25. April 2024

Strömung und Strömungskräfte auf Flüssen

Übersicht Eingangsschwall Abseilstrecke Soca. Mehrere Kehrwässer und „Strömungs V“s inkl. Siphon auf der linken Flussseite. (Grafik: Stefan Bühler)

Strömung ist das Salz in der Suppe des Paddlers!
Versalzene Suppe ist aber weder gut noch gesund (und erhöht den Blutdruck)! Auch zuviel Strömung kann schnell gefährlich werden.

Von Stefan Bühler, DKV-Ressortleiter Sicherheit und Material

 

Der Begriff Strömung beschreibt die gerichtete Bewegung des Wassers, das von der Schwerkraft getrieben bergab fließt. Wie schnell eine Flüssigkeit fließen kann hängt von Ihrer inneren Reibung oder auch Fleißfähigkeit ab. So fließt Hönig im Vergleich zu Wasser relativ langsam, da er deutlich zäher ist. Physikalisch wird dafür der Begriff Viskosität verwendet.
 

Viskosität, Gefälle und Fließgeschwindigkeit

" Je mehr Wasser im Flussbett und desto steiler
der Fluss desto höher die
kinetische Energie des Wassers ."

Wenn Wasser die Viskosität 1 hat (die Dimension lassen wir mal weg, es geht hier um den Vergleich) hat Olivenöl die Viskosität von 100 und Honig die von 10.000. Weil unsere Flüsse mit Wasser statt mit Olivenöl oder Honig gefüllt sind, fließen sie auch bei geringem Gefälle noch mit relativ hohen Fließgeschwindigkeiten. Der Rhein fließt von Basel auf seinen 1.000km bis zu Mündung nur 250m bergab. Trotzdem erreicht der Rhein in Mannheim eine Fließgeschwindigkeit von ca. 5-6 km/h. Das ist immerhin schneller als ein Fußgänger. Wäre man mit dem Fahrrad Richtung Norden unterwegs, würde man das Gefälle nicht bemerken. Das Fahrrad würde auch aufgrund der Reibung nicht bergab rollen. Man kann nun argumentieren, der Rhein fließt so schnell, weil von oben immer Wasser nachkommt. Wenn das Nachfließen Hauptgrund wäre, dann müsste das Ganze auch mit Olivenöl oder Honig funktionieren. Wie sähe es da wohl im Quellgebiet, dem Oberlauf und den angrenzenden Gebieten aus, wenn z.B. der Honig nicht schnell genug abfließen könnte? Ein gutes Beispiel sind die Lavaströme an aktiven Vulkanen, die relativ langsam abfließen und sich ein breites Bett schaffen.
Trotzdem gilt natürlich, je mehr Wasser (oder Honig) im Flussbett und desto steiler der Fluss desto höher die kinetische Energie des Wassers (Honigs) und desto höher die Strömungsgeschwindigkeit.
Engstellen erhöhen die Strömungsgeschwindigkeit ebenfalls. Muss die gleiche Menge Wasser durch eine Engstelle fließen, geht dies nur durch die Erhöhung der Geschwindigkeit. Durch das von Hindernissen abgelenkte Wasser bildet sich dann oft ein Strömungsbild aus, das einem nach flussaufwärts geöffeneten V gleicht und als „Strömungs -V“ bezeichnet wird (siehe Titelbild).


Der sichere Weg

Die sicherste Route einen Fluss hinunter zu fahren, ist immer in der Mitte des „Strömungs V“ zu fahren. Bei starker Wasserführung bilden sich an der Spitze des „V“s meist stehende Wellen. Die seitlichen Begrenzungen des „V“s sind in der Regel die Kehrwasserlinien der auslösenden Hindernisse.
Das Kehrwasser bildet sich hinter einem Hindernis (Felsen im Fluss, vorspringendes Ufer). Die Strömung wird vor dem Hindernis abgebremst und teilweise aufgestaut (Prallwasser) und fließt neben dem Hindernis mit erhöhter Geschwindigkeit vorbei. Durch die hohe Geschwindigkeit kann das von oben vorbeifließende Wasser den Raum hinter dem Hindernis nicht auffüllen. Das Wasser wird dann von unten mit einer gegenläufigen „Kehr“-Strömung wieder aufgefüllt. Das da Wasser hier scheinbar Flussauf fließt, hat damit zu tun, dass sich hier flussauf und flussab umdrehen, weil hinter dem Hindernis der Wasserstand niedriger ist als er eigentlich sein sollte. Entlang der gegenläufigen Strömung bilden sich starke Turbulenzen aus. Die Zone mit den Turbulenzen, auch Kehrwasserlinie genannt, ist am Beginn des Kehrwassers am schmalsten und wir zum Ende des Kehrwassers breiter.


Verteilung der Fließgeschwindigkeit

Die Fließgeschwindigkeit ist in einem Fluss nicht gleichmäßig verteilt. Sie ist in der Mitte eines Flusses und im Bereich der Oberfläche am höchsten, da das Wasser hier ungehindert fließen kann. In diesem Bereich kann man von laminarer, also ungestörter Strömung sprechen. Im Bereich der Ufer und in flachem Wasser wird das Wasser am Grund und an Hindernissen abgebremst und Turbulenzen entstehen. Diese Turbulenzen sind auch bei moderaten Geschwindigkeiten an den aufwallenden Wasserpilzen zu erkennen. Meist bilden diese Turbulenzen eine helikale (schraubenförmige) Strömung entlang des Ufers aus, die einen Schwimmer wieder in die Flussmitte schieben. Bei Normalwasserstand ist dies nicht unbedingt zu bemerken. In einer Hochwassersituation und im Wildwasser kann diese Strömung aber so stark sein, dass sie von einem Schwimmer nicht mehr überwunden werden kann.

 

Die Kraft von fließendem Wasser


Hinweis der Redaktion

Fließendes Wasser übt entsprechend der angespülten Fläche und der Strömungsgeschwindigkeit unterschiedlich starke Kräfte auf Hindernisse wie verklemmte Schwimmer oder Boote aus.

Wichtig: die auf den verklemmten Körper ausgeübte Kraft vervierfacht sich bei der Verdopplung der Strömungsgeschwindigkeit.

In der folgenden Tabelle ist ein Beispiel für ein vollständig
überspültes 4m langes und 60cm breites WW-Kajak gezeigt:

Strömungsgeschwindigkeit (km/h) 7,2 10,8 14,4
= Strömungsgeschwindigkeit (m/s) 2 3 4
Beispiel Loisach Salza, Salach, Sanna Inn, Ötz
Kraft (daN) 137 304 504
entspricht in kg 140 kg 310 kg 550 kg

Quelle: Faszination Wildwasser, G. Fernsebner, W. Huber, ISBN 3-70222154-9


Die Kraft ist wird in der Einheit Newton angegeben. Um schnell einen Eindruck zu bekommen, mit welcher vergleichbaren Masse man hier zum Vergleich rechnen kann, werden die Werte in daN (deka Newton) angegeben. Auf den blauen Schilden an den Spanngurten ist die Zurrkraft auch in daN angegeben. 1daN = 10 N und entspricht damit fast der Gewichtskraft eines Kilogramms. Würde man das verklemmte Boot auf der Loisach bergen, wären sicher 2 Personen nötig. Bei großen Booten z.B. Kanadiern können schnell Kräfte auftreten, die bei Seilen aus leichteren Wurfsackmodellen zum Seilabriss führen können. Meist gestaltet sich die Situation in der Realität aber anders. Das Kajak ist entweder nicht voll überspült oder ist in einem Winkel zur Strömung verklemmt was die Kräfte erheblich reduziert.
Nichts desto trotz zeigen diese Beispiele, dass Strömung und die Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit nicht zu unterschätzende Gefährdungspotentiale darstellen. Das wird besonders bei Hochwasser gerne unterschätzt. Aber die Gefahren bei Hochwasser sind eine andere Geschichte.
 

 


 

 

 


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