer wichtig. „Eine Produktion in Asien ist sicher günstiger, aber wir hätten allein durch die Entfernung zu wenig Einfluss darauf gehabt“, fügt Olli Grau hinzu.
Und was ist bei Spade das Rezept für ein funktionierendes Wildwasserboot? „Eigentlich ganz einfach“, sagt Matze Brustmann. „Ein gutes Boot sollte nie im Weg sein. Es sollte dem Paddler die Möglichkeit geben, alles, was er auf dem Fluss machen möchte, umzusetzen. Das Boot darf kein Hindernis dafür sein.“

Die noch warme Form des Joker wird aus dem Ofen geholt...

Was sich so einfach anhört, ist nicht immer leicht realisierbar: Beim Joker beispielsweise wurde viel Lehrgeld gezahlt, da die ersten Prototypen aus Schaum und Laminat nicht zufriedenstellend funktionierten. „Wir haben wochenlang diskutiert, was wir falsch gemacht haben und die Formgebung analysiert. Am Ende kam das Boot raus, was wir uns gewünscht hatten.“
Aber wie genau entsteht ein Polyethylen-Boot? Jan Haluszka erklärt: Das PE-Granulat wird in die dreiteilige Negativform gegeben, die aus Unterschiff, Oberschiff und Süllrand besteht, und anschließend verschlossen. Die Form kommt bei fast 200 Grad in einen riesigen Ofen, in dem die sie rotiert – das Granulat am Inneren der Form schmilzt und verbindet sich. Nachdem die Negativform abgekühlt ist, wird das Boot aus der Form geholt, und später weiter ausgebaut.
Aber auch beim Rotationsverfahren gibt es Unterschiede: Spade Kayaks verwendet ausschließlich gefräste Aluminiumformen für ihre Boote. „Dadurch ist die Herstellung eines Bootes zwar teurer als bei laminierten Formen oder bei Alugussformen, aber wir können durch die Fräsung des Aluminiums die Wandstärken des Bootes besser kontrollieren“, führt Haluszka weiter aus. Damit kann zum Beispiel mehr Material in den strapazierten Boden des Kajaks und weniger Material ins Oberschiff gegeben werden, um eine optimale Gewichtsverteilung zu erhalten. Auch sind die Oberflächen des Bootes schöner, härtere Kanten sind möglich und die Einbauten im Cockpit-Bereich können teilweise mit in die Bootsform integriert werden.

   
… um nach dem Öffnen das Polyethylen-Boot zu entnehmen.

Mittlerweile hat Spade fünf Bootsmodelle im Programm, von einem kleinen Kajak für Leichtgewichte, der Queen, bis zu den spielerischen Modellen wie Joker und Bliss. Immer noch geht jeder erwirtschaftete Cent zurück in die Firma, um neue Formen und Prototypen zu realisieren. Es benötigt wohl eine Portion Idealismus, um eine Wildwasserfirma aufzubauen. „Wer seine eigene Kreativität ohne Kompromisse ausleben will, muss da wohl durch“, bestätigt Brustmann. Zusammen mit einem befreundeten Designer hat er kürzlich ein paar neue T-Shirts für Spade kreiert. Auch zwei Paddel-Modelle und auch eine Trockenjacke ergänzen mittlerweile die Bootspalette. „Die Ideen gehen uns nicht aus.“, Mayer grinst. „Ich bin froh, dass wir Freunde geblieben sind – das ist nicht selbstverständlich.“   

 

Spade Kayaks

Grafik: Spade Kayaks


Alle Modelle auf einem Blick
 

Starfire - Kleines Boot, großer Spaß
Volumen: 200 l 245 cm x 63 cm
Paddler: 35-70 kg

Barracuda – Need for Speed
Volumen: 217 l 274 cm x 63 cm
Paddler: 50-85 kg

Bliss – Der Wildwasserspieler
Volumen: 235 l  245 cm x 65 cm
Paddler: 60-90 kg

Joker – schneller Funcruiser mit Reserven
Volumen: 260 l 274 cm x 65 cm
Paddler: 70-110 kg

Queen of Hearts – Für Leichtgewichte
Volumen: 245 l 250 cm x 62 cm
 Paddler: 35-70 kg

Black Jack – Halb River-Runner, halb Creeker
Volumen: 285 l 256 cm x 66 cm
Paddler: 60-85 kg

Royal Flush – Dynamische Speedmaschine
Volumen: 335 l 274 cm x 68 cm
Paddler: 70-120 kg

 
 

 


Spade Kayaks


Kontakt und weitere Informationen:
SPADE KAYAKS GmbH Josef Mattersbergerstr. 7b 9971 Matrei / Österreich
Telefon: 0043 (0) 664 4297498 E-Mail: info@spadekayaks.com
Website: spadekayaks.com
 

 



 


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KANU-SPORT 3/2022
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