14.05.2024 | Inklusion

Inklusion ja, und ohne aber ...! (1)

Ein Kommentar des DKV-Referenten für Inklusion Heinz Ehlers
Inklusion ja, und ohne aber ...!

Unter diesem Motto möchte ich euch in den nächsten Monaten Inklusion im Paddelsport etwas näherbringen. Ich möchte euch sensibilisieren den inklusiven Weg in eurem Sportverein zu beschreiten. Hierzu werde ich verschiedene Themengebiete rund um das Thema Inklusion im Paddelsport behandeln. „Inklusion, ja aber“ spielt das Menschenrecht auf inklusive wassersportliche Betätigung zum Beispiel im Paddelsport aus. Statt Inklusion, „Aber“ will ich euch das „Und“ in den nächsten Monaten etwas näherbringen.

Die zentrale Idee der Inklusion ist, dass Menschen mit und ohne Behinderung von Anfang an gemeinsam in allen Lebensbereichen selbstbestimmt leben und zusammenleben. Das bedeutet auch, dass sie an allen sportlichen Aktivitäten innerhalb eines Vereines aktiv teilnehmen können. Jeder wird von der Gesellschaft so akzeptiert, wie er ist, und kann ein Leben ohne Barrieren führen.

Mittendrin statt nur dabei zuschauen

Inklusion heißt, dass Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen ihr Leben nicht mehr an vorhandene Strukturen anpassen müssen. Vielmehr ist die Vereins-Gesellschaft aufgerufen, Strukturen zu schaffen, die es jedem Menschen – auch den Menschen mit Behinderung – ermöglichen, von Anfang an ein wertvoller Teil der sportlichen Gesellschaft zu sein.

Beim der Integration muss sich der Mensch mit Behinderung weitgehend den vorhandenen Gegebenheiten anpassen, wo bei hingegen die Inklusion noch ein Stück weitergeht. Menschen mit Behinderung können von Anfang an am sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhaben. Und zwar: selbstbestimmt, gleichberechtigt und uneingeschränkt.

Die Vereinsvorstände und Trainer sollten die Vereinswelt so gestalten, dass ALLE Menschen gleichberechtigt und ohne Barrieren teilhaben können. Selbstbestimmt leben heißt, das eigene Leben zu gestalten, ohne in die Abhängigkeit von anderen zu geraten. Auch im Sport.
Natürlich brauchen Menschen mit Behinderung weiterhin Unterstützung im Alltag sowie im Sport. Sie sollten jedoch selbst entscheiden können, welche Sportart sie betreiben wollen.  Menschen, die mehr Entscheidungsfreiheit und Verantwortung für ihr Leben haben, können ihre Persönlichkeit besser einbringen und die Lebensqualität steigern. Genau das macht Selbstbestimmung aus.

In der UN-Behindertenrechtskonvention sind Rechte festgeschrieben, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen sollen. Dazu gehören unter anderem:
Die persönliche Mobilität, so dass man sich in seiner Umgebung frei bewegen kann. Dazu gehören auch eine barrierefreie Umwelt und das Recht auf die Teilnahme am Sport. Alle Menschen sollen Uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. 
Barrierefreiheit besteht aus mehr als nur Rampen bauen oder Türen größer machen oder neue Toiletten einbauen. Es geht um ein generelles, gleichberechtigtes Zugangsrecht zu allen wichtigen Bereichen im Leben. Dazu zählt unter anderem der barrierefreie Zugang zu sportlichen Freizeitaktivitäten.
Das oberste Ziel von Inklusion ist, dass Menschen mit Behinderung in den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten kommen.
Um dieses Ziel auch im Paddelsport zu erreichen, steht die Schärfung des Bewusstseins für die Belange von Menschen mit Behinderung an erster Stelle. Denn ohne die Akzeptanz der vereinssportlichen Gesellschaft und das Miteinander-leben-Wollen ist Inklusion nicht möglich.
In der Umsetzung muss vor allem die Vielfalt der Behinderungsarten berücksichtigt werden. Körperlich behinderte Menschen haben andere Bedürfnisse als geistig oder psychisch behinderte, sehbehinderte oder gehörlose Menschen. Hier reichen häufig schon kleine adaptive Maßnahmen aus, um sie an wassersportlichen Aktivitäten teilhaben zu lassen.  

Inklusion ist kein Ziel und auch keine Utopie, sondern es ist ein Prozess und zugleich ein Menschenrecht.

Etwa zehn Prozent der Menschen in Deutschland leben mit Behinderungen. Aber nur in wenigen Vereinen, Freundeskreisen oder Arbeitsumfeldern hat jede zehnte Person eine Behinderung. Das liegt vor allem daran, dass es in Deutschland nach wie vor exklusive Strukturen gibt. Menschen mit Behinderung werden oft gesondert beschult, leben in besonderen Wohneinrichtungen oder arbeiten in speziellen Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Das führt dazu, dass sie nicht Teil der "Mehrheitsgesellschaft" sind. Behinderte Menschen werden nicht mitgedacht, Ausschlüsse und Berührungsängste entstehen. Viele Menschen mit Behinderungen stoßen auf Barrieren, die ihre Teilhabe einschränken. Nicht nur physische Barrieren, wie zum Beispiel eine Treppe, sondern auch unzureichende Kommunikation oder Informationen sowie Vorurteile und Diskriminierung tragen dazu bei, dass Menschen mit Behinderungen ausgeschlossen werden.

Inklusion ist die Annahme und Bewältigung menschlicher Vielfalt. Doch vor allem ist Inklusion ein Menschenrecht. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die dieses Recht festschreibt, gilt bereits seit 2009 in Deutschland. Menschen mit Behinderungen müssen also nicht dankbar dafür sein, dass sie teilhaben dürfen – es ist ihr Recht. Ihnen müssen die Voraussetzungen auch in einem Wassersportverein geschaffen werden, dass sie teilhaben können. In einer inklusiven Gesellschaft werden Strukturen dahingehend verändert, dass alle Personen von Anfang an gleichberechtigt teilhaben können. Von Inklusion profitieren alle, auch ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen.

"Wer Inklusion will, der findet Wege. Wer sie nicht will, der findet Ausreden", sagte bereits Hubert Hüppe, ehemaliger Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Die Frage lautet nicht, ob Inklusion umgesetzt wird, sondern wie. Als gemeinnützige Organisation sollten Sportvereine hier mit Vorbildcharakter vorangehen.

Schluss mit: “Inklusion – ja, aber…”

In der Theorie finden Inklusion im Sport viele Menschen gut und richtig. Man beachte nur die Leistungen der Sportler beim PARA-Sport oder bei den Special Olympics. Mit der Praxis haben jedoch viele noch Bauchschmerzen, auch in den Vereinen, in denen Paddelsport ausgeübt wird. Es mangelt in den Vereinen nicht nur an personellen Ressourcen, sondern besonders in der Einstellung vieler Führungskräfte in den Wassersportvereinen. Dies nach einer Umfrage leider bittere Tatsache. Deshalb wird in Inklusionsdebatten oft ein „Inklusion, ja aber…“ angeführt. Doch dieses „Ja, aber…“ ist für die Inklusion gefährlich.
Im Rahmen von Diskussionen über Inklusion und Sport mit Menschen mit Behinderungen stoße ich als Inklusionstrainer immer auf große Widerstände, weil viele sagen: „Das ist ja alles schön und gut gedacht mit der Umsetzung von inklusiven Wassersportangeboten, aber im Grunde genommen sind es doch die Rahmenbedingungen, die zählen und fehlen“. Meine Antwort hierzu: „Aber die Rahmenbedingungen werden von den Menschen gemacht. Wir schaffen Ungleichheit durch unsere Strukturen. Die sind nicht einfach gegeben. Die stellen wir tagtäglich her, auch durch unsere alt hergebrachten Vorgaben in den Vereinen“. Ist es die Angst vor der Begegnung mit Menschen mit Behinderungen? Ist es die Umsetzung des Sports und die möglichen Gefährdungen, die Sportlerinnen und Sportler mit gesundheitlichen Einschränkungen in unseren Augen auf dem Wasser ausgesetzt sind? Das kommt dadurch zustande, dass wir den Menschen mit Behinderungen im Alltag wenig begegnen und wir ihnen absolut Vieles nicht zutrauen. 
Viele Menschen mit Behinderung sehen weniger ihre Behinderung als Problem, sondern für sie ist das Problem, dass die anderen, nämlich wir, sie als Menschen mit Behinderungen sehen. Das ist die größte Hürde. Deshalb ist es entscheidend, wie man über Behinderung denkt und spricht. Und das ist für viele von uns die größte Barriere sie zu akzeptieren.
Anstatt für die Inklusion zu kämpfen und die Beseitigung der genannten Mängel einzufordern, wird mit dem Finger auf die gezeigt, die am wenigsten etwas dafürkönnen: auf Menschen mit sichtbaren Behinderungen und chronischen Erkrankungen. 

Statt „Inklusion – ja, aber…“ sollte es zukünftig in unseren Vereinen heißen:

„Inklusion – ja, UND…  (z.B. bei uns ist jeder herzlich willkommen und kann mitmachen)“. 

 

Informationen über Inklusion beim Deutschen Kanu-Verband

Referent für Inklusion: Heinz Ehlers inklusion@freizeit-kanu.de
 

 

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