27.08.2021 | Kanu-Rennsport

Ronny Rauhe - Der letzte Schlag

Ronald Rauhe beendet seine einzigartige sportliche Karriere
Ronald Rauhe - Der letzte Schlag (Bild: Philipp Reichenbach)

Am 7. August 2021 ging eine der größten Karrieren im deutschen Sport zu Ende. Ronald „Ronny“ Rauhe verabschiedete sich mit dem Olympiasieg im Vierer-Kajak vom Kanusport. Der letzte Schlag des schnellsten deutschen Paddlers war ein goldener!

Ein Hollywood-Drehbuchautor hätte die Geschichte nicht besser schreiben können und beim Rückblick auf die Karriere von Ronny Rauhe wäre dies ein dankbares Film-Projekt für angehende Regisseure. Sechsmal war der Potsdamer Kanu-Rennsportler bei Olympischen Spielen. Fünf Medaillen brachte er aus Sydney, Athen, Peking, Rio de Janeiro und Tokio mit. Davon zwei goldene. 

Der Drehbuchautor hätte zahlreiche Höhepunkte in Rauhes Karriere zeigen können, wie die erste Goldmedaille im Jahr 2004 im Zweier-Kajak mit seinem kongenialen Partner Tim Wieskötter oder die Weltmeisterschaft 2007 vor heimischen Publikum, bei dem Rauhe / Wieskötter stehend im Kajak nach dem Sieg an den vollgepackten Zuschauertribünen vorbei fuhren. Auch die Bronzemedaille von Rio 2016 war ein großer Moment, da Rauhe eine Einzelmedaille bei den Spielen noch nicht sein Eigen nennen konnte und erstmalig in der Kanu-Geschichte die Bronzemedaille an zwei gleich schnelle Kanuten vergeben wurde.

Womöglich könnte der Drehbuchautor in dieser großartiger Bilanz auch Tiefen entdecken. Die Silbermedaille von Peking 2008 mit Wieskötter, wurde in der Sportwelt als Niederlage interpretiert, da das Duo zuvor fast ein Jahrzehnt zusammen siegreich war. Sein damaliger Gegner: Saul Craviotto. Der gleiche Craviotto gegen den es 13 Jahre später in Tokio zum Showdown kam. 

Die Sportwelt wusste, dass Rauhe auf Abschiedstournee war. „Der letzte Schlag“ war nicht nur ein geflügeltes Wort – der rbb veröffentlichte kurz vor den Spielen von Tokio eine halbstündige Doku über die Sportkarriere Rauhes mit genau diesem Titel. Die Doku endet an einem Punkt der Abschiedstournee, der keineswegs perfekt war, als Rauhe bei den Finals 2021 in Duisburg auf der Sprintdistanz im Einer gegen Kostja Stroinski verlor. Die Kanu-Familie wünschte sich das Happy End für Rauhe in Tokio – es wünschte sich Gold für den Vierer zusammen mit Max Rendschmidt, Tom Liebscher und Max Lemke. 

Doch es gab ja noch diesen Saul Craviotto, der mit seinem spanischen Vierer das deutsche Flagschiff beim Weltcup in Szeged im Mai überraschend schlagen konnte. Craviotto stand mit Marcus Walz, Carlos Arevalo und Rodrigo Germande in Tokio wieder an der Startlinie und wollte das Ergebnis von Szeged wiederholen. Die Experten sehen heute in der Niederlage des Deutschland-Vierers beim Weltcup einen entscheidenden Grund für das spätere Happy End. Denn die vier Kajakfahrer konzentrierten sich noch mehr (war das eigentlich möglich ?) auf das große Ziel. Die Sprinter Rauhe und Lemke strichen den olympischen K1 200m aus ihrer Liste – alles wurde dem großen Ziel untergeordnet. 
 

Heute, nach dem letzten Schlag Rauhes, weiß die Kanu-Familie, dass Rauhe alles richtig gemacht hat. Die Zuschauer sahen eines der spannendsten Rennen der Kanu-Geschichte als der deutsche Vierer mit 0.226 sec Vorsprung im Sea Forrest Waterway in Tokio vor den Spaniern ins Ziel kam und Rauhe seinen letzten Schlag vergoldete. „Ich hatte mir so ein enges Finale gewünscht, weil es emotional noch intensiver ist, als wenn wir vorne weggefahren wären. Unser Wille war heute unglaublich.“

Der Drehbuchautor hätte für seine Story wahrscheinlich das gleiche Ende geschrieben, aber die emotionalen Momente nach dem Sieg im Beisein seiner Familie – ohne Corona – umgeschrieben. Seine Frau Fanny, selbst Goldmedaillengewinnerin im Damen-Vierer, drückte zusammen mit ihren beiden Söhnen von zu Hause aus die Daumen. Die Tränen wischten an diesem Tag seine Trainer Arndt Hanisch und Stefan Ulm sowie seine drei Partner im Boot weg. 

„Eine Ehre mit so einem Sportler wie Ronny Rauhe zu paddeln“, meinte Tom Liebscher, der selbst gerade zu seiner zweiten Olympiagoldmedaille fuhr, später im Interview. „Ronny war in den letzten fünf Jahren immer da, um uns als Team zusammen zu führen“, ergänzte Max Lemke. "Ohne ihn wären wir sicherlich nicht so weit gekommen.“ 
Max Rendschmidt, der sich mit seiner dritten Olympiagoldmedaille auf eine Stufe mit Kay Bluhm, Thorsten Gutsche und Rüdiger Helm paddelte, fasste das Ende Rauhes Karriere kompakt zusammen: „Keiner hat es mehr verdient als er!“

Rauhe selbst von seinen Emotionen übermannt, stand professionell wie man ihn immer kennt den Reportern Rede und Antwort: „Dafür habe ich eineinhalb Jahre länger gearbeitet. Ich hätte mir nichts anderes erträumen können. Das macht es mir leicht, meine Karriere zu beenden.“

Doch eine „Kleinigkeit“ musste Rauhe noch für das Team Deutschland in Tokio erledigen. Vielleicht der größte Traum eines jeden Sportlers: Es galt die Fahne Deutschlands bei der Abschlussfeier ins Stadion zu tragen. 
„Ich habe noch nie eine Eröffnungsfeier mitgemacht, weil wir Kanuten immer später anreisen. Das ist die Krönung meiner Karriere und macht mich glücklich und stolz “


Stolz ist man in der Kanu-Familie und im Deutschen Kanu-Verband schon lange auf Ronald Rauhe und seine einzigartige Karriere. Man will am liebsten sagen: "Bitte bleib noch, es war so schön und wir brauchen Dich". Aber er hat sich nun seinen Leistungssport-Feierabend verdient. Es waren viele historische, ja epische Momente, die man mit ihm erleben konnte. Wir müssen uns verabschieden!

Vielen Dank Ronny!

 


Von:

Oliver Strubel

 

Weitere Informationen:
 


Bilder:

  • Der letzte Schlag (Philipp Reichenbach)
  • Der K4 mit Max Rendschmidt, Ronald Rauhe, Tom Liebscher und Max Lemke (Thomas Lohnes)
  • Bei den Finals mit Max Lemke (Henning Schoon)
  • Im Einer-Kajak beim Weltcup in Duisburg (Henning Schoon)
  • Goldjubel mit dem Vierer (Ute Freise)
  • Im Boot stehend bei der Kanu-WM 2007 mit Tim Wieskötter (Patric Quint)

 

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