30. Januar 2021

Allez hopp!

Wenn Kanuguide Werner lautstark ein etwas pfälzerisch gefärbtes „allez hopp“ brüllt, stürzen sich seine Schützlinge todesmutig in die Stromschnellen oder springen von hohen Felsklippen in den Wildbach. Wobei „todesmutig“ eine journalistische Übertreibung ist, denn die meisten Wildwasserpassagen der Ardèche sind absolut moderat.

Von Alfons Zauhuber


Dafür punktet diese Landschaft im Süden Frankreichs mit grandioser Natur. Tiefe Schluchten, einsame Stein­eichenwälder, rustikale Bergdörfer (hier als „Villages de Caractère“ klassifiziert) und bunte Wochenmärkte geben dieser Region ihren unverwechselbaren Charme. Das milde Klima lässt hier schon Ende März Frühlingsgefühle aufkommen und ein Wasserzuschuss der Loire sorgt für absolut zuverlässige Pegelstände auf dem Hauptfluss. Die zahlreichen Nebengewässer sind allerdings von Schneeschmelze oder Regenfällen abhängig. In solchen Zeiten konzentriert man sich eben kanusportlich auf die Ardèche und genießt die Schluchten der Nebenflüsse beim Canyoning oder die Region generell auf reizvollen Wanderwegen.

   

 

Aubenas – Vogüe


Ab Aubenas gilt die Ardèche als ganzjährig befahrbar, da etwas oberhalb über den Seitenbach Fontauliére Zuschusswasser von der Loire eingespeist wird. Wegen der vorhergehenden Wehre setzt man erst an der N 102-Brücke bei St. Didier ein. Vorher sollte man unbedingt dem mittelalterlichen Altstadtkern von Aubenas einen Besuch abstatten. Die Kanustrecke führt durch ein flaches Schwemmland und empfiehlt sich nur bei einem höheren Wasserstand. Mit den deutlich reizvolleren Folgestrecken kann sie aber generell nicht mithalten.

   


Vogüe – Roums


Die Häuser von Vogüe quetschen sich zwischen Fluss und Felsen am linken Ufer der Ardèche. Einige hübsche Gassen und das nicht zu übersehende Schloss (17.Jh.) lohnen einen Besuch, ehe man am besten wenige Meter südlich des Ortes nahe der Eisenbahnbrücke die Fahrt beginnt. Leichte Schwallstrecken und Kehrwasser ermöglichen es dem Paddler sich mit dem Fluss vertraut zu machen. Im Bereich der Brücke von Lanas folgt ein fotogener Schwall. In diesem kleinen Ort befindet sich das Familiengrab von Henri Charrière. Sein Film „Papillon“ wurde mit Steve McQueen und Dustin Hoffman verfilmt und war seinerzeit ein Welterfolg. In Lanas beginnt eine wilde Auenlandschaft in der sich der Fluss etwas verzweigt. Ein reizvoller Wanderweg begleitet die Folgestrecke auf der rechten Seite. Nach zwei Kilometern folgt ein Wehr das über eine Rutsche befahrbar ist. Danach fließt die Ardèche zwischen bewachsenen Inselchen hindurch. Man hört das Quaken der Frösche und genießt diese Urlandschaft. Am Ende einer Linkskurve werden rechts Steilfelsen sichtbar und linkerhand liegt das mittelalterliche Dorf Balazuc. Vor der Brücke sollte man sich auf die Fahrtroute konzentrieren. Balazuc lockt zu Einkehr und Besichtigung. Bald darauf folgt auf der rechten Seite der Weiler „Vieil Audon“ (Imbiss) mit liebevoll restaurierten Natursteinhäusern. Weiter in offener Landschaft mit einzelnen Felsgruppen und Flussinseln geht es nach Pradons wo sich mehrere Campingplätze direkt am Fluss befinden. Die Landschaft wird spektakulärer, Felsen flankieren den Fluss und laden zum Schwimmen und Klippenspringen ein. Am Beginn des Cirque de Chauzon in einer Linkskurve rauscht es heftig, hier sollte man die verblockte Schlüsselstelle vorbesichtigen um die Fahrtroute festzulegen. Am Ende dieses eindrucksvollen Felsentales mündet der nur nach ergiebigen Niederschlägen befahrbare Seitenbach Ligne ein. Bald erreichen wir die Straßenbrücke von Roums. 100 Meter dahinter folgt ein bei Hochwasser gefährliches Wehr. Es ist über eine Bootsrutsche ganz rechts problemlos befahrbar. 600 Meter danach befindet sich der beschilderte Ein/Ausstieg linksufrig in der Allèe du Stade.

   


Roums – Vallon


Diese Strecke wird zu Unrecht von manchen Paddlern ignoriert. Sie führt durch ein weites Tal und nur wenige Male rücken Felsen und Steilufer an den Fluss heran. Bald nach dem Einstieg folgt eine etwas heikle Passage, anschließend mündet die Beaume von rechts (später kommt auch noch der Chassezac hinzu). Nun beginnt eine Folge von Wehren, die alle mit Bootsrutschen ausgerüstet und befahrbar sind. Problematisch ist nur die erste Bootsrutsche, da man vor allem bei geringem Wasserstand im Unterwasser direkt in einer gegenüberliegenden Kiesbank mit starker Seitenströmung landet. Eine echte Fehlkonstruktion! Im Bereich der D 111-Brücke befinden sich zahlreiche Campingplätze am rechten Flussufer. Anschließend rücken wieder Höhenzüge an die Ardèche heran. Der Blick geradeaus fällt auf das futuristische Gebäude der Caverne du Pont d'Arc, einer 1:1-Nachbildung der 1994 entdeckten Grotte Chauvet, eine Höhle mit 36.000 Jahre alten Felsmalereien. Diese „sixtinische Kapelle der Urzeit“ wurde 2014 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Die Caverne ist die größte Sehenswürdigkeit der Region und wurde 2015 von Präsident Hollande der Öffentlichkeit übergeben. Gegen Ende der Fahrstrecke passieren wir die letzte Wehrrutsche in Höhe der nur einheimischen Paddlern vorbehaltenen Slalomstrecke und erreichen den Ausstieg nach der N 579 Brücke von Vallon.


Vallon – Sauze


Der Einstieg zur Befahrung der großen Ardècheschlucht ist geprägt von den zahllosen Bootsverleihern, die hier ihr Basislager haben. Dass es hier weder eine geordnete Parksituation noch öffentliche Toiletten gibt, ist ein Manko. Da sollte sich die Gemeinde einmal ernsthaft Gedanken machen! Schließlich sorgt der Kanusport hier für viel Umsatz. In Saisonzeiten kann ich nur jedem Paddler raten, frühzeitig am Morgen zur Fahrt aufzubrechen. So hat man am wenigsten Stress. Bald nach dem Einstieg wird der Fluss von ersten Felsen eingeengt. Kurz vor dem Felsbogen „Pont d'Arc“ wartet mit dem „Charlemagne“ die schwerste Wildwasserstelle des Tages. Wer zu weit links anfährt landet zwischen den Felsblöcken. Mittig im Hauptstromzug hat man dagegen kaum Probleme. Gleich darauf passiert man das Naturdenkmal des Felsbogens „Pont d'Arc“, fast 60 Meter hoch, das absolute Wahrzeichen der Region. Badende und Sonnenanbeter tummeln sich auf den Kiesbänken und der markante Felsen ist auch für Paddler ein begehrtes Fotoobjekt. Linksufrig passiert man weitere Campingplätze und nach der Mündung des Pissevieille (ein Seitencanyon mit einer 85 Meter hohen Abseilstelle) beginnt die „Große Schlucht“ endgültig. Nur noch ein Wanderweg begleitet die Ardèche während die Panoramastraße mehrere hundert Meter über dem Fluss verläuft. Der Wanderweg bietet in seinem Verlauf Schwimmstellen, Klettersteigpassagen und einen schmalen Felsspalt als „Zwangspassage“. Die nächste leichte Stromschnelle für Paddler „Les Trois Eux“ sollte kein „Aufreger“ sein, obwohl es auch hier kräftig rauscht. Die tolle Landschaft hingegen sorgt für Hochgefühle. Im „Cirque de Gaud“ erreicht man den ersten Biwakplatz auf der linken Seite bei km 93,5. Nur mit einer Vorab-Buchung ist es möglich, in der Schlucht zu nächtigen (maximal zwei Nächte), der zweite Biwakplatz Gournier befindet sich bei km 98. Beide Plätze sind beschildert und vom Fluss aus nicht zu verfehlen. Die Ardèche windet sich in weiteren Kehren durch eine 300 Meter tiefe Schlucht. Kurz nach dem Biwakplatz Gournier folgt das „Hackmesser“ mit auf der linken Seite stark angeströmten und etwas unterspülten Steilfelsen, denen man besser nicht zu nahe kommen sollte. Etwas später, nach 18 km Fahrt, rückt der markante Felsen „la Cathédrale“ auf der linken Seite ins Blickfeld. Kurz darauf ist Vorsicht geboten, mitten in der Strömung liegt ein Felsen, der die Paddler wie ein Magnet anzieht. Die Bootsspitze rechtzeitig nach links steuern, sonst droht ein unfreiwilliges Bad! Die nächste Flussschleife führt in den spektakulären „Cirque de la Madeleine“. Schön anzusehen von einem den Aussichtsplätze am Rande der Panoramastraße wie dem „Balcon des Templiers“. Gegen Ende der Fahrt passiert man links den Campingplatz „les Grottes“, erreichbar von der Panoramastraße D 290. Dann kommt noch einmal eine traumhaft schöne Schluchtpassage, vor allem im Licht der Nachmittagssonne, ehe man vorbei an letzten Höhlen und Grotten die lange Gerade nach dem Ausgang aus dem Canyon erreicht. Hat man hier Gegenwind aus dem Rhonetal, werden diese letzten Meter noch etwas mühsam. Auf der linken Seite befinden sich große unbewachte Parkplätze und mehrere Lokale warten auf hungrige und durstige Paddler. Hier holen auch die Bootsverleiher ihre Kunden wieder ab.

   


Sauze – Pont St. Esprit


Diese 14 km lange offene Strecke steht im Schatten der großen Schlucht und ist dennoch reizvoll für alle Paddler die nicht unter Zeitdruck stehen. Vor allem wenn die zahlreichen Seitenflüsse der Ardèche kein Wasser haben, ist dieser Abschnitt zu empfehlen. Von Sauze geht es weiter über das Dorf St.Martin. Hier befindet sich ein Wehr mit Bootsrutsche, eine Besichtigung wird empfohlen. Dann schlängelt sich die Ardèche durch eine Schwemmlandschaft an einigen Campingplätzen vorbei der Rhône entgegen. Kurz vor der Mündung ist noch ein unbefahrbares Blockwurfwehr zu umtragen. Wenig später erreicht man die mittelalterliche Brücke über die Rhône (1265 erbaut). Sie hat 25 Bögen, ist 900 Meter lang und wurde früher von den Schiffern gefürchtet, da die damals unverbaute Rhone noch eine deutlich stärkere Strömung hatte als heute. Direkt dahinter führt eine Treppe hoch zum Parkplatz in der Rue Rampe du Pont. Das schöne Städtchen, ein ehemäliges Fischerdorf mit einigen schmucken Kirchen und einem belebten Hauptplatz, lädt nach der Tour zu einem Bummel ein.

 

 

 


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