Im Rahmen der Renaturierung des Mains im Abschnitt von Hausen bis Hallstadt wurde der traditionelle Paddel-Fluss mit seiner langen (Falt-)Kanugeschichte wieder zu einem Naturerbe und einem interessanten Erholungsgebiet. Die Auwälder, Kies- und Sandbänke, Steilufer und das fließende Wasser sind Lebensraum für viele bedrohte und faszinierende Tier- und Pflanzenarten. Entlang der renaturierten Abschnitte kommen Eisvogel, Flussregenpfeifer und Prachtlibelle wieder häufiger vor. Doch nicht nur die Tier- und Pflanzenwelt zieht es wieder an diesen Flussabschnitt. Auch der Erholungstourismus hatte durch die Maßnahmen stark zugenommen.
"Bei allem Schutzanspruch der Natur: wir Menschen haben ein Recht auf Erholung in der Natur und auf ein Erleben der Vielfalt." |
Eine Entwicklung, die einen besonders achtsamen Umgang mit dem Naturerbe Main fordert. Denn: „Wir brauchen einen anderen Blick auf den Fluss“, formuliert es Dr. Anne Schmitt. Beispielsweise sind Kiesbänke in einem Fluss eine tolle Gelegenheit für ein Picknick. Aber vor allem sind sie ein unersetzliches Rückzugs- und Brutgebiet für Wasservögel. „Es gibt Perlen der Natur, die man für die Natur vorhalten muss. Wenn es beispielsweise an einem Fluss nur noch 10 Kiesinseln gibt, auf denen der Flussregenpfeifer brütet, ist jeder, der eine dieser Kiesinsel betritt, eine unmittelbare Störung, die die Natur nicht kompensieren kann. Hier muss der Mensch sich selber zurücknehmen und Rücksicht zeigen. Wenn es jedoch 100 Kiesinseln gibt, ist Platz für Mensch und Natur. “
Diese Betrachtungsweise ist die persönliche Meinung von Anne Schmitt: „Bei allem Schutzanspruch der Natur: wir Menschen haben ein Recht auf Erholung in der Natur und auf ein Erleben der Vielfalt. Wir dürfen uns in der Natur aufhalten, weil wir Teil dieser Natur sind. Wir müssen hier nicht immer als Bittsteller auftreten, denn vom Grundsatz her macht der Paddler nichts ‚Schlechtes‘.“
Diese Haltung ist entscheidend, denn genau hier setzt das Konzept des Flussparadies Franken an: „Der Mensch hat das Bedürfnis, den Lebensraum Wasser zu entdecken und die Natur zu erleben.“ Genau hieraus entsteht aber auch die Notwendigkeit, sich dafür einzusetzen, dass die Bedürfnisse der Natur und die der Menschen in Einklang gebracht werden. „Wir müssen uns immer wieder neu die Frage stellen, wie naturverträglicher Kanusport aussehen kann.“ Das Recht auf ein Erleben der Natur darf nur dann genutzt werden, wenn die Natur nicht darunter leidet. „Es macht keinen Sinn, dass die Gewässernutzung für die Erholung in der Natur überall vollständig gesperrt wird. Alleine schon um den Menschen ein Bewusstsein für die Natur zu ermöglichen und auch Kindern deren Vielfalt aufzuzeigen, muss der Mensch Wasserflächen in seiner Freizeit nutzen dürfen. Es muss Bereiche geben, wo der Mensch sich aufhalten darf.“ Das heißt: es müssen Toleranzbereiche definiert werden, wo sich der Mensch für die Naherholung aufhalten darf. Und dies auf möglichst naturverträgliche Art und Weise.
Naturverträglicher Kanusport funktioniert nicht ohne Regeln. Auch am Main nahmen durch mangelhafte Gestaltung und unzureichende Nutzungsregelungen die Probleme an den Wasserflächen (Müll, wildes Campen, schlechte Wasserqualität, Nutzungskonflikte) mit dem steigenden Erholungsbedürfnis zunächst deutlich zu. Pauschale Empfehlungen, wie sie beispielsweise auch in den Empfehlungen für naturverträgliches Paddeln vom Deutschen Kanu-Verband zu finden sind, sind zwar ein wichtiger Anfang, müssen jedoch entsprechend der Situation vor Ort ergänzt werden. „Jedes Gewässer hat hier seine eigenen Voraussetzungen“, sagt Dr. Anne Schmitt. Welche Tier- und Pflanzenarten gibt es? Welche Nutzer gibt es und welche Bedürfnisse haben diese? Gemeinsam können Konfliktbereiche und auch Toleranzbereiche definiert werden. Im Falle des Mains musste man besondere Rücksicht auf die Schonung der naturnahen Ufergestaltung legen. Im Ergebnis wurden für den konkreten Fall Main sechs Regeln festgelegt, die einen Kompromiss zwischen dem Anspruch auf Erholung und den Notwendigkeiten des Naturschutzes darstellen:
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Hierzu sagt Dr. Anne Schmitt: „Es bringt nichts, aus reinem Egoismus nur die eigenen Bedürfnisse zu verfolgen. Die Natur kann Störungen, die der Mensch verursacht, nur begrenzt kompensieren. Damit also die Natur geschützt wird und damit komplette Sperrungen vermieten werden, ist es hilfreich, wenn hier Vereine eine Vorbildsfunktion übernehmen.“
Genau hier sind Kanuverbände gefragt. Kanuvereine kennen „ihr“ Gewässer und Störungen für die Natur fallen ihnen schnell auf. Das Thema Nachhaltigkeit und naturverträglicher Sport ist ihnen nicht fremd. Welche Gründe gibt es für die Vereine, als „Partner für ihr Gewässer“ aktiv zu werden? Schließlich sind die Vereinspaddler die „Guten“ und bewegen sich auf und am Wasser ohnehin mit besonderer Rücksicht auf die Natur – so vielerorts die Selbstwahrnehmung.
„Grundsätzlich: es kann nur Gutes dabei herauskommen, wenn man sich für den Schutz der Natur einsetzt. Es ist für Vereine außerdem besonders wichtig, durch Aktivitäten zu zeigen, dass man da ist. Behörden ist oft nicht bewusst, welche Interessensgruppen an einem Gewässer aktiv sind und welche Motivation und Bedürfnisse sie jeweils haben. Dabei gibt es viele Punkte, die Vereinen dabei helfen, den naturverträglichen Kanusport an ihrem Gewässer zu fördern: festgelegte, naturnahe Ein- und Ausstiegsstellen, Infotafeln, Unterstützung der Infrastruktur.
Je besser Vereine vernetzt sind, desto eher finden ihre Belange Gehör. Daher ist es besonders wichtig, grundsätzlich und frühzeitig auf sich aufmerksam zu machen. Im Falle einer Diskussion über Regulierungen oder über Bau- oder anderen Maßnahmen können dann Gespräche zwischen dem Kanuverein und den Behörden schnell aufgenommen werden. Das betrifft natürlich auch den schlimmsten Fall: eine Sperrung. „Je intensiver der Austausch zwischen Kanuverein und anderen Interessensgruppen, desto individueller können Lösungsvorschläge sein. Wenn eine (teilweise) Sperrung im Sinne des naturverträglichen Kanusports nicht vermieden werden kann, sollten Kanuvereine ihre Kontakte direkt nutzen und Alternativen fordern. Beispielsweise, das die Infrastruktur von Alternativabschnitten so verbessert wird, dass naturnahe Anlegestellen mit Aufenthaltsqualität entstehen. Das nützt dann sowohl den Kanuten als auch der Naherholung vor der Haustür und sogar der Natur.
Je enger hier verschiedene Interessengruppen gemeinsam für ein Ziel – also der naturverträglichen Erholung an einem Gewässer – zusammenarbeiten, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Ergebnisse erzielt werden. „Damit auch der Mensch an der Natur teilhaben kann, können an vielen Stellen eines Gewässers Möglichkeiten zum Schauen, Genießen und Erleben geboten werden. Beispielsweise über Erlebniswege, die direkt in die Natur führen und Wildnis erleben lassen. Infotafeln, die über Zusammenhänge und spannende Einzelheiten informieren. Von Türmen oder kleineren überdachten Verstecken aus lassen sich vor allem Vögel gut beobachten, ohne dass eine Störung erfolgt. Alleine die Vielzahl der Möglichkeiten, was sich erreichen lässt, macht deutlich, dass Vereine alleine diese Aufgabe gar nicht bewältigen können und müssen. Vielmehr muss ein Austausch auf Augenhöhe zwischen vielen Parteien (Kanuvermieter, Gaststätten, Campingplätze, weitere Vereine etc.) erfolgen. Positiver Nebeneffekt – die Arbeit wird auf sehr viele Schultern aufgeteilt und jeder übernimmt Aufgaben, die nur wenig Arbeit machen.
Die Strategie des Flussparadieses Franken ist es, dass ökologisch wichtige Gebiete („Perlen der Natur“) besonders geschützt (unter Umständen auch zeitweise gesperrt) und gleichzeitig in geeigneten Gebieten attraktive Freizeit- und Erholungsangebote geschaffen werden. „So können wir für Kinder und Erwachsene das Naturerlebnis vor der eigenen Haustüre ermöglichen.“ Die notwendigen Eckpfeiler, um dieses naturverträgliche Kanufahren auf dem Main zu ermöglichen, wurden landkreisübergreifend und gemeinsam von über 50 Interessenvertreter der Kommunen, der Landratsämter Lichtenfels und Bamberg, der Fischerei, des behördlichen Naturschutzes, der Naturschutzverbände, der Kanuvereine und Kanuvermieter umgesetzt.
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Diese Punkte sind für Vereine, die sich als Partner für ein Gewässer hervorheben wollen, ein praktisches Gerüst, um gemeinsam mit anderen Interessensgruppen die Erholungsqualität ihres Flusses oder Sees naturbewusst zu verbessern. Grundlage müssen dabei immer die individuellen Anforderungen von Flora und Fauna des Gewässers sein.
Und die wichtigste Empfehlung lautet: miteinander im konstruktiven Gespräch bleiben.
KANU-SPORT 12/2019 |