07.08.2021 | Kanu-Rennsport

Goldener Abschluss für den Vierer

Ronald Rauhe krönt sein Karriereende
Der Herren-Vierer wird Olympiasieger

„Es gab einen Film, in dem ich gefragt wurde, wo ich bei meinem letzten Schlag gern sein würde. Ich habe gesagt: vor den Spaniern, am besten als erstes über die Linie.“ Für Ronald Rauhe stand vor seinen sechsten olympischen Spielen bereits lang fest, dass sein letztes Rennen in Tokyo sein wird. Gemeinsam mit Max Lemke, Max Rendschmidt und Tom Liebscher hatten sie diesen Moment nicht nur die letzten fünf Jahre genau geplant. „Wir haben versucht, unseren Plan in den letzten Tagen aufzubauen, minutiös aufzuschreiben, um dann heute früh beim Aufstehen zu wissen, was passiert in der nächsten Minute. Das war für uns gemacht und wir haben uns gut gefühlt. Natürlich mussten wir das dann auch noch runterbringen“ beschreibt der 28-jährige Liebscher. „Das war vielleicht nicht ganz so einfach, wie wir uns das gewünscht hätten aber das war uns auch vorher klar. Unglaublich, dass es dann auf so einen Fight hinausläuft.“ Gegen die dauerhaften Rivalen aus Spanien konnte sich der deutsche Vierer über die 500m-Distanz mit zwei Zehntelsekunden durchsetzen. Auf Rang drei kam das slowakische Boot. „Ich glaube, das war für ein olympisches Finale entsprechend. Ich habe mir so ein enges Finale gewünscht, weil es einfach auch emotional noch intensiver ist, als wenn wir vornweg gefahren währen. Wir wussten, dass es auf ein ganz enges Duell mit Spanien hinauslaufen wird. Das hatten wir schon die letzten fünf Jahre. Für mich war das noch emotionaler, als wenn wir es deutlich gemacht hätten. Darüber bin ich sehr froh“ fasste Rauhe das Rennen zusammen. Gleichzeitig zollten die Vier aber auch den Spaniern Respekt: „Das war den Spaniern auch würdig. Wir haben uns in den letzten Jahren immer wieder miteinander gemessen. Wenn wir hier deutlich gewonnen hätten, dann hätte das die Leistung der Spanier nicht angemessen widergespiegelt.“

Ronald Rauhe hatte es heute bereits vor dem Rennen gespürt, dass es gut werden würde: „Ich bin das Rennen vorher hunderte Male durchgegangen und ich habe uns immer vorn gesehen. Ich wusste, dass wir einfach die Fähigkeit haben, heute zu gewinnen. Und deshalb habe ich zu keiner Sekunde daran gezweifelt.“ Dass hatte er seinen Jungs dann vor dem Start auch noch einmal gesagt. „Und genau so ist es passiert. Das macht es aus, dass wir diese anderthalb Jahre die Mission so stabil vor Augen hatten. Dass dieser Traum jetzt in Erfüllung, das ist der Lohn für all diese Zeit.“

Der 39-jährige Altmeister Rauhe wurde von seinen Teamkollegen immer als Bereicherung angesehen. „Ich habe keinen Athleten erlebt, der so den Verband prägt, mit seiner Art und seiner Professionalität“ sagte Tom Liebscher. „Vielleicht hat er den vorletzten Schlag schon ein bisschen gejubelt und aufgehört. Der Goldene Schlag, der war dann nicht mehr so ganz über die Ziellinie aber bis dahin hat man es ihm zu keiner Sekunde angemerkt. Und das war diese Professionalität, die er immer im richtigen Moment an den Tag gelegt hat. Wenn es darum ging, dann war er da. Da sind wir einfach froh, dass wir uns alle Vier heute belohnen konnten.“ Zu seinen bisherigen vier Olympiamedaillen kam mit dem heutigen Ergebnis eine weitere goldene hinzu. „Als ich heute gesehen habe, dass wir vorn lagen, haben mich die Emotionen schon überrannt. Das war das, wofür ich eineinhalb Jahre lang noch mehr gearbeitet habe als sonst schon. Ich hätte mir nichts anderes erträumen können. Das macht es mir heute leicht, meine Karriere zu beenden.“

Gleich nach seinem Rennen bekam er ein Foto von seiner Familie zugesendet. „Mein Sohn wird heute eingeschult. Trotzdem sind sie um drei Uhr nachts wach gewesen und haben mein Rennen geschaut. Das macht mich einfach stolz. Meine Familie hat einen ganz ganz großen Anteil daran.“ Als wäre der Tag und das Rennen nicht schon emotional genug, wurde dem sechzehnfachen Weltmeister nach der Siegerehrung noch eine ganz besondere Nachricht überbracht: „Ich muss mich erst einmal sortieren. Ich habe das gerade erst erfahren, dass ich die Fahne tragen darf. Ich habe noch nie eine Eröffnungsfeier mitgemacht, daher bin ich auch noch nie in den Genuss gekommen, dort einzumarschieren. Aber eine Fahne aus dem Stadion herauszutragen ist nochmal die Krönung zu dem, was ich hier in der Hand halte.“

In den weiteren Rennen des Tages blieb der Deutsche Kanu Verband ohne Medaillen. Sebastian Brendel konnte im Semifinale nicht den Sprung in den Entscheidungslauf erreichen. „Das war im Einer nicht einfach für mich. Ich bin froh, dass ich im Zweier eine Medaille gewinnen konnte.“ Die Extrarunde gestern, bei der er die Direktqualifikation über den Vorlauf nicht schaffte und in das Viertelfinale musste, sei schwer zu verarbeiten gewesen. „Heute war einfach nicht mehr drin. Ich habe gekämpft und das wollte ich Allen nochmal zeigen. Ich habe im ersten Rennen schon gemerkt, dass ich nicht richtig reinkomme. Dass es im Einer nicht geklappt hat, werde ich verkraften. Ich will jetzt das positive Gefühl vom Zweier mit nach Hause nehmen.“ Brendel beendete sein B-Finale als zweiter, insgesamt also mit Rang zehn.

Besser machte es Conrad Scheibner, der sich in den Endlauf qualifizieren konnte. Im Finale lief nicht alles rund. „Prinzipiell habe ich schon bessere Rennen gezeigt, das weiß ich. Aber ich weiß auch, dass die Bedingungen nicht einfach waren. Heute war es sehr wechselhaft. Da ist es immer eine Lotterie, was man für einen Wind abbekommt.“ Während kurze Zeit zuvor noch Windstille herrschte, frischte pünktlich zum Finalstart ein Rechtswind auf. „Ich habe, als ich hier angereist bin, immer gesagt: Ich will hier mein bestes Rennen zeigen. Das ist jetzt nicht ganz gut gelungen mit dem sechsten Platz. Der 25-jährige wurde schließlich sechster. „Es war klar, dass es eine schwere Aufgabe wird – wir sind ja auch bei Olympia. Am Ende bin ich jetzt sechstschnellster der Welt. Also damit kann ich für mein Olympia-Debüt auf jeden Fall leben. Klar, der Traum von einer Medaille war da aber der motiviert mich jetzt umso mehr für den nächsten Olympiazyklus. Wer mich kennt, der weiß, dass dieser sechste Platz mehr Motivation ist, als es mich enttäuscht. Von daher habe ich Bock auf alles, was jetzt kommt.“

Knapp war die Entscheidung bei den Damen im Canadier-Zweier über die 500m. Lisa Jahn und Sophie Koch lagen lange Zeit auf dem Bronzerang. Die Medaille schien fast sicher. Doch auf den letzten Metern kam das Boot aus Kanada noch mit einem Schlusssprint daher, dem die beiden nicht gegenhalten konnten. Am Ende fehlten rund neun Zehntel auf einen Medaillenrang. „Ich denke, wir haben nicht Bronze verloren, sondern den vierten Platz erreichen können. Wir sind super zufrieden, dass wir hier stehen können.“ Sagte Lisa Jahn im Ziel. „Natürlich ist das sehr bitter. Jeder wünscht sich eine Medaille aber wir sind sehr glücklich, hier sein zu dürfen und freuen uns über unser Ergebnis“ ergänzte Sophie Koch. Die Damen feierten bei diesen Spielen die Prämiere der Canadier-Disziplinen.

Auch für den Vierer-Kajak der Damen verlief das Rennen nicht wie geplant. Ihr Finale lag gerade zu einem Zeitpunkt in dem es am Sea Forrest Waterway einen starken Regenguss gab. Im Kampf um die Medaillen mussten Sabrina Hering-Pradler, Melanie Gebhardt, Jule Hake und Tina Dietze letztlich die Konkurrenz ziehen lassen und kamen auf Rang fünf ins Ziel. Die Schlagfrau Hering-Pradler fasste das Ergebnis zusammen: „Wir vier Mädels brauchen uns nicht zu verstecken. Wir haben gekämpft wie die Löwen. Wir sind ein sehr sehr gutes Rennen gefahren. Es hat leider nicht nach vorn in die Medaillenränge gereicht. Wir haben uns wirklich nichts vorzuwerfen und können stolz auf uns sein, auch wenn man es uns jetzt gerade nicht anmerkt. Wir blicken nach vorn, in drei Jahren ist Paris.“ Dabei hoffen die Vier auch auf ein weiteres Bestehen dieser Besatzung, um sich umfangreich vorbereiten zu können. „Die Herren haben super viel Glück, dass sie seit vier Jahren miteinander trainieren konnten. Das Privileg hatten wir leider nicht, aber wir haben trotzdem das Beste draus gemacht und uns hier gut verkauft.“ Nach ihrem Lauf waren die Damen sehr enttäuscht und etwas ratlos: „Ich habe so viel trainiert, wie in meinem ganzen Leben noch nicht. Ich war so fit wie noch nie. Ich kann es mir nicht erklären. Ich weiß nicht woran es gelegen hat. Das schmerzt umso mehr gerade.“ Jetzt müsse die Auswertung zeigen, was in Zukunft noch besser gemacht werden kann.

Die Rennsportler reisen somit aus Tokyo mit einem kompletten Medaillensatz zurück. Neben dem Sieg heute hatten Sebastian Brendel und Tim Hecker im C2 Bronze und Max Hoff mit Jacob Schopf im K2 Silber gewinnen können. Der Deutsche Kanu Verband kann so – zusammen mit den vier Medaillen aus dem Kanu-Slalom – insgesamt sieben Medaillen bei diesen Spielen verbuchen.

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