17. Mai 2023

Serie Rivergod - Inn

Rivergod Inn (Foto: Christian Zicke, Outdoordirekt)

Christian Zicke von Outdoordirekt hat seine persönliche der Rivergods zusammengestellt. In den folgenden Beiträgen möchten wir ein paar dieser "Flussgötter" vorstellen.
Nach den ersten Rivergods, der Sjoa in Norwegen, dem Kallaritikos in Griechenland, dem Taravo auf der Mittelmeerinsel Korsika und dem Guil in Frankreich ist nun als vorletzter Fluss der Inn an der Reihe. Der Inn entspringt in den Schweizer Bergen und mündet nach über 500 Kilometern in Deutschland in die Donau. Er gilt als einer der mächtigsten Alpenflüsse. Doch in seinem Oberlauf in der Schweiz und auch auf einigen Strecken in Österreich, zeigt er, wenn auch kastriert, was in ihm steckt. Auch wenn seine ursprüngliche Wildheit nur noch selten zum Vorschein kommt. Für uns Paddler ist der Inn auf jeden Fall eine Reise wert. Vom Frühsommer bis in den Oktober können wir hier unserem Hobby frönen, Wasser gibt es dann auf den meisten der Wildwasser-Strecken zu Genüge.

Von Christian Zicke (Outdoordirekt)

Ansichtssache: Göttliche Flüsse


Rivergod: ein großes Wort, findet immer wieder Verwendung im Kajaksport. Hierbei geht es vor allem um atemberaubende Flüsse, in der Regel weit weg von der Heimat und vor allem wackeren Helden vorenthalten. Meine Definition eines Flussgotts ist eine etwas Andere. Ich bezeichne einen Fluss als göttlich, wenn dieser möglichst viele unterschiedliche Streckenabschnitte bietet, ich auf ihm auf einer besoders langen Strecke richtig viel Spaß im Kajak haben kann und sich allein deshalb schon die Anreise ins jeweilige Gebiet lohnt. Dabei kommt es nicht auf den Schwierigkeitsgrad an, sondern vielmehr darum, dass möglichst viele Paddler unterschiedlicher Könnenstufen auf diesem Fluss auf ihre Kosten kommen. Und auch davon gibt es nicht unendlich viele. Man soll ja schließlich auch nicht zu viele Götter verehren…
 


 

 

Oberster Inn

Nicht nur das Wildwasser ist wunderbar in den
Innschluchten - es gibt auch was auf´s Auge..

Wir beginnen unsere Reise im Engadin, im oberen Inntal. Leider ist der Inn gerade hier, wo die Landschaft noch ursprünglich ist und dem typischen Bild des Schweizer Idyll entspricht, vollkommen seines Wassers beraubt. Die eigentlich sehr lohnende S-Chanf-Strecke wäre ein toller Auftakt für die Befahrung des Inn und eine gute Möglichkeit, sich für die folgende Brail-Schlucht einzupaddeln. Doch sie ist gänzlich durch ein Kraftwerk trocken gelegt und eigentlich nur nach starken Regenfällen befahrbar. Die Pflichtabgabe von knapp drei Kubik reicht auch nicht zum Steine schruppen.

"Leider ist der Inn gerade hier, wo die Landschaft noch ursprünglich ist und dem typischen Bild des Schweizer Idyll entspricht, vollkommen seines Wassers beraubt."

Dasselbe Schicksal teilt auch die legendäre Brail-Schlucht. Wenn sie mal genug Wasser führt und der Himmel blau und die Sonne kräftig ist, eine seltene Kombination, dann ist sie eine der schönsten Etappen des Inn. Für die persönliche Erstbefahrung der schwierigen Schlucht empfiehlt sich allerdings ein moderater Überlauf des Kraftwerks.

Die eigentlich sehr lohnende S-Chanf-Strecke wäre ein toller Auftakt für die Befahrung des Inn und eine gute Möglichkeit, sich für die folgende Brail-Schlucht einzupaddeln. Doch sie ist gänzlich durch ein Kraftwerk trocken gelegt und eigentlich nur nach starken Regenfällen befahrbar. Die Pflichtabgabe von knapp drei Kubik reicht auch nicht zum Steine schruppen.

 

 

 

   

Oberer Inn

Surfen, bis das Unterschiff glüht, wie hier bei Scuol, das geht von Susch bis Imst fast überall auf dem Inn.

Für die folgende Zernez-Strecke hat sich auch im Sommer häufig wieder genug Wasser gesammelt und spätestens ab Susch kann man auch im Spätsommer einsetzen, so dass sich vor allem weniger starke Paddler hier kräftig austoben können. Es locken viele tolle Übungsstellen, einfache Katarakte, Walzen und Wellen. Die recht lange und abwechslungsreiche Etappe, bis zum Eingang der legendären Giarsun-Schlucht, ist hervorragend geeignet, um sich für die kommenden, sportlichen Schluchten einzupaddeln. Allerdings sollte man seinem Spieltrieb dann nicht ungehemmt nachkommen, sonst wird der Tag auf dem Wasser lang und anstrengend.

" Es locken viele tolle Übungsstellen, einfache Katarakte, Walzen und Wellen."

Giarsun fordert von fortgeschrittenen Paddlern volle Konzentration. Obwohl bei normalem Wasserstand nur an wenigen Stellen der dritten Grad überschritten wird, zu einer satten vier reicht es auch bei Mittelwasser nicht, erhöhen die versteckten Linien und die etwas beklemmende Atmosphäre in der recht finsteren Schlucht bei der persönlichen Erstbefahrung den Pulsschlag. Wer sicher Wildwasser IV beherrscht, der findet mit der Giarsun einen spaßigen Feierabend-Run vor und kann sich im Anschluss an die Herausforderung Ardezer-Schlucht wagen. Aufgrund der unübersichtlichen Katarakte, der, vor allem für Schwimmer, gefährlichen an- und unterspülten Felsen und der sportlichen Kernstellen muss sie ganz klar als alpine Vier mit mindestens einer Stellen klar darüber gewertet werden. Wer sich seiner Sache sicher ist, finden in der Kombination mit der Giarsun allerdings einen wahren Wildwasser-Genuss vor, der einen Großteil des Jahres im Ganzen befahren werden kann. Im Sommer bei oft kernigen Wasserständen, im Spätsommer bei häufig noch traumhaften Genuss-Wasserständen und im Herbst bei glasklarem Niedrigwasser - letzteres ist Ideal zum Kennenlernen der schweren Strecken.

Auf dem sich anschließenden Scuol-Abschnitt kommen wiederum trainingsmotivierte Fortgeschrittene auf ihre Kosten. Er bietet sich für einen langen, trainingsintensiven Tag an. Vor allem, wenn man die oberste Einbootstelle wählt, um die letzten schönen Katarakte der Ardezer mitzunehmen.

 

   

Mittlerer Inn

Die Inn bietet auch entspannteres WW mit langen Wellenzügen.

Leider hat die Martina-Strecke, die den Inn aus der Schweiz nach Österreich entlässt, dank des Pradella-Kraftwerks nur selten einen lohnenden Wasserstand. Denn das abgeleitete Nass wird erst am Ende, an der Schweizer Grenze wieder eingeleitet. Hier beginnt eine der beeindruckendsten Großschluchten der Alpen, die Finstermüster-Schlucht. Bei Niedrigwasser überschreitet sie nur an zwei Stellen den dritten Grad, bei einem normalen Durchfluss von um die 100 Kubik, ändert sich das Bild. Dann ist sie der Albtraum für alle, die nicht im wuchtigen Wasser zu Hause sind. Wer  allerdings die Wellenzüge mit den versteckten Walzen zu schätzen und zu beherrschen weiß, der kann und sollte dieses Strecke genießen - so lange es noch geht. Denn am Einstieg wird ein neues Kraftwerk gebaut, dessen Bauarbeiten leider bald abgeschlossen zu sein scheinen. Ob und wie häufig dann noch auf der Finstermünster gepaddelt werden kann, das steht in den Sternen. Apropro Finstermünster; das „Finstermonster“, eine gewaltige Walze, die quer über den gesamten Bach geht, ist die zweite der beiden Kernstellen auf dieser Strecke. Während die erste, die man von einer der Galerien hoch oben an der Straße aus der Ferne begutachten kann, seltenst befahren wird, erfreut sich das Finstermonster regelmäßiger Tauchgänge.

"Wer die Wellenzüge mit den versteckten Walzen zu schätzen und zu beherrschen weiß, der kann und sollte dieses Strecke genießen - so lange es noch geht."

Entlassen aus der Schlucht des Finstermonsters, wird es unumstritten wieder freundlicher am Inn. Die nun wartende Tösener-Strecke ist ein großer Spaß für alle, die Wildwasser drei mögen. Lange, faire Wellenzüge und ein meist offenes Flussbett stimmen versöhnlich - vor allem, wenn man vorher im Finstermonster eine ordentliche Abreibung bekommen hat. Offenen Auges sollte man trotzdem durch die Katarakte der Tösener toben. Gerade bei hohen Wasserständen verstecken sich hier einige nickelige Walzen.

   
Einer der Premium-Nebenflüsse, die Sanna, mündet rechtsufrig bei Landeck in den Inn.

Im Frühsommer und nach starken Regenfällen hat man häufig das Glück, dass die Strecke oberhalb der Ortschaft Landeck genug Wasser führt. Unterhalb des Kraftwerks in Prutz geht es mit dem beeindruckenden „Obere Gericht“ los. Das kurze aber knackige Wildwasser-Fünf-Schmankerl bietet wenig Platz für Fehler. Entspannter geht es unterhalb los. Am Sägewerk steigt man zu, wenn man dort nicht schwimmend ankommen möchte, weil einem bei der vorher eingeprägten Linie durch das Gericht von der Straße aus eine Rechts-Links-Schwäche übermannt hat… Ab dem Sägewerk beginnt der Landecker Durchbruch, größtenteils WW III mit langen Wellenzügen und einigen Surfwellen. Ausstieg ist am Zusammenfluss mit der Sanna, die ebenfalls wieder einen Abstecher wert ist, nachdem sie einige Jahre, nach dem gewaltigen Hochwasser im Jahre 2005, nicht mehr mit Genuss fahrbar war. Jetzt gehört die Sanna wieder zu den „Must-Runs“ der Region Landeck.

   

Unterer Inn

Mit dem unteren Inn ist in diesem Fall die unterste lohnende Wildwasser-Strecken des Inn gemeint. Sie ist zudem die bekannteste aller Inn-Etappen, denn auf der legendären Imster-Schlucht wird auch kräftig geraftet - so kommen auch Nicht-Kajakfahrer in den Genuss des Inn.
Die Imster, auch Imster Bucht genannt, weil bei einem zu hohen Wasserständen einige Wellen und Schwalltrecken regelrecht absaufen und man sich eher in einer ruhigen Bucht vermutet, ist vor allem bei einem mittleren Wasserstand für Kajakfahrer lohnend. Dann bilden sich in den Schwällen kräftige Wellen aus, hier kann man an seinen Downriver-Moves arbeiten, surfen oder sich einfach eine sichere Linie suchen. Vor allem der Katarakt vor der Ötz-Mündung, die „Memminger Walze“, hat schon Helden geschaffen - und vernichtet. Sie kann aber auch ganz einfach auf der Chickenline links umschifft werden.

   

Das I-Tüpfelchen? Die Nebenbäche!

Wer es nicht kann, der wird es hier lernen. Gerade im Spätsommer warten die Strecken auf dem Inn mit tollen Übungsstellen für alle Spielarten des Paddelns auf - das Schanzen ist nur eine davon.

Wer schon an der Imster ist, der sollte auch dem Ötztal einen Besuch abstatten. Vor allem im Herbst eröffnen sich hier Herausforderungen für alle Paddler. Der Wildwasser-Drei-Paddler kann sich die untere Ötz herunter manövrieren, der WW-IV-Paddler die Obere Ötz, der Profi kann sich auf der legendären Wellerbrücke und der Stürzer in den Achstürzen die Kante geben.

"Einer der unumstritten schönsten Wildflüsse der Alpen ist die Brandenberger Ache. Sie selbst ist ein wahrer Rivergod mit mindestens vier Strecken vom dritten bis fünften Schwierigkeitsgrad."

Noch schöner als die Ötz, ist ein Nebenbach, der im weiteren Verlauf des Inn münden. Einer der unumstritten schönsten Wildflüsse der Alpen ist die Brandenberger Ache. Sie selbst ist ein wahrer Rivergod mit mindestens vier Strecken vom dritten bis fünften Schwierigkeitsgrad. Leider führt sie nur zur Schneeschmelze oder nach starken Regenfällen genug Wasser. Dann ist sie aber die Anreise auch von weit entfernten Orten wert, etwa aus der Mitte der Republik.

   

 

Kurz-Info Inn

 


Beste Zeit: Je nach Strecke und gewünschtem Wasserstand ab Frühsommer, wer gemäßigte Wasserstände bevorzugt, der komme besser im Spätsommer, ab September. Auch im Oktober ist der Inn meist noch zu fahren. Dann ist in der Regel der Wasserstand niedrig und es wird in den Schluchten und Nachts empfindlich kalt.

Übernachten: Oberer Inn, Engadin: Camping Chapella, Cinuos-chel; Camping Sur En, Scuol; Camping Arina, Strada

Alternativen: Wenn es im Inntal mal kräftig einregnet, der sollte einen Blick über die Alpen werfen, auf die andere Seite des Reschenpasses. Im Vinschgau, gut eine Stunde entfernt vom Grenzübergang Martina, kann man wunderbar wandern, dort gibt es einige der besten Mountaibike-Trails Europas und mit der Etsch ebenfalls einen Fluss.

 

 

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

 


 

 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 1/2022:

KANU-SPORT 1/2022
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