12. Dezember 2023

Auf der Straße der Eisberge

Eisberg voraus (Foto: Regina Lankuttis)

Kajaktour rund um die Arve Prinsens Insel/Grönland
Wenn im Winter bei den Paddler-Treffen die Projektoren heiß liefen, gab es auch immer großartige Grönlandbilder zu sehen. So war es nicht verwunderlich, dass bei uns der Wunsch keimte, diese Landschaft zu erleben.

Ursel und Jürgen Stecher, Olching (Text & Fotos) sowie Regina Lankuttis (Fotos)
 

Eisbergtor.

Ein gutes Jahr später sitzt unsere kleine Gruppe, bestehend aus Regina, Ursel und Jürgen um Mitternacht hoch über dem Kangia-Eisfjord in der Sonne. Die Wärme ist ungewöhnlich. Heute Morgen beim Start auf dem Flughafen in Kopenhagen war kein Gedanke daran, dass wir hier in der Arktis ohne Anorak und dicken Pullover sitzen können. Im Eisfjord drängen sich riesige Eismengen Richtung Diskobucht. Das Inlandeis schiebt täglich 40m Eis über den Gletscher in den Fjord, das in Form von Eisschollen und gewaltigen Eisbergen. Unter uns, an der Mündung des Fjords in die Diskobucht, befindet sich eine Unterwasserbarriere, an der die tief gehenden Eisberge hängen bleiben. Von hinten nachrückende Eismassen bauen einen enormen Druck auf. Erst wenn der zu groß wird, werden die vorderen Eisriesen mit Getöse über die Felssohle gedrängt und finden ihren Weg ins Meer. Dort übernehmen anschließend Wind und Strömung die Verteilung in der Weite der Diskobucht – ein einprägendes Erlebnis. Die leichte Bewölkung wird in warmen Tönen von der Mitternachtssonne beschienen und die vorderen Eisberge spiegeln sich im ruhigen Wasser. Von unten klingen die Geräusche des Eises herauf. Es kracht, es knistert und Wasser rauscht – eine großartige Natursinfonie. Fasziniert schauen wir und vergessen dabei die Zeit. Heute sind wir schon lange auf den Beinen und es liegen noch einige Kilometer Rückweg vor uns. Auf schmalem Gebirgspfad geht es weiter. Felsiges Gelände und Sumpf wechseln sich ab. Als wir um die Ecke kommen, liegt das künftige Fahrtengebiet vor uns. Bei der klaren Sicht geht der Blick über weite, dichte Eisfelder nach Norden. Selbst die Diskoinsel in 50 km Entfernung ist klar zu sehen. Wie soll es da wohl morgen hindurch gehen? Die Kajaks sind am Tag vorher wohlbehalten mit dem Schiff der Royal Arktik Line eingetroffen. Im Hafen herrscht ein reges Treiben. Viele hochbordige Boote sind an den quer durch den Hafen verlaufenden Schwimmstegen vertäut. Das Wasser unter ihnen hat nur 2 Grad Celsius. Wir bringen die beiden Kajaks zum Packen auf einen kleinen Ponton und sind so mitten im Geschehen. Boote legen an und ab. Fische, Robben, Netze, Gewehre und sonstige Ausrüstung wandern an uns vorbei. Einige Inuits rüsten ihre Boote für ein mehrtägiges Jagd- und Fischlager irgendwo an der Küste aus. An unserem Vorhaben zeigen sie viel Interesse. Wohin wollt ihr denn? Wie lange bleibt ihr? Geht ihr auch auf Jagd? Dann stehen wir zusammen und erklären ihnen die geplante Tour mit dem Finger auf der Landkarte. Mittags sind die Boote gepackt. Ein großes Brötchen mit Grönlandkrabben füllt unsere Energien wieder auf und gibt Kraft, die voll bepackten Kajaks ins Wasser zu lassen. Schwer sind sie geworden. Die Verpflegung für vier Wochen drückt sie tief ins Wasser. Schnell die Trockenanzüge verschließen, dann kann es losgehen.

Jahreshauptversammlung der Eisberge

Dichtes Eis bremst uns.

Einige hundert Paddelschläge weiter sind wir aus dem Hafen heraus. Weit öffnet sich die Bucht. Vor uns liegt die „Jahreshauptversammlung der Eisberge“ im Sonnenlicht. Wow, was sind wir klein. Aus der Paddler-Perspektive sehen die Eisberge gewaltig aus. Zum Felsenufer hin drängen sich die kleineren Brocken und weiter draußen Richtung Norden reiht sich ein Eispalast an den anderen. Bis zu 90 Meter hoch recken sie ihre glitzernden Eisflanken in den blauen Himmel und haben Ausmaße wie Fußballfelder. Eigentlich soll es erst einmal dicht am Ufer entlang gehen, doch der Weg ist durch Eisbrei und kleinere Eisbrocken versperrt. Voraus lockt eine Eisberg-Autobahn. Eine gerade eisfreie Rinne zieht sich durch die Eisberge nach Norden. Ein aus der Richtung kommender roter Fischkutter mit Harpune auf dem Vorschiff bestärkt uns in der Meinung, die Route zu nutzen. Wir erwarten ein paar kräftige Bugund Heckwellen. Doch der Kapitän stoppt und winkt fröhlich, um dann in seinem Ruderhaus zu verschwinden. Mit einer Kamera bewaffnet kommt er wieder hervor und fotografiert begeistert die Kajaks, die seinen Vorfahren vor nicht allzu langer Zeit noch als normales Arbeitsgerät bei der Jagd und Fischerei gedient haben. So ändern sich die Zeiten. Immer tiefer tauchen wir in die Eisbergwelt ein. Trotz der Sonne bringt der leichte Wind einen Eishauch mit und das Wasser hat auch nur zwei Plusgrade. Man gut, dass unter dem schützenden Trockenanzug weiche Merinowolle wärmt. Eigentlich strahlt die ganze Szenerie eine große Ruhe aus, aber das sieht nur so aus. Die Luft ist voller Geräusche. Mit einem lauten Knall, ähnlich einem Kanonenschuss, bricht von einem nahen Eisberg ein großer Brocken ab und fällt klatschend ins Wasser. Die davon ausgehende Welle kommt auf uns zu gelaufen. Sie ist zwar hoch, aber auch lang und rund und macht keine Mühe. Von kleinen Eisbrocken im Wasser geht ein Sirren und Prickeln aus, wenn sich die seit tausend Jahren eingeschlossene Luft einen Weg in die Freiheit sucht. Die Schmelzwasser stürzen sich mit lautem Rauschen die Flanken der Eiskolosse herunter. Wir paddeln staunend durch die großartige Szenerie. Das muss fotografisch festgehalten werden. Um einen Sicherheitsabstand zu den Eisriesen einzuhalten, wird zuerst noch der Telebereich genutzt. Doch bei den ganz großen Brocken reicht kaum das Weitwinkel.

Landgang

Eqip-Camp

Die Eisbergautobahn hat unmerklich einen leichten Bogen nach Westen gemacht. Wir sind weit ins Freie hinaus gekommen. Hinter den Eismassen ist die Küste kaum noch zu erkennen. Eigentlich würde eine Pause gut tun. Nebenstraßen Richtung Land sind selten vorhanden und die, die sich anbieten, sind recht schmal. Sollen wir uns da hindurch trauen? Bisher waren die Eisberge ja recht brav und so geht es im Zickzack einer Fahrrinne Richtung Ufer. Kurz davor kommt freies Wasser. Hier ist es flacher und so bleiben die tief gehenden Eismassen an den Unterwasserfelsen hängen. Glatt geschliffene Granitfelsen erwarten uns. Eine kleine Bucht mit flach auslaufenden Felsbändern bietet sich als Landplatz an. Erst einmal etwas essen und die Beine vertreten. Ursel hat sich umgeschaut und ein paar Spots gefunden, die sich als Zeltplatz eignen. Auf den Alands oder in den Westschären wären das Traumplätze. Doch hier ist jederzeit mit hohen Wellen von brechenden Eisbergen zu rechnen. Wie hoch kommen die? Dazu die Geräusche des Eises. Ob es bei dem Geräuschpegel einen erholsamen Schlaf gibt? Auch die schattenlose Lage der Plätze wird sicher für zu viel Wärme im Zelt sorgen. Schweren Herzens entschließen wir uns für die Weiterfahrt. Bald kommen die Häuser der kleinen Sied-lung Rodebay in Sicht. Dort leben 50 Einwohner und das vielfache an Schlittenhunden. Lebensgrundlage der Bewohner besteht überwiegend aus Jagd, Fisch- und Walfang. Nach rechts biegt das Fahrwasser zur gleichnamigen Bucht ab. Noch eine kurze Kraftanstrengung gegen die Ebbströmung, dann öffnet sich die weite Bucht. Es ist ruhig hier, nur ein mittlerer Eisberg lieg weitab auf der anderen Seite. Ein paar Felsnasen weiter sehen wir den Hafenpier vor uns. Auf einem flachen Rücken zieht sich sie Siedlung hin. Bunte Häuser leuchten in der Sonne. In Trockengestellen hängen Dorsch und Heilbutt. Vereinzeltes Gebell der Schlittenhunde schallt herüber. Am Anleger liegt ein rot gestrichener Kutter, der gerade die letzten Wanderer aufnimmt, die zu Fuß von Ilulissat aus herüber gewandert sind. Die Suche nach einem Zeltplatz verläuft enttäuschend. Direkt bei den Häusern wollen wir nicht und in den Außenbereichen ist alles sumpfig oder uneben. Also wieder in die Boote. Um die Ecke herum am Slip für die Wale ist Platz für zwei Zelte und wo Wale heraus gezogen werden, geht es auch leicht mit den Kajaks. Reste einer Wal-Wirbelsäule rahmen den Lagerplatz ein und im klaren Wasser liegen Walfluken. Ein leichter Geruch nach Wal liegt in der Luft, ist aber zu ertragen. Der nächste Tag weiß wieder zu gefallen. Das angesagte Hoch hält sich weiterhin. Wir verlassen früh die Bucht. Über uns wölbt sich ein weiter nordischer Himmel. Er ist frei von Staub und so geht der Blick voraus bis zum Ata Sund. Auf der nächsten Querung begegnen wir einem besonderen Eiskunstwerk. Ein großes Eistor zieht magisch an. In leichtem Blau mit eingelagerten kräftigem Blaueis leuchtet der obere Torbogen. Der Fuß des Bogens liegt einige Meter unter Wasser, und ragt weit in die See hinaus. Dadurch leuchtet es in allen Blauschattierungen von unten herauf. Da möchte ich gerne einmal hindurch fahren. Doch von hinten kommen schon die Warnungen von Ursel und Regina. Fahr nicht zu dicht ran, komm zurück! Sie haben ja Recht, gestern haben wir es schon erlebt, wie große Teile ganz plötzlich abbrechen und einen Eisriesen zum Schwanken brachten. Auf der anderen Seite der Bucht steht eine Jagdhütte der Inuits. Sie ist zum Schutz vor den Wellen kollabierender Eisberge hoch über dem Wasser gebaut. Das ist ein Anhaltspunkt für künftige Zeltplatzsuche, denn die Ureinwohner wissen sicher, wie hoch die Wellen das Ufer hoch prallen. Zwischen einer weit ins Meer hinausragende Insel und dem Festland hat sich eine flache eisfreie Bucht gebildet. Ein Bach fließt rauschend ins Meer und in der rechten Ecke gibt es jetzt bei Niedrigwasser einen Sandstrand zum Landen. Weiter oben blüht auf relativ ebener Fläche Blauheide. Der ideale Pausenplatz.

Drehender Eisberg

Pause im Angesicht der Eisriesen.

Vor dem Start gibt es einen Blick auf die Karte. Umrunden wir die vor uns liegende Insel oder geht auch der schmale Durch-schlupf zum Ufer hin? Dort drängen sich viele kleine Eisberge, die nicht wie ihre großen Kollegen schon draußen gestrandet sind. Versuchen wir es einfach. 30 bis 40 Meter Breite und beachtliche Höhe haben die kleinen Eisbrocken. Ruhig und wenig respekteinflößend liegen sie vor uns. Im Zickzack mogeln wir uns durch die engen Lücken. Die Durchfahrt ist zum Glück frei. Eine 10 Meter breite Rinne bleibt zwischen zwei Eisbergen. Doch was ist das? Ganz langsam dreht sich der linke Eisbrocken. Es sieht aus, als wenn er auf mich zugerollt kommt. Vollbremsung! Das Eis dreht sich noch ein paarmal vor und zurück und dann ist wieder Ruhe. Abgebrochenes Eis hat ihn wohl aus dem Gleichgewicht gebracht. Das Wasser wurde kaum davon gekräuselt und alles ist wieder friedlich. Die Rinne ist geblieben. Jetzt aber mit Volldampf durch. Bevor es in den Ata-Sund geht, zieht sich der Pakitsoq-Fjord von hohen Bergen umrahmt weit nach Osten ins Land hinein. Mehrmals werden verheißungsvolle Stellen besichtigt. Doch an Land sieht es dann nicht so gut aus. Ursel hat die Boote bewacht und beim Blick auf die genaue Karte eine Bucht mit sanften Höhenlinien gefunden. Auf der Strecke dorthin kommt mit beachtlicher Stärke ein eiskalter Hauch vom Inlandeis entgegen, der die Wellen über das Deck spült. Ein Kap noch mit hohen Wellen, dann liegt die Bucht von der Sonne beschienen vor uns. Knirschend laufen die Boote auf den flachen Kiesstrand. Er geht hoch genug, um die Zelte am oberen Rand sicher aufzustellen. Diese Bucht im Berggrens Havn ist ein Platz zum Ruhen und erst einmal richtig anzukommen. Hohe Berge umrahmen die Bucht von West nach Ost, was Schatten in der Nachtzeit und damit ruhigen Schlaf verspricht. Nur ein Eisberg treibt in weiter Entfernung und Treibholz für das Lagerfeuer liegt auch etwas herum. Den Hang hoch blühen Arktische Weideröschen und Krüppelweiden. Der kleine Bach ist fast ausgetrocknet und Eisbrocken gibt es hier auch nicht. Für den abendlichen Tee reicht die Reserve im Wasserbeutel, doch am nächsten Morgen maach ich mich mit dem Einer zur anderen Seite der Bucht auf, wo mit dem Fernglas kleine Eisschollen zu erkennen sind. Die sind zu bizarren Formen zusammen geschmolzen. Es sollte einfach sein, davon einige Brocken mit dem Paddel abzuschlagen. Es macht „Peng“ und das Paddel prallt federnd zurück, als wenn ich auf Stahl geschlagen hätte. Erst mit dem großen Finnenmesser gelingt es, Eisstücke zu ergattern. Bei der Rückkehr ist der Falteimer randvoll mit Eis. Auf der Sonnenseite ist unser Felstisch seitlich bereits erwärmt, das hilft beim Schmelzen.


Amasetten-Fischerei

Historische Siedlung Ritenbenk.

Der Tidenhub beträgt etwa zwei Meter und so erweitert sich der Platz bei Ebbe um einiges. Auf festem Kiesboden schlendern wir durch die eingelagerten Felsen und erkunden die Bucht. Regina winkt uns aufgeregt ans Wasser. Sie hat riesige Schwärme von Amasetten entdeckt – schlanke, zwanzig cm lange Fische, die auch Lodden genannt werden, ziehen im Juli zu ihren Laichplätzen. In einem zwei Meter breiten Streifen tummeln sich tausende dieser Fische. Dort schwimmt unser Mittagessen! Ursel kommt mit dem Falteimer als Fanggerät. Doch so einfach ist das nicht. Sobald ich ins Wasser steige, macht der Schwarm einen großen Bogen um mich und meine Beine werden zu Eis. Also wird aufgerüstet. Warm angezogen mit dem Trockenanzug stehe ich bald darauf im Wasser und habe mehr Geduld. Doch die Fische sind schnell. Wenn sie sich an den Eimer gewöhnt haben und auch brav hinein schwimmen, lässt sich das Fanggerät nicht flott genug bewegen. Immer wieder entwischen sie. Ursels und Reginas Versuche mit der Hand sind nicht erfolgreicher. Mit den paar gefangenen Fischen ist das nichts mit „Fisch satt“. Es naht jedoch Hilfe. Eine Inuit Familie kommt um das Kap geschippert. Sie stellt der gleichen Beute mit besserem Fanggerät nach. Für die Einheimischen ist dieser Fisch ein Teil ihrer saisonalen Ernährung. Als das Boot näher heran ist, nehmen Regina und Ursel Kontakt mit den Fischern auf. Die Frau kann gut Englisch. So erfahren wir, dass sie die Fische auf Felsplatten in der Sonne trocknen und als Hundefutter nutzen. Für ihr eigenes Mittagsmahl kochen sie die Fische in Meereswasser. Da die beiden ihre Plastiktonnen schon bis zum Rand voll haben, geben sie gerne etwas ab. Ursel sitzt bald darauf am Steintisch und schlachtet Fische. Regina und ich sammeln Treibholz und dann garen die Amasetten gewürzt, gebuttert und in Alufolie verpackt in der Glut. Mit Blick über die imposante Fjordlandschaft wird das Festmahl genossen. Am nächsten Morgen wecken uns Regentropfen. Ein Ruf zum Nachbarzelt hinüber klärt, dass umdrehen im warmen Schlafsack angesagt ist. Lange währt die Schlafverlängerung nicht. Ein weiteres Geräusch weckt uns. Das ist doch ein Blas von einem Wal? Jetzt aber schnell raus. Regina braucht nicht geweckt werden. Sie steckt schon den Kopf aus dem Zelt und schaut. Dicht bei, am nächsten Kap taucht der Rücken eines Buckelwals auf und bläst eine hohe Fontaine in die Luft. Noch ein kurzer Gruß mit der Schwanzflosse, dann verschwindet er in der Tiefe. Die kurze Zeit der Walvorstellung reichte nicht, das Tele auf die Kamera zu montieren. Er muss wohl ein schlechtes Gewissen wegen der Kurzvorstellung gehabt haben, denn am nächsten Morgen ist er wieder zur Stelle und lässt sich in Ruhe fotografieren.


Im Ata-Sund

Arktische Blumenteppiche.

Der Tag fängt gut an, aber die anfängliche Sonne kann sich nicht durchsetzen. Nebel zieht auf. So schleichen wir an der Küstenlinie entlang und beobachten beim Queren größerer Buchten den Kompass. Zur Not liegt das GPS einsatzbereit auf dem Deck. Es ist kalt. Statt Sonnenschutz schützen Wollmützen. Im Atasund wird die Sicht besser und es gibt erneut Eisberge. Auf der linken Seite ziehen sich beeindruckend steile und unzugängliche Felswände bis zum Horizont. Das ist unser Fahrwasser für die nächsten beiden Tage. Am Folgetag wärmt die Sonne wieder. Eisberge werden weniger und kleiner, einige sind ganz aus Blaueis. Von seitlichem Licht durchschienen ergeben sich phantastische Blautönungen. Bei dieser Eissituation wagen wir es, das Camp in einer geschützten Seitenbucht nahe der Hochwasserlinie aufzubauen. Der hinter uns aufragende Berg müsste ein toller Aussichtsberg sein. Von oben geht der Blick weit über den Sund. Im Süden leuchten die Riesen-Eisberge in der Sonne. Die gegenüber liegenden schattigen Steilwände der Arve-Prinsens-Insel haben reichlich Schnee in den oberen Rinnen konserviert und auf unserer morgigen Strecke stürzen Wasserfälle in den Sund. Wir sitzen lange in der Sonne und beobachten, wie hoch und lange die Flut aufläuft. Das ist wichtig für den morgigen Start, denn im Atasund macht sich die Tidenströmung bemerkbar. Die soll genutzt werden. Entlang beindruckend steiler Felswände ohne Landemöglichkeit ist viel Muskelarbeit, gutes Sitzfleisch und Geduld gefordert, bevor wir am nächsten Tag den ersten Blick auf das Inlandeis und die Gletscher Eqip und Kangilerngata werfen können. Trotz der großen Entfernung sieht das Gletscherpanorama gewaltig aus. Nur von einem breiten Berg unterbrochen wälzen sich die Inland-Eismassen in Form von zwei riesigen Gletschern in die weite Bucht. Was sie ausgestoßen haben, schwimmt in Form von großen Eisbergen und kleinen Growlern vor uns. Der Weg zur mitten in der Bucht liegenden Insel, von der aus das Gebiet erkundet werden sollte, ist durch eine dichte Eisbarriere versperrt. Es bleibt nur der Weg Richtung Eqip-Gletscher. Ein paar Mal schauen wir uns noch vermeintliche Zeltplätze an, äußerst glitschige Uferfelsen und plötzlich auftauchende hohe Wellen, die mit Gewalt ans Ufer krachen, verleiden den Landgang. Kurz vor dem Eqip Gletscher ragt eine hohe Landzunge schützend in die Bucht. Eine historische Gegend, in der Schweizer Alfred de Quervain 1912 seine Durchquerung des Inlandeises startete und von wo aus Alfred Wegener 1929 auf seiner Vorbereitungsexpedition das Inlandeis erforscht hat. Bei Niedrigwasser können wir sogar auf einem Sandstrand landen. Entspannt sitzen wir und beobachten den nahen Gletscher. Laut rumpelt, kracht und knistert er vor sich hin. Von der 5 km breiten und 90 m hohen Eisfront brechen nur kleine Eisflanken ab, die kaum Wellen verursachen. Doch wie aus dem Nichts sind trotzdem welche da. Die erste Staffel rauscht mit fast 3m Höhe krachend ans Ufer und kommt bis fast vor unsere Füße. Das sind Urgewalten! Es ist so überraschend, dass erst die zweite Wellenreihe aufs Foto gebannt wird. Wenn die uns bei der Landung erwischt hätten, wäre alles kurz und klein geschlagen worden. Der Gletscher hat eine deutliche Warnung geschickt. In der Zone sollten wir uns zukünftig nie lange aufhalten. Die Zelte und Boote wandern zur Sicherheit noch einiges höher. Am nächsten Tag ist zu beobachten, dass die normalen Abbrüche am Gletscher nur geringe Wellen erzeugen. Die Monsterwellen kommen bei niedrigem Wasser und ohne vorherigen Eisabbruch. Offensichtlich hat die Eisfront dann weniger Gegendruck durch die See und angesammelte Spannungen im Eis entladen sich durch plötzlichen Vorschub der Gletscherfront – fast wie bei einer Wellenmaschine im Schwimmbecken. In der Bucht treiben genug richtig große Eisberge. Als die sich aus der Eisfront gelöst haben, gab es sicher auch große Wellen. Aufgrund der Beobachtungen der Wellengefahr starten wir bei Hochwasser zur Weiterfahrt. Alles ist für eine schnelle Beladung der Kajaks vorbereitet, um die Zeit in der Gefahrenzone kurz zu halten. Es klappt störungsfrei. Vom höchsten Punkt der Halbinsel zeigte der Blick durch das Fernglas, dass Wind und Tidenströmung die Eislage verändert haben. Der heutige Kurs zur Mittelinsel wird nur durch lockere Eisfelder behindert. Bald sind wir mitten im Eisgewirr. Vorbei an großen Eisbergen bahnen sich die Boote mit lauten Knall- und Knirschgeräuschen den Weg durch die Schollen.


Igdluluarssuitnunatat

Blick auf Kangia-Eisfjord.

Der Name der Insel ist der reinste Zungenbrecher, so wird sie einfach auf „Mittelinsel“ umgetauft. Eine Bucht auf der vom Eqip-Gletscher abgewandten Seite ist als Landeplatz vorgesehen. Die See ist ruhig, im flachen Wasser vor dem Strand sind die Spritzdecken bereits offen, da werden die Boote plötzlich angehoben, eine Welle steilt sich auf und schiebt mit Wucht Richtung Kiesstrand. Trotz der Überraschung gelingt es mit viel Kraft, die Kajaks an einem Surf auf den Strand zu hindern und Sicherheitsabstand zu gewinnen. Woher kommt die Welle? Große Eisberge gibt es hier nicht. Direkt von einem der beiden Gletscher kann sie auch nicht in die Bucht laufen. Wahrscheinlich hat die Ostflanke der Arve-Prinsens-Insel eine Kalbungswelle zu uns umgeleitet. Damit hat sie einen Weg von 24 km zurückgelegt. Als wenn nichts gewesen wäre, liegt die Bucht danach wieder ruhig vor uns. Das scheint zu unberechenbar. Weiter nördlich finden wir eine tiefe Bucht mit geschützter Nebenbucht zum Landen. Doch erst einmal muss ein Eiderenten-Kindergarten passieren. Eng drängen sich 30 Küken um ihre Mütter und Tanten, als sie vor uns queren. Für Nachwuchs bei den Eiderenten ist gesorgt. Igdlulalik – übersetzt heißt das: „Stelle, wo es Häuser gibt“. Hier hält uns am nächsten Tag ein quer zu Kurs und Tidenströmung liegender Riegel von 6 kleinen Inseln bei der Weiterfahrt auf. Die bisherige Tagesroute hatte nur wenig Eis. Auf der anderen Seite ist jedoch kein Durchkommen zum Torssukatak-Eisfjord. Dichte Eisfelder versperren alles. So erging es auch schon anderen vor uns. Am 9. Mai 1929 ankerte an gleicher Stelle Alfred Wegener mit dem Expeditions-Motorboot „Krabbe“ und drehte Tage später um, weil sie wegen dichtem Packeis nicht weiter kamen. Jetzt kommen die eingeplanten Zeitreserven ins Spiel. Wir zelten und warten ab, wie sich die Eislage entwickelt. Die Insel liegt wunderschön und bietet Traumzeltplätze. Über weite Blumenteppiche geht der Blick zurück zum Gletscher Kangilerngata und voraus über die Eisflächen zu den imposanten Felswänden des Torssukatak-Fjords. Für Eis zur Versorgung mit Trinkwasser ist reichlich gesorgt, nur Treibholz gibt es in diesen abgelegenen Ecken seit ein paar Tagen nicht mehr. Abends sind Fönwölken zu sehen, der Wind hat gedreht und das Barometer ist gefallen. Mit diesen Beobachtungen gehen wir schlafen und sind am nächsten Morgen nicht erstaunt über den Nieselregen. Wind und Tidenströmung haben sich positiv auf das Eis ausgewirkt. Wir werden versuchen, durch den vor uns liegenden Eisfjord zu kommen.


Auf dem Torssukatak-Eisfjord

Kartenstudium zusammen mit Einheimischen.

Im Zickzack umkurven wir die Eisschollen. Zwischendurch haben sich im großen Kehrwasser der rechts von uns liegenden Insel freie Stellen gebildet. Dann macht der Eisfjord seinem Namen alle Ehre. Dicht drängt sich das Eis. Die Boote haben ständig Eisberührung. Beim Blick zurück sind drei große Gletscher zu sehen, wie sie unter einem dunklen Wolkenhimmel Nachschub in den Fjord schieben. Die Felswände steigen steil empor. Auf unserer Seite münden laut Karte drei kleine Bäche ins Meer. Die werden als Pausenplätze angepeilt. Der erste entpuppt sich als Wasserfall und beim zweiten liegt ein Fischkutter quer vor Anker. Doch wir müssen unbedingt raus. Die Besatzung schläft und bemerkt unsere kleine Pause gar nicht. Noch einen Griff in den Beutel mit Süßigkeiten, dann geht es weiter. Das Eis zieht sich auf die rechte Seite zu sehr dichten Eisfeldern zurück und versperrt damit den Weg zur kleinen Siedlung Qeqertaq, die auf dem Plan stand. Dafür wird es jetzt auf unserer Seite einfacher. Das Eis lässt nach, vom Inlandeis kommt ein kalter und regennasser Hauch den Fjord herunter geweht, der die Boote schiebt. Mit rauschender Bugwelle ziehen die schnell aufgespannten bunten Segelschirme die Boote vorwärts. Das ist nur von kurzer Dauer. Der Wind wird zu stark und zieht magisch in eine enge Bucht hinein, auf die wir uns jetzt konzentrieren müssen.

   


Die Antidlagiä-Enge

Eisernte.

Die nur 100 Meter breite Enge mit schluchtartigen Felswänden ist wie ein Schlüsselloch hinüber auf die Westseite der Arve-Pinsens-Insel. Ob die Durchfahrt frei ist? Die Anspannung ist groß. Eis versperrt den größten Teil der Passage. Eine etwa 10 Meter breite freie Rinne verschwindet in dem Eisgewirr. Geht sie auch ganz hindurch? Vorsichtig tasten wir uns heran, jederzeit bereit zu stoppen. Ja, es sieht gut aus. Ein kurzes Zeichen an den Zweier, dann spurten wir los, denn ein Eisbrocken vor uns treibt mit der Strömung und Wind genau auf diese Lücke zu. Den müssen wir überholen. Das klappt. In einer S-Kurve unter einem Eisüberhang vorbei schrappend erreichen wir glücklich die andere Seite. Das war knapp. Auf der nahen Insel bauen wir die Zelte in Nachbarschaft einer ehemaligen Inuit-Siedlung auf. Reste mehrerer Häuser mit Grassoden- und Felsmauern ziehen sich am Hang hin. Netz- und Planen-Reste zei-gen, dass der Platz in heutiger Zeit immer noch als Jagdund Fischlager genutzt wird. Nach kurzer Stärkung zieht die Neugierde auf den Inselberg. Steil geht es aufwärts. Auf einem Absatz finden wir Steingräber. Immer neue Felspassagen zwingen teilweise sogar zu leichter Kletterei. Vom Gipfel ist die nächste Route durch den Smallesund zu überblicken. Der Sund ist fast eisfrei, aber im freien Wasser der Disko insel treiben große Eisberge. Ein starker Nordwest treibt uns am nächsten Tag den Smallesund hinunter. In der Langebugt müssen wir allerdings gegen an. Der Wind bremst das Vorankommen so stark, dass wir bereits frühzeitig die Querung zu den schützenden Inseln vor Ritenbenk wagen. Wild hopsen die Kajaks in den hohen seitlichen Wellen. Ab und zu schwappen Eisstücke über das Deck. Vor dem Wind segelnde Eisberge ziehen eine lange Schleppe abgebrochener Eisschollen hinter sich her. Durch den Eisbrei gebremst werden die Bewegungen runder und als wir die Sunde hinter den Inseln erreichen, kehrt wieder Ruhe ein. Ritenbenk wurde 1781 als Wahlfangstation gegründet. Die im Bereich der Diskobucht gefangenen Wale wurden dort verarbeitet und das wertvolle Öl anschließend nach Dänemark transportiert. Die Kolonie gehörte zum nördlichen Inspektorat und war zu der Zeit größer und bedeutender als Ilulissat. Wir sind schon gespannt auf diesen historischen Ort. Auf dem Weg dorthin wird die Landschaft gewaltiger. Steil ragen die Felswände der Arve-Prinsens-Insel neben uns auf. Enge Fjorde ziehen weit ins gebirgige Hinterland hinein. Durch einen Sund zwischen den vorgelagerten Inseln geht der Blick hinüber zu den Gletscherflächen der Diskoinsel. Eisberge kreuzen vermehrt den Kurs. Gryllteisten und Lummen vom nahen Vogelfelsen landen vor uns im Wasser. Noch um die letzte Ecke, dann liegen die rot leuchtenden Häuser von Ritenbenk auf der Insel Apart vor uns. Nach einer Stärkung geht es auf Erkundung. Die bis 2006 als sommerliche Lagerschule genutzten Häuser erscheinen noch gut erhalten. Die Türen sind nur angelehnt. Was sich wohl im Haus verbirgt? Durch das Fenster sehen wir einen voll eingerichteten Raum und mittendrin einen modernen Kinderwagen. Auf Klopfen rührt sich nichts. Die Inuit-Familie, die sich hier für die sommerliche Jagd und Fischerei eingerichtet hat, ist unterwegs. Oben auf dem Hügel steht ein weiteres voll eingerichtetes Haus, wo ebenfalls niemand ist. Die auf der anderen Seite der Bucht liegende große Tran-Fabrik gibt einen Eindruck, was hier einmal für ein Betrieb gewesen sein muss. Wie geschützt der Ort liegt, zeigt das ungewohnt hohe Gras. In ihm leuchten große Büschel Wollgras in der Sonne und auf den Felsrippen zeichnen sich massenweise blaue Glockenblumen gegen den Himmel ab. Auf der Weiterfahrt geht es nicht mehr so ruhig zu. Von den hohen Felswänden kommen unangenehme Fallböen und aus der Diskobucht hat sich ein dicker Eisbrei zwischen die Inseln geschoben. Durch den müssen wir hindurch. Trotz Anlauf bleibt mein Kajak im Eis stecken. Mühsam bahne ich eine Rinne, in der der Zweier folgt, bevor die Schollen sich wieder zusammenschieben. Es geht hinaus in den Meeresarm, der sich von der Diskobucht bis zum Torssukatak schiebt. Lange Zeit begleiten uns steile Felswände. Aufgeregt kreisende Möwen machen auf deren Junge aufmerksam, die sich auf Felsvorsprüngen ins Nest ducken. Die Eisberge werden mehr.


Eisbergkino

Da müssen wir durch.

Wir landen an. Die Zelte bekommen einen Platz mit Ausblick und die Kajaks sind oberhalb des Strandgerölls sicher gelagert. Bevor der Einer aufs Trockene kommt, geht es nochmals quer über die Bucht zu einem Wasserfall. Wild prasselt es aufs Deck und in den mitgenommenen Falteimer. Es ist gut, nach dem ständigen Eiswasser einmal wieder mineralhaltiges Quellwasser zu trinken. Meinem Trockenanzug bekommt die gleichzeitige Süßwasserdusche sicher auch. Als wir am nächsten Morgen aufwachen, zeigt Regina grinsend nach draußen vor die Bucht. Da ist nichts mehr mit eisfrei, weswegen ich für diese Bucht plädiert hatte. Über Nacht haben sich große Eisberge in die Parkbucht geschlichen. Weiter draußen ziehen wahre Giganten mit der Strömung vorbei. Im freien Wasser treibt Starkwind Wellen mit Schaumkronen vor sich her. Tief in der Bucht ist es windstill und warm. So machen wir einen Ruhetag und genießen ein Eisbergkino. Die Flut schiebt sie Richtung Nord an uns vorbei und die Ebbe bringt sie nach dem Tidenwechsel zurück. Das Süßwasser am Wasserfall wird für die Kleiderwäsche genutzt und da es im Gebirgssee etwas angewärmt wurde, folgt anschließend eine gründliche Körper-pflege. Die Gebirgswelt hinter uns ähnelt dem norwegischen Fjell. Am Südende der Arve-Prinsens-Insel wartet ein großer Sprung über freies Wasser auf uns. Dort wollen wir am nächsten Tag nochmals zelten. Kurz vor dem Süd Kap findet sich ein geeigneter Platz in geschützter Bucht.

   


Besuch bei Robbenjägern

Enge Kanäle ziwschen dem Eis.

Inuits scheinen ebenfalls die geschützte Lage der Bucht zu schätzen. Kaum stehen die Zelte, kommen zwei kleine Motorboote auf uns zu getuckert, drehen jedoch zur anderen Seite der Bucht ab, als sie die Kajaks sehen. Was haben die oben auf dem Boot liegen? Durch das Glas ist eine Robbe zu erkennen. Das interessiert natürlich. Als die Frau am nahen Bach Wasser holt, fragen wir sie, ob es recht ist, wenn wir sie besuchen. Sie nickt erfreut und lädt uns ein. Vater und Sohn sind bereits dabei, die Robbe zu zerlegen. Das Blut verteilt sich über den Felsen. Ein geschickter Schnitt mit dem großen Jagdmesser öffnet das Tier. Die Eingeweide, die Rippen und alle weiteren Teile werden mit Bedacht sortiert. Ein großer Topf steht bereit. In den wandert das Fleisch für den Abendschmaus. Stolz zeigt der Jäger das Fell mit dem Einschussloch am Kopf. Ein Schuss hat gereicht. Die Tage vorher hatten wir den Daumen gedrückt, dass auf der 12km Überfahrt über den Ata-Sund nicht zu viel Wind ist. Das Barometer zeigte abends weiter hohen Druck und beim morgendlichen Blick aus dem Zelt ist nur leicht gekräuselte See zu sehen. Ein gerader Kurs hinüber zum Pakitsoq ist nicht möglich. Große Eisberge versperren den Weg und so wird an jedem der Kurs neu festgelegt. Ursel und Regina spüren einen Hauch von Wind im Haar und schon sind die Segelschirme heraus und übernehmen den Vortrieb für den Zweier. Ein tolles Bild, wie der Segelschirm-Zweimaster vor den Eisflanken entlang segelt. Mit Erreichen der anderen Seite schließt sich der Kreis um die Große Insel. Die restliche Strecke ist bekannt und die Reservetage sind noch nicht alle verbraucht. Jetzt können wir alles entspannt angehen. So richten wir es uns, nach nochmaligem Besuch des Platzes im Berggrens Havn, auf der Insel Pipikulik auf einen gemütlichen Ruhetag ein. Eine kleine Wiese mit reichlich Sicherheitsabstand zum Wasser bietet alles, was Paddlers Herz erfreut. Windgeschützte Felsbänke mit Aussicht auf die Eisbergwelt, einen idealen Angelplatz und Eisschollen zur Wasserversorgung. Ein Fischkutter zieht seine Bahn durch das Eis. Er sieht wie ein Spielzeug aus. Morgen ist Freitag. Da sollten rechtzeitig vor Büroschluss die Kajaks samt Ausrüstung im Lagerhaus abgegeben werden. So geht es heute noch bis kurz vor Ilulissat. In einem Nebenfjord ist ein schöner Platz.

 
Endspurt

Blaueis.

Als wir dort abends vor den Zelten sitzen, wird es unangenehm feucht und kühl. Nebel kommt von draußen herein gezogen, der am nächsten Morgen noch dichter ist. Wir müssen nicht blind im Nebel stochern. Vom GPS übernehmen wir den Kurs hinüber zum nächsten Kap und weiter geht es mit dem Kompass. Doch so direkt geht es nicht. Wie aus dem Nichts auftauchende Eisberge müssen in weitem Bogen umfahren werden. Beim Kap lichtet sich langsam der Nebel. Über dem Wasser hält er sich noch. Die hohen Eisriesen ragen oben bereits heraus und werden von der Sonne beschienen. Ein einmaliges Bild. Die Sicht wird besser. Zur Abwechslung be-hindern uns jedoch vermehrt Eisschollen, die bald so dicht werden, dass kein Durchkommen mehr ist. Hilfe naht durch einen Kutter und weitere Motorboote, die sich mit viel Kraft den Weg durch das Eis bahnen und eine offene Rinne hinterlassen. Wir können die Hafeneinfahrt bereits sehen, als dicht zusammen gepresste Schollen erneut den Weg versperren. Mit der Tidenströmung ziehen sie laut knirschend quer zu unserem Weg. Wie sollen wir da durch? Plötzlich tut sich ein winziger Spalt auf. Schnell dort hinein mit der Kajakspitze. Wackeln und Drängeln ist jetzt angesagt. Bloß nicht hängen bleiben! Die Strömung hilft mit und öffnet den Spalt weiter. Ursel und Regina folgen, ohne dem Eis eine weitere Chance zu geben, in Richtung Hafen. Selbst dort treiben noch Eisschollen, bevor wir wieder an unserem Ausgangspunkt sind. Nach kurzer Pause zum Trocknen der Zelte werden Ausrüstung und Kajaks zum Lagerhaus geschafft. Alles wandert in die Boote. Vollgepackt werden sie anschließend in einen bereitstehenden Container wandern. Den letzten Abend auf Grönland zieht es uns an die Eiskante. Weit geht der Blick über die Versammlung der Eisberge. Erinnerungen an erlebnisreiche vier Wochen in einer traumhaften Urlandschaft tauchen in uns auf. Schade, dass es schon vorbei ist!


 

Infos zum Revier

 


Fahrtengebiet


Das beschriebene Fahrtengebiet liegt an der Grönländischen Westküste zwischen dem Jakobshavn-Isfjord im Süden und dem Torssukatak-Eisfjord im Norden der Diskobucht. Bis auf drei ständig bewohnte Siedlungen ist es eine einsame arktische Wildnis. Hinter der 50 km langen Arve-Prinses-Insel ziehen sich Sunde und Fjorde mit eingelagerten Inseln tief ins Land. Die Küstenlinien wechseln zwischen Steilküsten und flachen Buchten. Fünf große Gletscher bmünden dort vom Inlandeis kommend direkt ins Meer. Der Bewuchs der Küstenberge besteht aus arktischer Tundra. Zwischen Ilulissat und dem Atasund sowie in den Fjorden mit Gletschern sind die Wasserflächen stark mit Eisschollen und Eisbergen bedeckt.
Der Tidenhub beträgt ca. 2 Meter. Tidenströmung ist im Ata-Sund, dem Torssukatak und auf der Westseite der Arve Prinsens Insel in der Fahrtenplanung zu berücksichtigen. Wegen der ständig wechselnden Eislage sollte ein ausreichender Zeitpuffer eingeplant werden.
Die Zeitverschiebung beträgt + 4 Stunden.


Klima
Grönland wird durch polares Klima geprägt. Der Golfstrom sorgt für etwas mildere Temperaturen  an der Westküste. Im Sommer liegen die Temperaturen durchschnittlich zwischen +3° C und +15° C. Da die Luft in Grönland
sehr trocken ist, fühlt sich die Temperatur nicht so kalt an wie in Europa. Das Gebiet rund um die Diskobucht gilt im Sommer als Parkplatz für Hochdruckgebiete. Trotzdem muss im Schnitt mit bis zu 5 Regentagen pro Monat gerechnet werden. Die Wassertemperatur beträgt 2°C. In Gebieten mit viel Eis auch weniger. Die Mitternachtssonne trifft man in Ilulissat ab 25. Mai bis 25. Juli an.


Anreise

Air Greenland bedient die Route von Kopenhagen zum internationalen Flughafen Kangerlussuaq. Von dort aus übernehmen kleinere Flugzeuge die Verbindung nach Ilulissat. Wir haben direkt über www.airgreenland.com gebucht. Kopenhagen kann bequem mit dem täglichen ICE von Hamburg aus oder per Flieger erreicht werden. In Kopenhagen geht ein Bus direkt vom Hauptbahnhof zum Flughafen. Da die Flüge ab Kopenhagen recht früh
starten, empfiehlt sich die Anreise am Vortag. Kajaks transportiert die Reederei Royal Arctic Line recht preiswert von Aalborg aus zum Zielhafen. Sie müssen rechtzeitig angeliefert werden. Die Ausrüstung kann in den Kajaks transportiert werden. Infos über Schiffsabfahrten und eventuelle Eisprobleme unter: www.royalarcticline.com/schedules/ports/aalborg. Für den Transport von Faltbooten samt Ausrüstung empfiehlt sich eine Transportkiste. Die Anlieferung nach Aalborg übernehmen bei Bedarf auch Speditionen.

Ausrüstung und Voraussetzung

Grönland ist kein Fahrtengebiet für Anfänger. Ausreichende Erfahrung auf längeren Kajaktouren in Wildnis-Gebieten und gute Fitness sollte vorhanden sein. Robuste, komplett ausgerüstete Seekajaks oder Faltboote mit fest schließenden Spritzdecken und ausreichend Raum für mehrwöchige Verpflegung sind geeignet. Jedes Boot sollte eine zusätzliche ca. 30m lange Sicherheitsleine zum sofortigen Sichern der Kajaks nach der Landung besitzen. Eine aufblasbare Bootsrolle zum schnellen und einfachen Transport der schwer beladenen Kajaks aus der Gefahrenzone ist für Zweier empfehlenswert. Zusätzlich können Tragegurte hilfreich sein.
Da die Routen durch Wildnis verlaufen, sind Flickzeug, Ersatzpaddel und ein Erste-Hilfe-Set notwendig. Als Sonnenschutz wird eine wasserfeste Sonnenmilch mit hohem Schutzfaktor benötigt. Zur Einschätzung der Wetterentwicklung nutzten wir ein Barometer.
Als Kajakbekleidung empfiehlt sich aufgrund der geringen Wassertemperatur ein Trockenanzug mit Füßlingen, unter dem Wollkleidung getragen wird. Zusätzlich ist eine Schwimmweste notwendig. Für das Gebiet ist ein robustes sturmfestes Zelt in der Bauart Geodät oder ein geodätartiges Kuppelzelt mit guter Lüftungsmöglichkeit vorteilhaft. Da in der Arktis Permafrost herrscht, wird eine gute Isomatte und ein Schlafsack bis -5° benötigt.
Für Wanderungen im unebenen Gelände empfehlen wir hohe, die Knöchel schützende Bergschuhe.

Übernachtung

Zeltplätze in sicherer Höhe über dem Wasser sind knapp. Speziell Gruppen mit mehreren Zelten sollten rechtzeitig Ausschau halten. Wegen der Mitternachtssonne ist es empfehlenswert, wo möglich, Plätze mit nächtlichem
Schatten durch Bergrücken zu suchen.

Zahlungsmittel
Die grönländische Währungseinheit ist die Dänische Krone (DKK). Kreditkarten werden in Grönland akzeptiert. An den Geldautomaten in Ilulissat kann mit der ECKarte problemlos Geld abgehoben werden.

Versorgung
Der Großeinkauf vor der Tour sollte am besten zu Hause erfolgen. Vergessene Waren können problemlos in den Supermärkten in Ilulissat oder Rodeby ergänzt werden. Sonst gibt es unterwegs keine Einkaufsmöglichkeit. Ein großer Wasservorrat ist nicht notwendig. Er kann normalerweise täglich durch Bäche oder geschmolzenes Eis aufgefüllt werden.

Kommunikation
Für den Notfall gilt auch in Grönland die Notrufnummer 112. Die grönländische Vorwahl von Deutschland aus ist +299- bzw. 00299- Handyempfang ist nur bis zum Süden der Arve-Prinsens-Insel und im Norden bei Qerqertaq
möglich. Das jedoch auch nicht für jeden Provider.


Landkarten und Navigation
Kompass und eine gute Karte sind Pflicht. Wanderkarten Nordgrönland 1:100 000 und die Übersichtskarte für die Diskobucht 1:250 000 gibt es z.B. bei www.geobuchhandlung.de. Auszüge davon nutzten wir einlaminiert auf
dem Deck. Beim Kompass ist die Missweisung von ca. 34° zu beachten!
Ein Fernglas mit großem Gesichtsfeld erleichtert das Navigieren.
Zur leichteren Navigation und als zusätzliche Sicherheit bei unsichtigem Wetter empfiehlt sich ein GPS mit Kartenfunktion. Wir nutzten die digitalen Karten von OSM.

 

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

 

DKV-Hinweis zum Tragen von Schwimmwesten

WICHTIG: Der Deutsche Kanu-Verband weist aufgrund des Bildmaterials eindringlich alle Paddler :innen auf die Notwendigkeit von Schwimmwesten hin.

Weitere Infos: www.kanu.de

 

 


 

 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU SPORT 2/2015:

KANU SPORT 2/2015
Weitere Infos zum Heft und E-Book

 

 



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