Wer bei kalten Temperaturen aufs Wasser geht und die Einsamkeit und Schönheit einer winterlichen Landschaft erkunden will, muss sich bewusst sein, dass Paddeln bei niedrigen Temperaturen mit einigen zusätzlichen Risiken behaftet ist.
Wer bei kalten Temperaturen aufs Wasser geht und die Einsamkeit und Schönheit einer winterlichen Landschaft erkunden will, muss sich bewusst sein, dass Paddeln bei niedrigen Temperaturen mit einigen zusätzlichen Risiken behaftet ist.
Von Stefan Bühler, Ressortleiter Sicherheit und Material
Die Unterkühlung (Hypothermie) wird fälschlicherweise als die größte Gefahr beim Paddeln unter niedrigen Temperaturen angesehen. Aber: Kälteschock und Schwimmversagen sind die Killer Nummer Eins!
Tödlicher als die Unterkühlung sind Kälteschock und Schwimmversagen, die bereits vor Eintritt der Unterkühlung bei einer Kenterung auftreten können (F. Golden & M. Tipton 2002).
Eine Auswertung tödlicher Unfälle in kaltem Wasser in Kanada (Brooks 2003) zeigte:
Beim Kälteschock reagiert die betroffene Person sofort mit einem tiefen Reflex-Atemzug. Geschieht dies z.B. in einer Welle oder unter Wasser, gelangt Wasser in die Atemwege. Bereits kleine Mengen Wasser können in den Atemwegen einen Stimmritzenkrampf auslösen, der die Atemwege blockiert und zu Ersticken führt.
Nach diesem ersten heftigen Atemzug folgt ein nicht unterdrückbares schnelleres und tieferes Atmen (Hyperventilation), das zu vermehrtem Wasserschlucken führen kann. Auch hier besteht die Gefahr des Stimmritzenkrampfes ausgelöst durch Wasser in den Atemwegen. Im kalten Wasser ist die Fähigkeit zum Luftanhalten deutlich vermindert. Bei 10 °C Wassertemperatur sind es gerade noch 10 Sekunden. Dies fördert eine Panik wegen Luftmangels, welche die Gefahr des Ertrinkens erhöht. Gleichzeitig mit der Hyperventilation steigen Herzfrequenz und Blutdruck und damit die Belastung des Herzens. Ein sofortiger Herzstillstand kann die Folge sein.
Der Kälteschock dauert ca. 1-3 Minuten und kann durch Kaltwassergewöhnung (kaltes Duschen <10 °Celsius, Tauchbecken) teilweise verhindert oder vermindert werden.
Durch den Kälteschock kann die sofortige Eigenrettung durch eine Kenterrolle misslingen was einen Ausstieg aus dem Boot zur Folge hat. Zudem kann kaltes Wasser im Ohr das Gleichgewichtsgefühl beeinflussen. Ein Orientierungsverlust unter Wasser kann die Folge sein. Wo oben und unten ist, ist nicht mehr klar. Hier funktioniert dann auch eine Kenterrolle nicht mehr.
Schwimmversagen ist die Folge des Kraftverlusts im kalten Wasser. Man geht von ca. 3% Kraftverlust pro Grad Celsius Temperaturabfall im Muskel aus. Bei 20 °C Wassertemperatur wären das bereits über 51% Kraftverlust. Nur zur Information, Schwimmwettkämpfe werden bei einer Wassertemperatur von 25-28 °C durchgeführt.
Bereits nach wenigen Minuten in kaltem Wasser, ist man nicht mehr in der Lage koordinierte Schwimmbewegungen durchzuführen. Bei 10 °C Wassertemperatur kann das bereits nach 10 Minuten der Fall sein. Zusätzlich zum Kraftverlust verliert man die Koordination in den Händen und damit die Fähigkeit sich an Schwimmkörpern oder Rettungsmitteln festzuhalten.
Zuerst ist es wichtig den Kälteschock zu überwinden, d.h. die Atmung zu kontrollieren, den Kopf über Wasser zu behalten. Nach Überwindung des Kälteschocks muss schnell gehandelt werden um die verbleibende Zeit bis zum Kräfteverfall zu nutzen. Udo Baier spricht hier von einer Nutzzeit, die man für die Rettung oder Eigenrettung zur Verfügung hat.
Wichtig ist dabei möglichst wenig Energie zu vergeuden. Energie sparen geht vor! Deshalb sollte man nach der Überwindung des Kälteschocks:
Unterkühlung kann auch ohne Kenterung durch Wind, Regen oder Schnee entstehen. Eine vorangegangene Kenterung erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Unterkühlung. Eine Unterkühlung wird in folgende Stadien eingeteilt:
Bei Anzeichen einer Unterkühlung also immer runter vom Wasser und einen vor Kälte geschützten Ort aufsuchen. Der Betroffene sollte warmgehalten werden. Daher empfiehlt es sich, die nasse Kleidung zu entfernen und den Kälteschutz über trockene Kleidung oder Decken sicherzustellen. Eine gute Option ist auch ein Mehrpersonen-Windsack oder -Biwaksack. Tritt ein Fall von Unterkühlung in einer Paddelgruppe auf, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass bereits andere Gruppenmitglieder ebenfalls eine Unterkühlung haben. Warme Getränke (Früchtetee) sind in diesem Stadium ebenfalls hilfreich.
Ob hier bereits ein Notruf abgesetzt wird, hängt von Umständen vor Ort ab. Mit zunehmender Unterkühlung muss der Notruf unbedingt abgesetzt werden, da ein Überleben nur noch unter ärztlicher Hilfe möglich ist. Der Transport des Betroffenen kann bereits lebensgefährlich sein, da beim Transport selbst oder bei zu heftigen Bewegungen kaltes Blut aus den Armen und Beinen in den Körperkern zurückfließen könnte. Das kann zu einem Herz-Stillstand führen.
Beim Paddeln im Winter oder bei Kälte sind ein ausreichender Kälteschutz (Neopren, Trockenanzug, Mütze, Paddelpfötchen/Handschuhe) und eine geeignete Schwimmweste ein absolutes Muss!
Mehr noch als im Sommer gilt im Winter: Nicht alleine aufbrechen!
Vereiste Uferbereiche (Stege, Steine) bergen das Risiko von Stürzen und Verletzungen beim Ein- und Aussteigen.
Eis auf dem Wasser kann bei Faltbooten, Packrafts, aufblasbaren Kanus sowie iSUPs die Haut beschädigen oder gar durchtrennen, was ebenfalls zum Kontakt mit kaltem Wasser oder Kenterung führen kann.
Details zum Nachlesen / Literatur:
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KANU-SPORT 1/2020 |