09. Juli 2023

Von Korfu nach Zakynthos

Paddeln bei Lefkada - der weißen Insel (Foto: Reinhard Groh)

Abenteuer auf dem Ionischen Meer: unversehens öffnet sich neben uns ein großer Trichter, um sofort einem ebenso großen Berg schäumender Wellen zu weichen, von links und rechts kommen Wellen heran und rollen mit ihren Schaumkronen über das Verdeck. In den Augenwinkeln blitzt ab und an ein fliegender Fisch auf. Unser Faltboot schießt ungestüm nach links Richtung Felswänden, um dann gleich wieder rechts zum offenen Meer hin auszubrechen.

Von Reinhard Groh, Siegsdorf

Die wahre Schönheit Korfus zeigt sich erst dann, wenn wir uns aufmachen, mit unseren Seekajaks die Küste zu entdecken.

Bereits eine gefühlte Ewigkeit weichen wir Felsen im Meer, von weißer Gischt umtost, unter Einsatz unserer nackten Muskelkraft aus; steilen, scharfen Klippen, die darauf aus sind, strandende Paddler zu verschlingen oder saugenden Löchern in hohen Felswänden. Dabei hatte der Tag so schön begonnen. Unser letztes Lager, wunderbar unter der Steilküste von Korfus Südspitze gelegen, vor uns die schwache Brandung, dann das Meer, die Insel Antipaxos im Hintergrund, frischer Kaffee zum Frühstück, schwimmen, trocknen, angenehme Wärme... Herz was begehrst du mehr? Dann kurz nach dem Ablegen der knappe Plausch mit dem Fischer, „ja, das Wetter bleibt gut heute, stabil, mindestens bis nach Mittag“. Anschließend die Querung, acht Kilometer ans Festland ohne Schiffsbegegnung, für uns ein Novum.

   


Neue Erfahrungen

Insgesamt ist vieles neu in diesem Urlaub. Das erste Mal sind wir in Griechenland, noch nie zuvor verbrachten wir den Sommerurlaub im Süden Europas und, für uns die größte Veränderung: zum ersten Mal seit vielen Jahren sind wir im Sommerurlaub nur zu zweit unterwegs, ohne unsere Kinder. Außerdem sind wir keine Seekajakpaddler. So richtig auf dem Meer – abgesehen von ein paar Touren in den schwedischen Schären oder einer Umrundung Losinis in Kroatien – waren wir bis dahin nicht unterwegs gewesen. Selbstredend hatten wir unser neues Zweierfaltboot – noch ein Novum – zunächst zu Hause auf dem Chiemsee ausgiebig getestet. 

Marktgeschehen in Kerkyra.

Pünktlich war unser Flugzeug gelandet. Vor dem Start noch einen griechischen Kaffee am Hafenkiosk getrunken und schon ging es los, vorbei an Kloster- und Mäuseinsel auf klarem, türkisblauem Wasser Richtung Südspitze der Ferieninsel Korfu. Nur langsam nahm die anfangs hohe Dichte der Hotelstrände ab, während wir in gebührendem Abstand Paddelschläge aneinanderreihen und versuchen, uns in dieses warme Land hinein zu fühlen. Zwei Tage, unterbrochen von einer Übernachtung auf einem beschaulichen Kiesstrand und einer abendlichen Shoppingtour zu einem Minimarket im nächstgelegenen Dorf, vorbei an Touristenbooten, die ihre hüfttief im warmen Wasser stehenden Gäste von kleinen Schwimmplattformen aus mit Cocktails versorgen, verstreichen ohne nennenswerte Ereignisse. Zwei Tage verstrichen aber auch ohne dass es uns gelang, einen inneren Bezug zu dieser Inselwelt aufzubauen. Zwei Tage, an denen wir entlang der Inselküste Korfus paddelnd immer den Blick auf das gegenüberliegende Festland, mit Albanien und der Bucht von Igoumenitsa hatten, dazwischen jede Menge Segelboote, gelegentlich passierenden Fährschiffen und den vielen Motorbooten, ohne dass wirklich Urlaubsgefühle aufkommen wollten. Bei uns stellte sich partout keine Begeisterung für die weite Landschaft, die Palmen oder die Strände ein, keine Empathie für die kleinen Häuschen, die am Ufer häufig zu sehen waren oder die kleinen, bunten Fischerboote, die unseren Weg kreuzten. Schon dachten wir darüber nach, den gebuchten Rückflug verfallen zu lassen, und zurück in die Alpen, zu steilen Bergen und Bächen zu fahren. Zu schade sind die wenigen freien Tage im Jahr, als dass wir sie lediglich als Pflichtübung aushalten möchten.

"So machen wir aus der Not eine Tugend und reiten auf wilden, hohen, schäumenden Wellen und werden Teil der wild gewordenen Elemente."

Doch nun, nach einem wunderbaren Morgen, haben wir unsere erste Querung hinter uns, der Himmel hatte sich nach unserer Mittagspause schnell verdunkelt und jetzt peitschen uns Wind und Wellen vor sich her. Reflektiert von der nahen Felsküste überlagern sich die Wellen zu hohen Türmen und so reitet unser Boot in wildem Auf und Ab entlang der Küste. Fragen kommen auf, hält unser Boot, das wir als Seekajak gekauft hatten, das auch aus? Was passiert, wenn die Alustäbe dem Gewicht von Paddlern und Ausrüstung unter der zusätzlichen Kraft der See nachgeben und das Boot kollabiert? Schnell werden solche Gedanken verworfen. An der gegenwärtigen Situation ist sowieso nichts zu ändern, zuerst müssen wir ein wirtlicheres Ufer oder einen Hafen erreichen, wo wir ohne Schiffbruch anlanden können. So machen wir aus der Not eine Tugend und reiten auf wilden, hohen, schäumenden Wellen, korrigieren die Versuche des Bootes mal auf die eine, dann wieder unversehens auf die andere Seite auszubrechen und werden Teil der wild gewordenen Elemente. So toben wir entlang der Felsen, immer mit mehreren hundert Metern Abstand, wegen der Reflexion und auch wegen der vielen, nur knapp unter der Wasseroberfläche liegenden Felsen, die bei diesem Seegang gut durch Gischt markiert sind. Da vorne, so hoffen wir, hinter der letzten Felsnase, da müssten wir landen können. Als wir dann daran vorbei fahren, setzt sich die Wand aus Fels einfach nur weiter fort. Die Karte vor mir auf dem Deck, von Tropfen übersät, hilft wenig, nicht zuletzt, weil ich zum Aufsetzen der Brille das Paddel loslassen müsste.

Die Grotten sind nicht nur vom Wasser aus beeindruckend.

Also paddeln wir auf Sicht noch um einige solcher Felsnasen herum, ehe sich auf ein Mal in Süd-Südost eine kleine Bucht öffnet. Der Wind kommt von Nord-Nordwest und bläst gerade auf den kleinen Strand, der sich beim Annähern erahnen lässt. Vorsichtig lassen wir uns von Wind und Wellen dichter ans Ufer schieben immer bedacht, im Zweifelsfall wieder weiter aufs Meer und an der Bucht vorbei zu fahren. Doch allmählich werden die Konturen deutlicher, vor uns liegt eine kleine Badebucht, mit Sonnenschirmen und Liegen am Strand im Hintergrund ein paar Gebäude. Wir nehmen Kurs auf die linke, hintere Ecke, in der Hoffnung, dass hier im Schlagschatten der Felswand, die Brandung schwächer als am restlichen Strand ausfällt. In der Einfahrt der Bucht sind die Wellen noch höher als zuvor. Der vor uns liegende Strand liegt nun deutlich tiefer als wir. Für uns Nichtseekajakfahrer ist es erstaunlich, nicht mit der Strömung hinab zum Strand gezogen zu werden. Immer wenn es abwärts geht, so unsere Erfahrung, will das Boot unbedingt auch dort hin, allermeistens ist dort auch der größte Spaß zu finden. Anders nun hier, ganz einfach lässt sich das Boot über der letzten Uferbrandung, die hier in der geschützten Ecke tatsächlich niedriger ist als entlang des restlichen Strands, auf Distanz halten, bis wir sprungbereit ein paar weniger starke Wellen abpassen, um dann mit einem Satz ans Ufer zu springen und das Boot aus der Brandung zu ziehen.
Geschafft. Nur ein Brecher hat die hintere Luke erreicht, wenig Wasser ist eingedrungen. Gierig greifen wir uns die Wasserflaschen und springen dann erst mal zur Abkühlung in die Fluten. Dieser Ritt auf den Wellen war lange und anstrengend, aber auch schön gewesen.
Auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit folgen wir dem einzigen Weg vom Strand ein paar hundert Meter den Berg hinauf. Unten, hinter dem Strand, sind ein paar Strandbars, ein Hotel und ein weiteres Gasthaus. Danach gehen wir an Anwesen mit kleinen, einfachen Ferienbungalows in Zitronengärten vorbei. In Ermangelung von Zeltmöglichkeiten finden wir uns alsbald in einem solchen Bungalow wieder. Die Dusche kommt gerade recht, so können wir das Salz der letzten Tage abwaschen. Auch Handtücher und T-Shirts sind schnell ausgespült und hängen auf der Terrasse zum Trocknen.


Landausflug

Blick auf Marathonisi

Heute, nach ausgiebigem Schlaf und Frühstück, die See ist immer noch sehr aufgewühlt, sitzen wir in Aiga im Café, die Einkaufstaschen sind voll Leckereien für die nächsten Tage und wir genießen die Luft, den Blick über die Hügel und den Kaffee des Bergdorfs. Die kleine Wanderung hier hoch war eine schöne Abwechslung zum Padddeln. Meist im Schatten ausgedehnter Olivenhaine schlängelt sich ein schöner Weg in das nette Dörfchen. Ursprünglich unten in der Bucht Sarakiniko gegründet, waren die Bewohner den häufigen Angriffen durch Piraten ausgewichen und leben nun bereits seit mehreren hundert Jahren ca. 400 m über dem Meeresspiegel. Die Bucht unten ist nur noch den Sommer über bewohnt. So zieht auch die Familie, die die Bungalows vermietet und die dazugehörende Taverne betreibt, nach Saisonende wieder in das Dorf hoch. Heute Abend wollen wir uns nochmal die gute Hausmannskost der Taverne, den guten griechischen Salat und den eigenen Wein schmecken lassen. Allmählich kommen wir an in Griechenland.

   


Entlang beschaulicher Küste

"So machen wir aus der Not eine Tugend und reiten auf wilden, hohen, schäumenden Wellen und werden Teil der wild gewordenen Elemente."

Die nächsten Tage führen uns entlang einer weitläufigen, selten unwirtlichen Küste, vorbei an Sandstränden, teils einsam, teils sehr belebt, dem ein oder anderen malerischen Dörfchen, und der Mündung des Acheron, die sich sehr früh durch das starke kälter werden des Wassers ankündigt. Wir fahren vielleicht 100 Meter den Fluss gegen die starke Strömung hoch, dann drehen wir um und ziehen weiter. Abends finden wir einen kleinen Campingplatz sitzen vor dem Zelt und prosten, ein kaltes Bier in der Hand, der untergehenden Sonne zu. Am darauffolgenden Abend suchen wir vergeblich den in der Karte eingezeichneten Campingplatz am Eingang des Ambrakischen Golfs, vor Prevezza. Notgedrungen paddeln wir ans andere Ufer, wo wir völlig unkompliziert auf dem Gelände einer Taverne zwischen alten, abgestellten Booten, unser Zelt aufschlagen dürfen. Logisch, den Sonnenuntergang erleben wir bei bestem Essen mit Wein auf der Terrasse derselben.
Morgens paddeln wir zunächst zurück in den Hafen von  Prevezza, dort dürfen wir am Segelboot eines freundlichen Engländers unser Boot anbinden und machen uns auf eine kleine Besichtigungstour dieses pittoresken Hafenortes. Die größten und stattlichsten Häuser am Hafen gehören, wie könnte es anders sein, den Banken. Daneben und dahinter reihen sich Bäckereien, Metzgereien, Gemüsehändler, Bars und Souvenirläden in unregelmäßiger Folge an. Schmale Gassen, kleine Kirchen, immer wieder der Blick durch andere Gassen auf das blaue Wasser, unbeschreiblich schön ist es hier.

Das turbulente Treiben am Strand kann man vom Wasser aus ganz entspannt genießen. 

Die Buchten von Ag. Nikolas und Levkas lassen wir links liegen und fahren die ca. 16 km in gerader Linie bis in eine unterhalb von Tsoukalades gelegene Badebucht. Frisch gebadet machen wir uns auf entlang der steilen, weißen Westküste Lefkadas. Gleitschirmflieger schweben über den Hängen, ein paar Sandstrände mit den obligatorischen Sonnenschirmkolonien, vereinzelt Bassrhythmen von Partygedudel, ansonsten wird es hier sehr ruhig. Immer einsamer werden die Strände. Als dann ein einsamer, uriger Kiosk über dem Strand auftaucht, legen wir an und beschließen, hier am Strand gleich zu zelten. Wir liegen mitten im Werbefoto des Urlaubsprospekts, weißer Sand, einsame Ruhe, in der Ferne fährt vor der rot eintauchenden Sonne ein Schiff vorbei.  Mehr und mehr finden wir Gefallen an diesem wunderbaren Land mit dem warmen Meer, seinen unkomplizierten Menschen und diesen schönen Farben.
Der Folgetag bringt noch weitere, kilometerlange, einsame weiße Strände. Lefkada bedeutet die Weiße, diesen Namen hat die Insel von ihren steilen weißen Felswänden der Westküste. Gezielt hatten wir uns den Nachtplatz mit wenig aber dennoch etwas Zivilisation gesucht. In unseren schmalen Zweier passt nur sehr wenig über den Zweitagesbedarf hinausreichendes Wasser hinein. Sollte uns plötzlich aufkommendes Unwetter am Land festhalten, gäbe es wenigstens noch einen Ausweg über Land. Viele dieser schönen Strände böten bei Seegang nicht mal mehr genügend trockene Fläche für das Zelt. Aber zum Baden laden sie allemal ein. So dauert es lange, bis wir in der Abendsonne um die Südspitze der Insel biegen und gegen den thermischen Wind des Nachmittags nach Norden bis Vasiliki ankämpfen. Für diesen ist der Ort unter Surfern bekannt. Hier ist alles unterwegs, was auf einem Brett stehend ein Segel halten kann. Dieses Mal gibt es einen Campingplatz und schon steht das Zelt.


Gestärkt auf die Inseln

Am Morgen gibt es frisches Brot vom Bäcker. Ebenso neue Vorräte aus dem Supermarkt gegenüber und schon sitzen wir im Boot. Thermische Winde sind bei stabiler Wetterlage sehr verlässlich, bei frischem Gegenwind schaufeln wir Richtung Süden, um den Sprung nach Kefalonia zu schaffen.

Blick auf Marathonisi

In einer der letzten Badebuchten, gestern Abend hatten wir sie schon ins Auge gefasst, machen wir uns nochmal richtig frisch, bevor wir die netto 16 km der Querung in Angriff nehmen. Und los geht’s, bereits mehrere hundert Meter vom Ufer entfernt bläst ein leichter Wind von West, langezogene, mäßig hohe Wellen folgen ihm. Wenig später kommt dann noch eine kürzere, weniger hohe Welle von Süd-Ost. Es ergibt sich ein ruhiges, wenig rhythmisches, aber nicht unangenehmes Geschaukel, das das Boot in einer sanften Schlingerbewegung Richtung Süden fahren lässt. Bereits liegt Lefkada weit hinter uns, da schwillt nach und nach tief grollender Motorenlärm an und übertönt schnell die Musik von Wind und Wellen. Von rechts hinten kommt ein Fährschiff daher. Schnell, mächtig baut sich der Bug über der Gischt auf, schwarzer Ruß weht aus den hohen Schornsteinen. Ein kurzes Stück noch schaufeln wir weiter, lassen dann aber das Schiff in gebührendem Abstand seinen Bogen Richtung Golf von Korinth vollenden. Wurden wir von der Brücke aus überhaupt wahr genommen? Könnte dann, im Falle einer sich anbahnenden Kollision mehr getan werden, als die Schiffssirene zu hupen? Wir werden beides nie erfahren.
Paddler fern des Ufers, das wissen sogar wir Nichtseepaddler, müssen nach sich selber schauen und davon ausgehen, von allen anderen nicht registriert oder zumindest nicht ernst genommen zu werden. Minuten später zieht ein weiteres, großes Fährschiff etwa 50 bis 100 Meter rechts an uns vorbei, danach kommen lediglich noch, in deutlich größerem Abstand, eine Reihe kleiner Ausflugsschiffe. Allmählich treten die Konturen Ithakas und Kefalonias immer deutlicher hervor. Der Wind frischt etwas auf und dreht nach Nord, so werden wir sanft in die Straße von Ithaka geschoben.

"Wir entsalzen unsere Kleidung genießen den Müßiggang, gehen Abends in eine Taverne... Griechenland ist so schön, wir bleiben gleich zwei Nächte."

Kurz darauf, nach einem erfrischenden Bad, schlendern wir durch die Gassen von Fiskardo, an den vielen Yachten vorbei. Aufgereiht liegen sie alle im Hafen, das Heck an der Kaimauer, dicht an dicht als Ferienkolonie. Entlang des Kais bleibt ein Streifen zum Gehen und Verzurren der Boote, daran schließt sich Schirm an Schirm, Tisch an Tisch und Bank an Bank die Fressmeile in Form dicht aneinander gereihter Tavernen an. Dahinter kommen dann die obligatorischen Souvenirläden. Wir decken uns mit dem Nötigsten ein, lassen uns noch einen Cold Cappucino schmecken und machen uns auf die Suche nach einem passenden Platz für die Nacht. Ein paar Kilometer dürfen wir noch paddeln, vorbei an der Insel Asteris, hinter der, wenn die Annahme Ithaka sei wirklich Odysseus Insel stimmt, sich Penelope’s Freier versteckten, um dem Abenteurer aufzulauern. Die dem Ort nahegelegenen Buchten sind alle mit Yachten der unterschiedlichsten Größen belegt. Doch mit der Distanz wird die Küste einsamer und wir finden eine wunderschöne Bucht für die Nacht.
Während des Frühstücks besiegeln wir den durch unser langes Ausschlafen vorweggenommenen Beschluss und bleiben für eine weitere Nacht und viele Badeeinheiten heute hier. In der Mittagssonne verziehen wir uns in den Baumschatten. Vor der Bucht zieht eine Gruppe Paddler singend vorbei, die einzigen, die wir auf unserer Reise sehen. Am nächsten Tag wollen wir wieder die Paddel in die Hand nehmen. Nur allzuweit werden wir nicht fahren; gerade mal 20 km bis zum Campingplatz nach Sami. Hier möchten wir ein paar Sachen waschen, während eines Landspaziergangs eine Höhle und später auch den Ort Sami besichtigen. Es ist schön hier, ein empfehlenswerter Campingplatz, unter anderem gibt es gekühltes Trinkwasser, ein echter Luxus. Wir entsalzen unsere Kleidung genießen den Müßiggang, gehen Abends in eine Taverne... Griechenland ist so schön, wir bleiben gleich zwei Nächte.
Tags darauf gelangen wir dann unspektakulär bis kurz vor die Südspitze Kefalonias. Beim Zeltaufbau nieselt es etwas, dennoch können wir unsere nächste Insel im Dunst erkennen, Zakynthos.


Paddeln bis die Blase platzt?

Der Morgen empfängt uns mit einer schwachen Brise. Langsam gibt der Dunst über dem Meer den Blick auf Zakynthos, der südlichsten aller ionischen Inseln, frei, unser heutiges Ziel. Zunächst ziehen wir parallel zur mächtigen Felsklippe vor, bis die Küste an einem Kap plötzlich zurück weicht. Schlag um Schlag schaufelt uns das Paddel fort von der steilen Wand und der Horizont weitet sich beim Zurückschauen über Strände, Siedlungen und Bergland. Wir drehen uns nach vorne und nehmen den dunklen Streifen im Dunst ins Visier. Je weiter wir aufs offene Meer gelangen, umso höher werden die Wellen, die von West heran rollen. Auch beginnen wir den Wind zu spüren.

Eindrucksvolle Felsformationen, Grotten und Säulen wechseln sich an der Küste von Zakynthos ab.

Nach Süden ginge es zwischen Peloponnes und Zakynthos hindurch über das offene Mittelmeer gerade aus nach Lybien, rechts, im Osten wäre der nächste Stopp auf Sizilien und links von uns, im Osten öffnet sich der Golf von Korinth. Verglichen mit den Weiten des Meeres mutet unser Ziel eher winzig an und mit verbundenen Augen paddelnd, wäre die Wahrscheinlichkeit, sich in den Wasserwüsten zu verlieren deutlich größer, als gerade auf die eine, angepeilte Insel zu gelangen. Wir unterbrechen den Antrieb für einen kleinen Happen und ein paar Schluck Wasser und genießen das Lied des Meeres. Das Leben kann so schön sein! Später, nach hunderten von weiteren Paddelschlägen, türmt sich die felsige Steilküste Zakynthos’ vor uns auf und wir steuern zunächst die Richtung Osten gelegene Blaue Grotte an. In Wirklichkeit sind hier ein paar, nicht wie der Name impliziert, nur eine, malerische Grotten aus dem Fels gespült. Das Wasser darin leuchtet wunderbar türkisfarben als wir hinein paddeln, daher der Name. Gegenüber der heißen Sonnenluft über dem fast 30° warmen Wasser zuvor, ist es in den Grotten angenehm kühl. Nur ein kleines Problemchen können wir hier nicht lösen: Es gibt hier keinen Platz zum Anlanden. Freilich, ein paar hundert Meter weiter schwebt an Seilen im Fels befestigt eine kleine Plattform als Zustieg für die hier üblichen Touristenboote. Darauf tummeln sich einige Leute, was auch der Grund ist, dass uns das Anlegen hier nicht helfen würde. Klar, in einem echten Notfall wäre das unsere Rettung. Nun liegt bei uns im Moment aber nach etwa zwei und einer halben Stunde Fahrt kein echter Notfall und bis jetzt noch nicht einmal ein sogenannter vor. Also wenden wir uns um die Landspitze herum nach Westen und uns an einer immer steiler und höher werdenden Küste entlang bewegen, um nach etwa 20 Minuten im Bogen Richtung Süden zu schwenken. Häufig werden wir hier von den vielen Ausflugsbooten, die alle der blauen Grotte ihre Aufwartung machen müssen, passiert. So ziehen wir dahin, es ist schön, aber es könnte noch schöner sein. Bald sitzen wir vier Stunden im Boot permanent in Bewegung.

"Wir finden einen schönen, schattigen Platz, wo wir uns erst mal eine richtige Brotzeit und einen kleinen Nachmittagsschlaf gönnen..."

Der Energielieferant unserer Muskeln ist Glukose, Traubenzucker, 6 Kohlestoffatome, die bereiten uns keine Schmerzen, aber neben 6 Sauerstoffatomen eben noch 12 Wasserstoffatome. Und die tun uns inzwischen, jeweils zwei mit einem Sauerstoffatom verbunden, allmählich richtig weh. Freilich ist ein guter Teil davon durch die Haut zum Kühlen nach außen gelangt aber einiges davon drückt uns ganz gemein auf die Blase. Bereits seit vier Stunden sitzen wir nun im Boot, gleiten schaukelnd entlang der inzwischen hoch aufragenden Felswände, den Blick immer intensiver auf mögliche Stellen zum Anlegen gerichtet. Endlich, in einer großen Bucht sieht es so aus, als könnten wir das Anlanden wagen. Eine mächtige Grotte tut sich in der hintersten Ecke auf, etwa 30 Meter breit und mindestens genauso hoch. Ganz im Inneren liegt ein kurzer, steiler Strand aus feinem Kies. Wir springen in das gut knietiefe Wasser, ziehen das Boot an Land und machen eine kurze Pause. Freilich haben wir das nicht ohne erheblichen „Wasserschaden“ hinbekommen, aber wir üben ja noch. So dauert es nicht lange, bis wir auch das fast trocken können, auch wenn wir keine Seekajakfahrer sind. Lange halten wir uns nicht auf, so sitzen wir schnell wieder im Kajak und schaufeln uns an Klippen, Buchten und Einfelseninseln entlang, jede schöner als die andere. Zunehmender Motorbootverkehr kündigt den Ship-Wreck-Beach an. Oktober 1980 geriet der Frachter MS Panagiotis bei Sturm aufgrund eines Motorschadens in Seenot und wurde auf den Strand gespült. Heute bei gutem Wetter liegt das Wrack mindestens 20 Meter vom Wasser entfernt. Nur schwer können wir uns Stürme vorstellen, deren Kraft solches bewerkstelligt. Rund um die Reste des Schiffes herrscht ein reges Treiben von Ausflüglern, ein Kommen und Gehen. Dennoch finden wir einen schönen, schattigen Platz, wo wir uns erst mal eine richtige Brotzeit und einen kleinen Nachmittagsschlaf gönnen. Noch ein paar Runden schwimmen und schon geht es weiter gen Süden.

Vromi Beach

Am nachsten Ta starten wir von der geschützten Bucht, die Vromi-Beach heißt. Von hier dauert es wieder zwei Stunden, vorbei an einer immer niedriger werdenden aber immer noch unzugänglichen, steinigen Küste, bis wir im nächsten Naturhafen an Land gehen können. Nach einigen Kilometern niedriger Klippen hebt sich das Ufer wieder an und bildet hohe, fast senkrechte Wände. Eindrucksvolle Felsformationen, Grotten und Säulen wechseln sich ab. Zunächst fahren wir die Höhlen fast alle an und bewundern das Spiel von Licht und Wellen an den Wänden und Gewölben.

   


Fühlt Euch daheim

Später entfernen wir uns von der Küste und betrachten die Szenerie aus der Distanz. Bereits sehr weit im Süden der Insel stehen sich zwei mächtige Felskegel gegenüber, der eine als Insel im Wasser, der andere steht, sich scheinbar daraus heraus schälend, als Halbinsel vor der Felsküste. Im näher Fahren erkennen wir auch in dem Fels der Halbinsel ein paar Grotten.

Ankunft auf Camping Tartaruga, Zakynthos

Gerne würden wir nun auch mal wieder aus dem Boot steigen und uns die Füße vertreten, aber erst, als wir die südwestliche Spitze der Insel umrundet haben, tun sich wieder Strände mit der Möglichkeit zum Anlanden auf. Hier herrscht nun auch reger Ausflugsverkehr. Die Hotelburgen von Laganas machen sich bemerkbar. An einem der Strände unter einer hohen und auch angenehm kühlenden Felswand landen wir an, um ausgiebig zu rasten. Ein Bad tut gut, auch die Brotzeit schmeckt. Später kommen wir an einem riesigen Felsentor vorbei. Durchpaddeln ist selbstverständlich. Ein schönes Fotomotiv.
Inzwischen sind wir bereits in der großen Bucht von Laganas angekommen und halten uns in Richtung Nordnordost. Rechts vor uns liegt die Schildkröteninsel Marathonisi, etwas links müsste laut Karte unser geplantes Tagesziel, liegen. Der Campingplatz ist in den Terrassen eines alten Olivenhains angelegt. Ein schmaler, befestigter Fahrweg schlängelt sich den Berg hoch, bis zu Rezeption und Eingang. Noch bevor irgendwelche Formalitäten abgehandelt werden, hat jeder von uns ein frisch gezapftes Amstel Bier in der Hand. Natürlich können wir gerne bleiben. So kommt es, dass wir hier unsere verbleibenden Tage verbringen und unsere Paddeltour auf einem sehr familiär geführten, wunderschönen Campingplatz seinen Ausklang nimmt. Und vielleicht sind wir nun auch schon ein ganz kleines Bisschen zu Seekjakfahrern geworden.

 

Kurz-Info Ionische Inseln


Bustransfer: Hierzu hatten wir von zu Hause aus nur sehr spärliche Information finden können. Deswegen haben wir uns unterwegs, bei unseren Landausflügen, erkundigt und so, stückweise unsere Informationen gesammelt. In Aigo wurde uns gesagt, dass überall Busse führen, auch von Patras nach Igoumenitsa. Auf Kefalonia, in Sami erfuhren wir, dass wir die Fähre von dort ans Festland und dann weiter mit dem Bus nach Patras fahren müssten. In Zakinthos schließlich fügte sich ein übersichtliches Bild zusammen. Bus von Zakinthos nach Patras und mit einem weiteren Bus von dort direkt nach Kerkyra auf Korfu. Das Ganze von ca. mittags bis morgens um 6:00 Uhr.
 

Die Tour:

  • Tag 1: von Kerkyra bis an einen schönen Kiesstrand, ca. 17 km ca. 17 Km
  • Tag 2: das Ostufer Korfus entlang vor bis zur Südspitze,ca. 25 km
  • Tag 3:, Querung ans Festland und „Notlandung“ vorm Sturm in Sarakiniko, ca. 31 km
  • Tag 4: Wanderung in das Bergdorf Aigo
  • Tag 5: Von Sarakiniko, vorbei an Mündung  Acheron bis Campingplatz bei Ligia, ca. 29 km
  • Tag 6: Von dort bis Preveza; ca. 37 km
  • Tag 7: Von Preveza nach Kalamiki Strand an der Westküste Lefkadas, ca. 29 km
  • Tag 8: Von dort um die Südspitze der Insel nach Vasiliki; ca. 35 km  
  • Tag 9: Von Vasiliki zur Südspitze, dann Querung nach Kefalonia, ca. 28 km
  • Tag 10: Ruhe und Badetag in einer schönen Bucht mit Blick auf Itaka und Homer als Lektüre
  • Tag 11: Von dort nach Sami auf den Campingplatz; ca. 20 km
  • Tag 12: Besichtigung der Karsthöle und des Städtchens Sami
  • Tag 13: Von Sami nach Scala, an der Südspitze Kefalonias; ca. 35 km
  • Tag 14: Querung zur Insel Zakinthos bis Vromi Beach; ca. 39 km
  • Tag 15: um die Südspitze der Insel bis zum Camping Tartaruga, ca. 40 km
  • Tag 16:  Baderunde mit leerem Boot um die Insel Marathonisi; ca. 8 km
     

Verpflegung:

  • Trinkwasser kauft man am besten in PET-Flaschen, wie alle Griechen auch. Die ersten Tage tranken wir 3 bis 4 Liter jeder!
  • Wein und Bier gibt es in guter Qualität
  • Essen gehen ist ein Muss
  • Fast in jedem Ort gibt es den Sommer über die sogenannten Minimarkets, wo man fast alles bekommt, auch Spiritus für den Trangia-Kocher.
     

Wetter:

Ende August und Anfang September haben Meer und Luft etwa 28° C. Es ist mit ein bis zwei Regentagen je im August und September zu rechnen. Gelegentlich gibt es heftige Stürme, was auch bei der Wahl des Lagerplatzes zu beachten ist. Wenn die Wetterverhältnisse nicht bekannt oder unsicher sind, sollte ein nächtlicher Rückzug über die Hochwassermarke möglich sein. Ausreichend Vorrat an Wasser, Nahrung und Lesestoff ist dann einzuplanen. Sonnenschutz in Form von Sonnencreme, -hut und- brille ist zwingend.
In Kombination mit einem Badeurlaub ist die Region durchaus anfängertauglich, defensive Planung, paddeln nur bei stabilem, schönen Wetter, in Strandnähe vorausgesetzt.
Wer Querungen in seine Route einplant sollte schon etwas Erfahrung im Kajak mitbringen.

 

Gezeiten:

theoretische 30 bis 60 cm Tidenhub fallen nicht ins Gewicht. Die Auswirkung des Windes ist häufig stärker als die der Gezeiten.

 

 

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

 


 

 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 8/2018:

KANU-SPORT 8/2018
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