16. November 2023

Tour International Danubien - ein XXL-Flussabenteuer (Teil 1)

Donaudurchbruch Weltenburger Enge (Foto: Reinder van der Wall)

Ein persönlicher Bericht von Reinder van der Wall über seine Teilnahme an der Tour International Danubien (TID) 2022. Schon ihm Vorfeld seiner Teilnahme erreichten ihn zahlreiche Berichte über laute und schlaflose Nächte inmitten von Schnarchkonzerten, Frühaufsteher die schon vor 5 Uhr morgens mit Töpfen klappern, Engpässe bei Duschen und Toiletten, Zeltplätze die eher grob gepflügten Stoppeläckern gleichen und die verschiedensten Wetterunbilden welche bei dem vorgegebenen Tagesprogramm aber durchlitten werden müssen. Das alles mag so manchen von einer Teilnahme abschrecken. Reinder van der Wall veranlassten diese Gerüchte, sich doch einmal persönlich ein Bild von der ganzen Geschichte zu machen. Immerhin lockt ein Fluss auf 2.000 km Strecke mit den unterschiedlichsten Landschaften von weiten Ebenen bis zu engen Durchbruchstälern, die Passage durch acht Länder mit ihren diversen kulturellen Hintergründen und vor allem die Begegnung mit vielen Personen die alle ihre eigene Geschichte zu dieser Fahrt mitbringen.

 

Von Reinder van der Wall, Referent Wanderfahrten-Wettbewerb

 

"Es gab Frühaufsteher, aber es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass dabei jegliches Geräusch vermieden wurde – einschließlich eines Morgengrußes. "

Vorab schon einmal so viel: lediglich auf den Zeltplätzen in Ingolstadt und Straubing herrschte dichtes Gedränge, alle anderen Zeltplätze boten reichlich Platz. In den neun Wochen meiner Teilnahme gab es insgesamt fünf laute Nächte, alle aber nicht durch die TID verursacht (Schulabschlussfeier, Hochzeit, Rockkonzert, Motorradtreffen und eine Dorffeier zu Ehren der TID). Es gab Frühaufsteher (ich war teilweise selber ein solcher), aber es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass dabei jegliches Geräusch vermieden wurde – einschließlich eines gesprochenen Morgengrußes. Und ja, Duschen und Toiletten entsprachen nicht immer unseren westeuropäischen Vorstellungen und waren teilweise auch in der Zahl knapp bemessen, dank des disziplinierten Verhaltens der Teilnehmer war an der Sauberkeit aber nichts auszusetzen und wenn man eher früh oder spät zur Dusche ging waren die Wartezeiten auch sehr moderat. Bei den Zeltplätzen gab es im Einzelfall durchaus negative Beispiele, ebenso bei den Ein- und Ausstiegsstellen, im Großen und Ganzen war aber immer für eine gute bis passable Übernachtungswiese gesorgt. Und schließlich zum Wetter und Klima: Während wir in Österreich noch mit einigen Regentagen und eher kühlen Temperaturen zu kämpfen hatten, kam ab Wien die Sonne heraus und sorgte für den Rest der Strecke für teilweise doch recht hohe Temperaturen bis 41 °C. Dadurch hatten wir ein historisches Niedrigwasser, was zu besonders langen Staustrecken vor den leider zahlreichen Staustufen führte. Andererseits traten dadurch besonders viele schöne Sand- und Kiesstrände hervor, die auch so manches schon lange versunkene Schiffswrack wieder freigaben. Nun aber endlich zu der Fahrt an sich.

 

Freitag, 24.06.2022 Ankunft in Ingolstadt.

Das Navi lotste uns von der Autobahn durch eine Wohnsiedlung bis rechts am Deich eine Fahne mit der Aufschrift TID uns das Ziel anzeigte. Der Zeltplatz beim Faltboot-Club war schon recht gut belegt, die Anmeldung war schnell erledigt und ein freies Plätzchen in einer hinteren Ecke für das Zelt gefunden. Dann erst einmal herumschauen: es tummelten sich überwiegend ältere Semester aber auch ein paar jüngere auf dem Platz. Jeder war mit seinem Zelt, Boot oder der Ausrüstung beschäftigt und pusselte noch an letzten Vorbereitungen. Samstags konnten Autos zu vorbereiteten Parkplätzen gebracht werden, die später im Verlauf der Tour von Busunternehmen zur Abholung und Rückkehr von Teilnehmern angefahren wurden. Ich nutzte die Gelegenheit für letzte Einkäufe, erste Gespräche mit anderen Teilnehmern und der direkt neben uns zeltenden kroatischen Delegation, bis am Abend dann die offizielle Eröffnung der TID stattfand.

Wikinger vor Wien

Insgesamt waren 155 Teilnehmer am Start, mit Kajaks, Kanadiern, SUPs, Ruderbooten und sogar einem Wikingerschiff – ein verkleinerter Nachbau des Osebergschiffes. Es gab Verpflegung vom Grill, ein paar Ansprachen, Hinweise für den kommenden Paddeltag und dann ein erstes geselliges Beisammensein zum Kennenlernen. Der nächste Morgen war von gespannter Erwartung geprägt. Als ich aus dem Zelt krabbelte rollerten die ersten bereits ihre Boote zur Einstiegsrampe, ich frühstückte erst noch einmal gemeinsam mit Dörthe bevor auch ich mich reisefertig machte. An der Rampe herrschte nun bereits guter Betrieb aber ohne große Wartezeit kam ich aufs Wasser. Nun aber los und in der Aufbruchstimmung vergaß ich glatt, mich noch einmal zu einem Abschiedsgruß zur Dörthe umzudrehen – sorry. Gleich nach dem Einstieg ging es mit dem Rückstau der Staustufe Vohburg los, eine Einstimmung auf die noch folgenden Kraftwerksketten.
Ein erstes kurzes Umtragen, dann strömte die Donau wieder. Mich begleitete nun eine wunderschöne Auenlandschaft mit Kiesbankufern und schon bald schoben sich voraus Hügel in den Verlauf der Donau. Noch ein, zwei Kurven, eine Seilfähre und schon lag rechterhand das Kloster Weltenburg vor mir. Eine Landung an breiter Kiesbank ist hier praktisch Pflicht: zum einen wegen der barocken Klosteranlage, zum anderen aber auch wegen des süffigen Schwarzbieres zu passender Brotzeit. Es folgte einer der Höhepunkte im deutschen Donaulauf, der Durchbruch durch die Kalkfelsen des schwäbischen Jura mit weißen Felswänden rechts und links und einer strudeligen Strömung. Die Ausflugsdampfer störten etwas, die sollte man sich ein wenig auf Abstand halten. Bald schon kam auf hohem linkem Ufer die Befreiungshalle in Sicht und kurz darauf war das erste Etappenziel am alten Hafen in Kelheim am stillgelegten Ludwig-Donau-Main-Kanal erreicht. An steiler Rampe stand ein freundlicher Helfer bereit, kurz gerollert und das Zelt im spärlichen Schatten aufgebaut. Nach erstem gemeinsamem Abendessen saßen wir noch eine ganze Weile am alten Hafenbecken zusammen und schlossen erste Fahrtenbekanntschaften, derweil die freundlichen Helfer des Kelheimer Kanuclubs uns baten bei der Restevernichtung des nachmittäglichen Kuchenbuffets zu helfen – selbstlos stürzten wir uns auf die leckeren Stücke Apfelkuchen.

   


Auf der Fahrt nach Regensburg war die erste Bootsgasse in Bad Abbach zu überwinden bevor uns schon bald der nächste Stau ausbremste. Beim Regensburger Ruderverein genossen wir ein komfortables aussteigen am flachen Steg und einen sehr gepflegten Rasen. Leider wussten den auch Unmengen von Nacktschnecken zu schätzen, die am nächsten Morgen die Zelte dicht bevölkerten. Eine weitere Bootsgasse, dann wartete die steinerne Brücke von Regensburg auf uns, die aber bei dem diesjährigen Niedrigwasser keine Probleme wegen verstärkter Strudel bereitete. Bereits im nächsten Stau von Geisling tauchte linkerhand auf hohem Waldufer die Walhalla auf, ein nachgemachter griechischer Tempel der die Konterfeis berühmter Deutscher enthält. Die heutige Etappe bis Straubing stellte für so manchen Teilnehmer einen ersten Prüfstein dar, knapp 60 km auf überwiegend Stauwasser wollten erpaddelt sein und die steilen Treppen am Ausstieg des Kanuclubs in Straubing waren nur mit gegenseitiger Hilfestellung zu überwinden. Am Zeltplatz hieß es platzsparend zelten, der Platzwart wies uns ein damit auch wirklich alle Teilnehmer noch einen Platz fanden.
Nach einem Ruhetag in Straubing ging es endlich wieder mit Strömung weiter. In Winzer, beim Motorbootclub, wurden wir abends mit bayerischer Blasmusik bei Leberkäse unterhalten, nachdem wir noch ein etwas unachtsam direkt am Wasser abgelegtes Ruderboot vor den Wellen der Ausflugsdampfer gesichert hatten. Weiter ging es mit Strömung bis bei Vilshofen der Rückstau vom Passauer Kachletwehr spürbar wurde. Am Kraftwerk konnten wir auf bequemen Rampen umkarren, die anschließende enge Stadtdurchfahrt mit vielen vor Anker liegenden Ausflugsschiffen wurde durch den von rechts stürmisch einmündenden Inn beendet. Nun noch ein paar km auf der wieder strömenden Donau bis Erlau und die deutsche Etappe war geschafft. Das abendliche Gewitter konnten wir in einer gemütlichen Gaststube bei Schweinsbraten und Knödeln abwettern, der darauffolgende Ruhetag wurde von mir zu einer Wanderung durch die bewaldeten Steilhänge des Donautales genutzt.

 

Mitführen eines Bootswagens ist Pflicht

Schloss Schönbühel in der österreichischen Wachau.

Nun hatte uns Österreich mit einer fast durchgehenden Kette von Staustufen in Empfang genommen. Das Wetter war wieder etwas frisch geworden. Die von uns meist genutzten Umtragestellen waren generell mit flachen und gut passierbaren Rampen ausgestattet, das Mitführen eines Bootswagens ist hier Pflicht. Nach jeder Staustufe konnten wir uns über bis zu 5 km Strömungsstrecke freuen, bevor der Rückstau des kommenden Kraftwerkes uns an die in Österreich am meisten verbreitete Form der regenerativen Stromerzeugung erinnerte. Da ist die erste noch unverbaute Teilstrecke, die Wachau von Melk bis Krems ein echtes Highlight. Eine kräftige Strömung schob uns an ersten Weinbergen und in schäumender Welle hängenden Bojen vorbei. Wir waren gut beraten, von Bojen und gelegentlich bei dem Niedrigwasser aufgetauchten Felsen einen guten Abstand zu halten. Dazu kam noch eine veritable Anzahl von Ausflugsschiffen, die in dichter Folge von vorn und hinten die weit auseinander gezogene Truppe von TID-lern passierten. Das alles ist für erfahrene Paddler nun kein wirkliches Problem, einige Teilnehmer waren mit solchen Strömungen aber noch nicht ganz so vertraut und so fragte mich der Peter aus Memmingen angesichts der von ihm mit großem Misstrauen beargwöhnten Strudel, ob wir die nächsten Etappen nicht gemeinsam fahren könnten. Kein Problem, insbesondere da wir mit dem Begriff „Strudel“ beim abendlichen Verzehr der hier lokalen Spezialität „Marillenstrudel“ eine doch sehr erfreuliche Bekanntschaft schließen konnten.

   

 

Mit dem Regenschirm im Rückenwind segeln

Kiesbank im Tullner Becken vor Wien.

Mit dem Passieren der Wachau verließen wir nun aber auch die österreichischen Engtäler und traten in das weite Tullner Becken ein. Die folgenden Staustufen waren wieder mit eintönigen begradigten Steinschüttungen am Ufer versehen, lediglich eine einsame Kiesbank vor Wien wurde sofort als Paddler freundliche Pausenstelle besetzt. Den anschließenden Stau konnte ich bei auffrischendem Rückenwind im Päckchen mit Peter stabilisiert mit dem Regenschirm absegeln, wobei uns aber doch etliche Windwellen munter auf die Spritzdecke platschten. Der folgende Ruhetag in Wien wurde bei Sonnenschein zum Wäsche waschen, Einkaufen und bei einem Spaziergang zum folgenden Kraftwerk Freudenau zur Inspektion der nächsten Umtragestelle genutzt. Von Wien bis Hainburg folgte dann noch ein unverbautes Stück österreichischer Donau, welches kaum durch nachhaltige Proteste dem Zugriff der Kraftwerkslobby entrissen zum Nationalpark Lobau erklärt wurde. So konnten wir uns zwar auf flotter Strömung an der naturnahen Flusslandschaft der Donau erfreuen, ein Anlanden zum Pausieren ist aber weitgehend untersagt. Dafür bot der Übernachtungsplatz im städtischen Uferpark von Hainburg beste Zeltplätze mit Blick auf die Donau und die immer wieder vorbeiziehenden Schiffe. Abends nahmen wir noch an einer zwar interessanten, aber sich dann doch etwas in die Länge ziehenden Stadtführung durch die Geschichte Hainburgs teil.

   

 

Abendausklag mit Dämmerschoppen

Die Esztergom Basilika

Es folgte mit 16 km die kürzeste Etappe bis Bratislava. Hier war wieder ein Standort bei dem man aus der TID aussteigen oder aber für die folgenden Etappen zusteigen kann. Demzufolge war noch ein Ruhetag vorgesehen, um den Bustransfer zu organisieren. Wieder wurde eine Stadtführung angeboten, diesmal allerdings sehr kurzweilig und mit unterhaltsamen Anekdoten gespickt. Ich nutzte den Tag noch um eine erste Ladung Postkarten zu verschicken. Dies gestaltete sich etwas schwierig. Postkarten scheinen in heutiger Zeit nicht mehr ganz so aktuell zu sein – das Angebot ist etwas dürftig und Briefmarken gab es ausschließlich auf der Hauptpost. Der Abend klang dann wieder einmal bei einem Dämmerschoppen am Donauufer aus, während im Hintergrund noch bis zur Zeltruhe Musik zur Unterhaltung gespielt wurde.
Gleich hinter Bratislava empfing uns der nächste Stau, bei dem man aber im Gegensatz zu den österreichischen Staustufen die Donau nicht in ein enges Korsett gezwängt, sondern in einem mehrere Kilometer breiten See die angrenzenden Auen gleich mit überstaut hat. Diesen Bereich konnte ich bei meiner Donaufahrt 1987 noch ohne Hindernis passieren, heute hieß es gleich zweimal umtragen. Einmal bei dem Hauptwehr, bei dem links ein längerer Schifffahrtskanal abzweigt und dann noch einmal 5 km weiter bei einem ursprünglich vorgesehenen Kraftwerksstandort, wo jetzt eine nicht befahrbare Sohlschwelle die Fahrt unterbricht. Danach haben die Paddler die Donau erst einmal für sich, da der Schifffahrtskanal erst nach rund 40 km wieder in die Alte Donau mündet. Uns empfing hier wieder ein naturbelassener Flusslauf mit vielen Kiesinseln und Altarmen, die aber um ein Absinken des Grundwasserstandes zu verhindern alle über Sohlschwellen in die Donau münden.
Um den Zeltplatz in Komarno zu erreichen mussten wir noch den Nebenfluss Wah ca. 3 km gegen eine zum Glück nur schwache Strömung aufwärts paddeln bis uns entweder ein hoher Steg oder eine steile Rampe zum Aussteigen einlud. In langer Reihe zelteten wir dann vor dem Hochwasserdeich, konnten dafür ordentliche Duschen im Bootshaus des Kanu-Leistungszentrums genießen. Der etwas abgelegene Standort wurde durch einen gut organisierten Shuttle-Service mit Kleinbus zum mehrere Kilometer entfernten Supermarkt mehr als wett gemacht und das herzhafte Abendessen im Bootshaus füllte die tagsüber verbrauchten Energien wieder auf.
Nach drei Stationen verließen wir bereits wieder die Slowakei und reisten mit dem nächsten Etappenziel nach Ungarn ein. Schon von weitem war die Kuppel der Basilika von Esztergom, auf einem Hügel hoch über der Stadt thronend, zu sehen. Der Ausstieg direkt nach dem Kreuzfahrtanleger war nicht ganz einfach, da just in dem Moment unserer Ankunft eins dieser Passagierschiffe ablegen wollte. Dann ging es über eine holperige Rampe das Ufer aufwärts, oben erwartete uns aber der gepflegte Rasen eines Sporthotels mit tiptop Sanitäranlagen und ein Willkommensempfang mit Aushändigung unseres Etappenausweises und eines T-Shirts für jeden Teilnehmer. Bei einem Stadtbummel wurde nicht nur am Automaten schnell das nötige Bargeld für den Ungarnaufenthalt besorgt, ein Aufstieg zur Basilika gehörte hier zum Pflichtprogramm. Eine Innenbesichtigung ging wegen eines gerade laufenden Gottesdienstes nicht, dafür genossen wir von der erhöhten Position einen weiten Blick auf die Donau und das Umland.

Blick von der Burg Visegrád auf das Donautal.

Es folgte eine kurze Etappe bis Visegrád, eine alte Burganlage mit hoher politischer Bedeutung in der Geschichte der Ungarn erhebt sich weit sichtbar auf einem Bergsporn über dem Ort. Unsere ungarische Fahrtenleitung organisierte einen Bustransfer hinauf zur Burg, die gut restauriert einen guten Einblick in ihre wechselvolle Geschichte gibt. Wieder schweifte der Blick von erhöhter Position flussaufwärts zu unserem Zeltplatz und flussabwärts zur Spitze der Szentendre-Insel die über mehr als 30 km Länge die Donau in einen Haupt-Schifffahrtsarm und einen für Kanuten empfohlenen rechten Nebenarm teilt. Wir hielten uns also rechts, passierten bereits einige Ortschaften im Einzugsbereich Budapests bevor wir zu einem Stadtbummel in Szentendre ausstiegen. Unsere ungarischen Freunde hatten zwei Aufpasser abgestellt, die während unseres Stadtbummels die zurückgelassenen Boote bewachten, während wir zu Fuß die engen Gassen des durchaus malerischen aber andererseits auch schon sehr touristischen Ortes erkundeten. Nur noch wenige Kilometer bis kurz vor dem Ende des Nebenarmes und wir hatten unser Etappenziel in Budapest erreicht. Wir waren auf einem Freizeitgelände des städtischen Wasserwerks untergebracht und genossen die Wohltat eines Schwimmbeckens nach einem Tag mit hochsommerlichen Temperaturen.

Aussteigen zum Sightseeing in Szentendre.

In Budapest war Ruhetag, da nutzten wir die Gelegenheit mit der Bahn ins Zentrum zu fahren. Wegen der angekündigten hohen Temperaturen stiegen wir gleich am Vormittag zur Fischerbastei, Matthiaskirche und Burg hinauf und genossen von dort den Ausblick auf das Parlament und die Altstadt von Buda. Über die Donau ging es dann zu den Markthallen auf einen Imbiss und dann der Kultur wegen in das Robert Capa-Museum mit Fotografien seines umfangreichen Werkes nicht nur als Kriegsreporter, sondern auch als Chronist des ländlichen Lebens in den 1930er und 1940er Jahren.
Nach der Stadt Budapest ging es auf der Donau nun in die große ungarische Tiefebene. Das heißt überwiegend flaches Land hinter beiden Ufern mit einem grünen Auwaldsaum. Nur gelegentlich sorgte ein Dorf mit Fähre oder ein kurzes Stück Steilufer für Abwechslung. Tagsüber heizte die Sonne uns bis auf 41 °C ein, so dass wir bei den Pausen für jedes bisschen Schatten dankbar waren. Die Hitze stresste nicht nur uns, sondern auch die Natur. In Dunajvaros krachte urplötzlich nachmittags ein großer Ast auf ein darunter stehendes Zelt, zum Glück war der Bewohner gerade davor und konnte sich mit einem beherzten Fallrückzieher außer Gefahr bringen. Das Zelt war hin, es konnte aber kurzfristig ein Ersatz beschafft und die Fahrt fortgesetzt werden. Wegen der hohen Tagestemperaturen wurde von der Fahrtenleitung nun die allgemeine Nachtruhe aufgehoben um die noch leidlich angenehmen Morgenstunden zum Paddeln nutzen zu können. In Dunajvaros und dem folgenden Zeltplatz in Paks erlebten wir dann auch die ersten lauten Nächte. In unmittelbarer Nachbarschaft wurde am ersten Platz eine Schulabschlussparty bis in den frühen Morgen gefeiert, während in Paks eine Hochzeitsfeier erst durch ein plötzlich einsetzendes Gewitter gegen ein Uhr nachts abrupt beendet wurde.

Etappenziel Dunajvaros.

Mit Mohacs wurde dann das Ende der ungarischen Etappe erreicht. Hier war wieder ein Ruhetag eingeplant und es bestand durch organisierten Bustransfer die Möglichkeit die Fahrt zu beenden oder für die folgenden Etappen zuzusteigen. Die Fahrtenleitung wechselte nun auf das serbische Team, es bestand die Gelegenheit die für die serbische Etappe obligatorische serbische Flagge zu erwerben und den Ruhetag zum Waschen der Wäsche und einen Stadtbummel zu nutzen. Das uns seit Ingolstadt begleitende Wikingerschiff musste hier nach internen Auseinandersetzungen der Mannschaft die Teilnahme ebenfalls beenden, offenbar war die andauernde enge Nähe tagsüber auf dem Schiff und an Land in der Zeltgemeinschaft zu viel für einige der Teilnehmer.
Alle weiterfahrenden stürzten sich dann am nächsten Morgen in das Abenteuer Passkontrolle. Da wir von Ungarn nach Serbien die EU-Außengrenze passierten war nun erstmals eine behördliche Kontrolle angesagt. Die ungarischen Grenzbeamten konnten dabei zwar mit jugendlichem Alter, schmucken Uniformen und einem glänzenden Dienstwagen aufwarten, der Ablauf der Prozedur zog sich aber doch sehr in die Länge so dass wir leider erst gegen 11:30 Uhr zu Beginn der großen Tageshitze aufs Wasser kamen.

Fahrt durch Serbien mit der obligatorischen Flagge des Gastlandes an Bug.

Dafür tauchten wir jetzt in ein sehr naturbelassenes Stück Donau ein. Nicht nur dass es im Grenzgebiet nach Serbien kaum Siedlungen gibt, die Donau wird hier immer noch von einem breiten und kaum regulierten Auwaldstreifen begleitet. Ein einsames Grenzschild am linken Ufer markierte den Landeswechsel, ansonsten strömte die Donau unter gleißender Mittagssonne ruhig dahin. Eine schmale Straßenbrücke bot dem Auge eine willkommene Abwechslung bis endlich die Silhouette der orthodoxen Kathedrale von Apatin das Etappenziel ankündigte. Die Fahrrinne machte noch einmal einen großen Schlenker in dem breiten Flussbett, bevor wir in einen linken Seitenarm zur örtlichen Marina einbiegen konnten. Am schlammigen Ufer warteten zum Glück wieder fleißige Helfer um die Boote die steile Rampe hinauf zu bringen, oben nahm uns dann ein geduldig wartender serbischer Grenzbeamter in Empfang. Die Zelte konnten wir auf einem benachbarten Fußballplatz aufbauen, ordentliche sanitäre Anlagen gab es in der Marina und im angrenzenden Restaurant gab es nicht nur eine offizielle Wechselstube für die lokale Währung, sondern auch ein gemeinsames Abendessen mit Begrüßung durch einen Vertreter des serbischen Tourismusministeriums.
Am nächsten Morgen hieß es bereits wieder Grenzkontrolle, denn nach nur einem Tag in Serbien sollte es für die nächsten zwei Etappen auf das rechte Ufer nach Kroatien gehen.

 

 

 

 

 

   

Im nächsten Beitrag erscheint die Fortsetzung des Tourenberichts zur TID 2022. Dann geht es bis zum Zielort Silistra und mit dem Bus zurück.

 


 

Kurz-Info:  Tour International Danubien (TID)

 

Die Tour International Danubien, kurz TID, genießt unter eingefleischten Langstreckenpaddlern einen schon fast legendären Ruf. Woran liegt das, und was verbirgt sich eigentlich genau hinter diesem Kürzel TID?
Nun, die TID gilt als die längste organisierte Kanu-Gepäckwanderfahrt der Welt. Sie wird jährlich auf der Donau organisiert, Start ist in Deutschland in Ingolstadt und das Ziel ist im Donaudelta in Rumänien an der Mündung in das Schwarze Meer nach ca. 2500 km erreicht. Dafür ist ein Zeitraum von 2,5 Monaten vorgesehen, von Ende Juni bis Mitte September. Nun muss man als Paddler aber nicht unbedingt die gesamte Strecke paddeln, es ist möglich sich auch für die einzelnen Länderetappen der insgesamt 9 Teilnehmerländer anzumelden und sich so die Gesamtstrecke stückweise zu erpaddeln. Von besonderem Reiz ist es natürlich, einmal sich die Zeit zu nehmen und die gesamte Tour im Stück zu paddeln.
Im Jahr 2022 findet die TID zum 65. Mal statt, da bietet es sich an, einmal einen kurzen Blick in die Historie dieser Fahrt zu werfen. Die 1. TID wurde 1956 als internationale Wanderfahrt (ab 1958 internationale Freundschaftsfahrt) auf der Strecke von Bratislava bis Budapest über 222 km veranstaltet. Die Fahrt hatte so einen guten Anklang gefunden, dass im Folgejahr die Strecke bereits bis Belgrad verlängert wurde. In den weiteren Jahren wuchsen sowohl die Zahl der Teilnehmerländer als auch die Länge der Gesamtstrecke. Seit 1968 findet der Start jeweils Ende Juni in Ingolstadt statt, das offizielle Ziel war bis 2009 die Stadt Silistra in Bulgarien, da sich Rumänien erst ab 2009 an der TID beteiligte und dann auch die Restetappe durch das Delta bis in das Schwarze Meer angegliedert wurde.
Da die TID durch insgesamt 9 Staaten führt hat auch die Politik immer wieder Einfluss auf die Fahrt gehabt. Der durch die Sowjetunion im Herbst 1956 niedergeschlagene Ungarnaufstand konnte die Fahrt im darauffolgenden Jahr 1957 nicht ausbremsen. Ebenso gab es keine Unterbrechung nach dem Einmarsch der Sowjetunion in die Tschechoslowakei 1968. Es gab jedoch bis zur politischen Wende 1989/1990 Beschränkungen für Teilnehmer aus den Ostblockstaaten. Diese durften nur an den Etappen in der Tschechoslowakei, Ungarn und Bulgarien teilnehmen. Teilnehmer aus westlichen Staaten hatten die freie Wahl unter allen Länderetappen. Trotz mitreisender „Aufpasser“ aus den Ostblockstaaten gab es aber dennoch viele freundschaftliche Kontakte unter den Teilnehmern, welche die lockere Atmosphäre einer solchen Gepäckwanderfahrt und so manchen unbeobachteten Augenblick auf dem Wasser oder bei einer Pause am Ufer für Gespräche und den Austausch nutzten.
Eine Zäsur gab es in den Jahren des jugoslawischen Bürgerkrieges, da die Donau insbesondere zwischen Serbien und Kroatien direktes Kampfgebiet war. Die Schifffahrt auf der Donau auf diesem Streckenabschnitt war eingestellt und so hatten auch Kanuten in diesem Bereich nichts mehr zu suchen. Die jugoslawische Etappe wurde daher über mehrere Jahre mit Bussen umfahren um dann erst in Bulgarien wieder einzusetzen. Eine Absage der TID war jedoch erst in den Jahren 2020 und 2021 erforderlich. Die Einschränkungen des Alltagslebens durch die Corona-Pandemie ließen eine geregelte Organisation der TID nicht zu und so kommt es, dass mit zwei Jahren Verspätung die 65. TID nun im Jahr 2022 stattfinden wird. Auch diesmal allerdings mit Einschränkungen. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine führte zur Streichung der rumänischen Etappe, da die Donau auf ca. 70 km Länge vor dem Donaudelta die Grenze zwischen Rumänien und der Ukraine bildet.
Leider wurden in den letzten Jahrzehnten eine ganze Reihe von Flusskraftwerken in die Donau gebaut, insbesondere in Deutschland und Österreich, aber auch in der Slowakei (Staustufe Gabcikovo) und im großen Karpatendurchbruch, dem „Eisernen Tor“ die Staustufen Djerdap 1 und Djerdap 2 im Grenzbereich zwischen Rumänien und Serbien. Dennoch sind weite Teile der Donau nach wie vor frei fließend, der Schiffsverkehr hält sich in überschaubaren Grenzen und die Landschaften entlang des Flusses sind immer noch beeindruckend.
Nachdem im Jahr 1982 bereits ein KGNO-Mitglied die TID auf der Strecke von Ingolstadt nach Silistra gepaddelt ist (Helmut Velke), habe ich mich nun 40 Jahre später auch für dieses Abenteuer angemeldet. Ich selber habe schon einige Donau-Erfahrungen hinter mir: in den Jahren 1977, 1984 und 1985 ging es auf verschiedenen Abschnitten in Deutschland und Österreich voran und 1987 hatte ich mich mit dem Faltboot von Wien nach Belgrad auf den Weg gemacht. Dies war das letzte Jahr, in dem man noch durch die Baustelle der Staustufe Gabcikovo ohne Behinderung durchfahren konnte. Dafür mussten wir uns noch Visa für die Fahrt durch die Tschechoslowakei und Ungarn beschaffen. Administrativ geht das heute viel einfacher, außer Serbien sind alle zu durchpaddelnden Länder mittlerweile EU-Mitglieder mit entsprechenden Erleichterungen im Reiseverkehr. Reichte die Zeit 1987 nicht mehr für eine Befahrung des Karpatendurchbruches aus, so soll es diesmal bis in die weiten Ebenen Südosteuropas gehen.
Was ist nun konkret von dieser Fahrt zu erwarten? Nun, es dürften so ca. 150 Teilnehmer sein, mit wechselnder Zusammensetzung je nach Länderetappe. Die Zeltplätze werden organisiert, oftmals sind das aber eher einfache Zeltwiesen, Sportplätze oder freies Gemeindeland. Die Sanitäranlagen dürften auch eher auf einfachem Niveau sein – da muss man sich dann halt mit den anderen Mitfahrern arrangieren. Im Gegenzug heißt es 2 Monate lang auf dem Fluss vagabundieren, ein freies Leben mit Boot und Zelt führen und jede Menge neue Eindrücke gewinnen mit Menschen, Landschaften und Kulturen die alle eins verbindet: die Donau.
Ich werde mich während der Fahrt sicher immer mal wieder über Whatsapp mit Fotos und kurzen Kommentaren melden.

 

Weitere Informationen gibt es hier:

  • DKV-Auslandsführer Band 9: Donau und Nebenflüsse (2018)
  • Internet: www.tour-international-danubien.org

Und wer es literarisch mag:

  • Lothar-Günther Bucheim: Tage und Nächte steigen aus dem Strom (1941); Bericht über eine Faltbootfahrt Ende der 1930er Jahre, so manche Beschreibung spiegelt deutlich die damalige politische Situation wieder.
  • Algernon Blackwood: Die Weiden, Reisebericht und fantastische Erzählung (1901); zweimal dieselbe Fahrt beschrieben (durch das große Schütt, eine Schwemmlandschaft zwischen Bratislava und Komarno), einmal als sachlicher Reisebericht und einmal als fantastische Erzählung, Neuauflage im danube books Verlag 2018

 

 

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.

 



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