26. Mai 2021

Steuerschläge beim Seekajak

Seitsurf beim Brandungspaddeln (Foto: Thomas Klinkenberg)

Es schadet nicht, wenn auch erfahrene Paddler sich selbstkritisch fragen, ob ihre eigenen Paddeltechniken fit für die hohe See sind. Deshalb zeigt euch Kanulehrer und Physiotherapeut Lars Everding in seinem Workshop „Paddeltechnik für Seekajakfahrer“ worauf es genau bei den Steuerschlägen auf See ankommt.

Von Lars Everding, DKV-Referent Ausbildung Küste
Fotos: Bernhard Hillejan

 

Kanten/Lehnen

Kanten (= Edging) und Lehnen (=Leaning) sind die wichtigsten Schlüsseltechniken und bilden die Basis für alle Steuermanöver, auch in der Brandung.
Beim Kanten bleibt dein Körperschwerpunkt im Gegensatz zum Lehnen über dem Systemschwerpunkt. Du brauchst keine weitere Unterstützungsfläche oder Auftrieb um dein Gleichgewicht zu halten. Um dein Boot auf der Kante zu halten, hilft es dir, wenn du mit vorher definierten Schlüsselpunkten (Keypoints) arbeitest.
Los geht’s. Du bleibst in Körpervorlage. Als Schlüsselpunkte wählst du dein Knie auf der Seite auf der du hochkanten möchtest und die gegenüberliegende Schulter. Jetzt ziehst du dein aktives Knie (Punktum Mobile) diagonal in Richtung der gegenüberliegenden Schulter. Deine Schulter wiederum bleibt als Punktum Fixum in ihrer Position. Das andere Bein streckst du dagegen aus. Dadurch entsteht ein „abknicken“ im Hüftbereich, auch umgangssprachlich Hüftknick oder Hüftschwung genannt. Dein Kopf bildet in Verlängerung mit der Wirbelsäule ein „C“ und unterstützt somit das Gleichgewicht.


Kommen wir zum Lehnen. Wenn du dich lehnst, musst du deine Unterstützungsfläche vergrößern (Stützen) oder die auf das Boot von außen wirkende Kräfte kompensieren (Brandung). Dein Lehnen entwickelt sich aus dem Kanten, wenn du deinen Körperschwerpunkt noch weiter aus dem Systemschwerpunkt entfernst. Jetzt brauchst du, damit du nicht kenterst eine korrigierende Kraft. In der Praxis kann das der Drehimpuls eines Walzenkammes sein oder du nutzt eben die Fläche deines Paddelblattes, um für Auftrieb zu sorgen.  Den erzeugst du entweder statisch durch einen kurzen Impuls mit dem Paddelblatt im Wasser oder du bist in Fahrt und nutzt den dynamischen Auftrieb der Strömung unter deinem Paddelblatt.

 

Bogenschlag

Der Bogenschlag hilft dir dein Kajak auf der Stelle oder auch in Fahrt zu drehen. Damit das drehen leichter funktioniert, kannst du durch das vorher beschriebene „kanten“ deines Bootes die Unterwasserlinie verkürzen. Das Boot dreht dann spürbar einfacher.
Halte das Paddel flach zur Wasseroberfläche, kante das Boot zur aktiven Seite hoch und schaue mit dem Kopf zum Scheitelpunkt der von dir zu fahrenden Kurve. So bist du im Raum orientiert und stabilisiert deinen Oberkörper. Das Paddelblatt führst du dabei kreisförmig von der Bootspitze bis auf die Höhe deiner Hüfte.


Low Brace Return

Willst du dein Kajak noch weiter drehen, wechselt du die Seite zum -Low Brace Return- einer flachen Stütze rückwärts. Dein Paddel ist parallel zum Boot frei über dem Wasser und wird mit vollem Körpergewicht, wie beim Lehnen vorher beschrieben, mit der Rückseite deines Paddelblattes vom Heck des Bootes in einem viertel Kreisbogen nach vorne gezogen. Der dynamische Auftrieb stabilisiert die Bewegung. Deine Augen folgen dem aktiven Paddelblatt. Übrigens kannst du dein Kajak, wenn du diese Techniken abwechselst, sehr elegant drehen, immer und überall.


Heckruder

Wenn du dein Boot beschleunigt hast und aus der Fahrt oder dem Surf die Richtung korrigieren möchtest, bietet sich das Heckruder an. Du kannst es einfach mit einem Vorwärtsschlag kombinieren. Bevor du den Vorwärtsschlag nach der Durchzugphase aushebst, führst du das Paddel weiter parallel zum Boot, so dass dein aktives Paddelblatt parallel zum Heck erst einmal wirkneutral im Wasser ist. Dann kantest du dein Kajak auf der aktiven Seite hoch. Jetzt kannst du entweder mit der vorderen Führhand das Paddel vorne vom Boot wegbewegen, so dass das sich steil im Wasser befindende Blatt einen Hebel zur Bootslängsachse bildet, durch den das Boot dann eine Kurve zur aktiven Seite fährt. Oder du nimmst die vordere Führhand nach oben und drehst dann deine Handgelenke ein. Auch hier bildet dein Paddelblatt einen Hebel zur Bootslängsachse und das Boot dreht zur aktiven Seite.

Der Vorteil dieser Steuertechnik ist der Einsatz in Verlängerung mit dem Vorwärtsschlag. Dein Boot wird ohne große Bremswirkung korrigiert. Sie eignet sich besonders gut, wenn das Boot bei down Wind im Surf ist. Je höher deine Geschwindigkeit desto besser die Steuerwirkung bei diesem Schlag. Wellenprofis bleiben häufig mit dem Paddel beim Steuern auf einer aktiven Seite und wenden den Schlag zum Richtungswechsel zur anderen Seite invers an. Dann dreht dein Boot von der aktiven Seite weg. Beim inversen Heckruder ist die hintere Führhand weiter vom Boot entfernt als die vordere Führhand oder die Handgelenke sind nach oben aufgedreht. So kann man ohne mit dem Paddel die Seite wechseln zu müssen im Surf das Boot zu beiden Seiten in Fahrt ohne Geschwindigkeitsverlust korrigieren.

 


Flache Stütze und C to C

Die erste Phase der flachen Stütze ist das Kanten.


Die zweite Phase der flachen Stütze ist das Lehnen. Durch dynamischen Auftrieb wird eine Kenterung vermieden.

 

Das ist die letzte Phase der flachen Stütze. Das vorherige C vom Kanten Bild A wird hier rückabgewickelt.  Das Boot dreht auf der Körper folgt. der Kopf zum Schluss.

Die Flache Stütze ist eine reflektorische Stütztechnik die aufgrund ihrer kurzen Weges und der flachen Paddelführung eine Kenterung sofort verhindern kann. Sie unterstützt dich somit zuverlässig beim Brandungspaddeln. Du sitzt aktiv in aufrechter leichter Vorbeuge und führst deinen Paddelschaft auf Höhe des Bauchnabels eng an deinen Körper. Deine Handgelenke sind nach innen eingedreht und aktivieren die vorderen Muskelketten deines Oberkörpers, die dir die notwendige Stabilität und Vorlage geben. Deine Ellenbogen befinden sich senkrecht über dem Paddelschaft. Du „stützt“ dich auf dein Paddel. Dein Paddelblatt liegt mit seiner Rückseite auf dem Wasser und sorgt so entweder durch das Setzen eines kurzen Impulses aufs Wasser (statisch) oder durch ein Unterströmen des Blattes in Fahrt für den nötigen Auftrieb.
Analysiert man die Stützbewegung, erkennt man drei Phasen. Inb der ersten Phase -Kanten-  versucht das System die äußere Störung wie z.B. eine Brandungswelle durch Anpassung und Verlagerung des Körperschwerpunktes zum Systemschwerpunkt zu kompensieren. Man kann von vorne jetzt ganz gut das C erkennen, welches der Kopf und der Oberkörper mit Becken und Kajak beschreibt. In der Zweiten Phase -Lehnen- reicht das kompensatorische Kanten nicht mehr aus. Das System verliert sein Gleichgewicht und wir müssen unsere Unterstützungsfläche vergrößern, in dem wir uns mit dem aktiven Paddelblatt auf dem Wasser abstützen und somit für einen dynamischen Auftrieb sorgen. Deine Kenterbewegung kommt somit zum Stillstand. Die Kräfte befinden sich in einem labilen Gleichgewicht. In der nun folgenden, letzten und wichtigsten Phase – C to C – wird diese Bewegung rückabgewickelt, d.h. dein Kajak wird über deinen Knieimpuls zuerst aufgerichtet, dein Oberkörper und dein Kopf folgen erst zum Schluss. Das heißt die Bewegung startet am Knie und endet mit dem Kopf. Von vorne gesehen erkennt man am Ende dieser Technik das gespiegelte C. Diese Technik erlaubt dir durch Impulssetzung das Drehen des Bootes unter deinen Körperschwerpunkt und ermöglicht dir somit z.B. das flache Stützen oder eine Rolle unabhängig vom dynamischen Auftrieb.

 

 


 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 8/2018:

KANU-SPORT 8/2018
Weitere Infos zum Heft
und Online-Bestellung



Letzte News