29.07.2021 | Thomas Konietzko Blog

Der Blick hinter die Kulissen

#tokoblog (6): Das war heute wirklich mal ein Tag zum Durchatmen. Nach den emotionalen Höhenflügen der letzten Tage brauchten alle diesen Tag, um zu realisieren, was wir hier eigentlich schon erreicht haben. In London 2012 eine Silber und eine Bronzemedaille, in Rio erstmals seit 1972 ohne Medaille zurückgekommen haben wir jetzt schon 2, und noch 2 weitere Wettbewerbe mit starken deutschen Fahrern stehen bevor.
Wenn draußen die Wettkämpfe stattfinden, arbeiten hinter den Kulissen zahlreichen Menschen

Die Medienpräsenz der letzten Tage war unglaublich. Ricarda musste bis in die Nacht Interviews geben, vor ihrem ersten Verein standen Übertragungswagen und Ricardas Eltern kamen erst weit in der Nacht nach einem Pressemarathon zur Ruhe.

Unser stolzer Bronzemedaillengewinner Sid sitzt schon wieder im Flieger nach Hause und Ricarda muss heute zurückfliegen. Spätestens zwei Tage nach ihrem letzten Wettkampf müssen alle Sportler das olympische Dorf verlassen.

Die Stimmung im Land dreht sich. Vor unserer Wettkampfstätte, aber das habe ich auch von anderen Sportarten gehört, stehen viele Japaner und winken und wollen wenigstens einen Blick auf die Sportler werfen. Wenn wir vom Hotel wegfahren, winken mehr und mehr Menschen. Ich habe bisher keinen gesehen, der uns irgendwelche Zeichen der Ablehnung zeigt.

Und das, obwohl die Corona Zahlen im Großraum Tokio stetig steigen. Wenn mein Übersetzungsprogramm einigermaßen funktioniert, führen dies die einheimischen Medien nicht unbedingt direkt auf die eingereisten Olympiateilnehmer zurück. Das Problem ist wohl mehr bei der einheimischen Bevölkerung zu suchen, die sich immer weniger an die Regeln hält und immer häufiger, wie z.B beim Radsport oder Triathlon, zusammenkommt, um wenigstens etwas von den Spielen zu sehen. Die dadurch erhöhte Mobilität und das Zusammenkommen von vielen Japanern auf einem Fleck führt dann wohl zu höheren Ansteckungen. 

Dass die Japaner coronamüde sind, können wir Deutschen verstehen. Allerdings gab es hier während der gesamten Pandemie nie einen mit Deutschland vergleichbaren harten Lockdown. Gaststätten waren offen und mussten um 20.00 Uhr schließen, es gab lediglich Empfehlungen, zu Hause zu bleiben. Das Härteste für die Japaner war wohl das Verbot aller Karaoke-Aktivitäten. Im Land fanden und finden nach wie vor Sportevents mit Zuschauern statt. Große Parks und Vergnügungseinrichtungen, wie auch der an unsere Slalomstrecke angrenzende Disneypark, müssen um 20.00 Uhr schließen. Allerdings habe ich festgestellt, dass sich alle Japaner an die Maskenpflicht sowohl Innen als auch Außen halten und sehr diszipliniert sind, was das betrifft. Hoffen wir mal, dass die Zahlen in den nächsten Tagen nicht ins Unendliche steigen.

...und jetzt zum Sport

Kanu-Slalom gab es heute auch. Es standen die Vorläufe bei den Canadier-Damen und Kajak-Herren auf dem Programm. Das war für unsere Sportler eine gute Gelegenheit, sich nochmals zu testen, da bei den Damen lediglich drei Boote und bei den Herren vier Boote ausscheiden.

Andrea Herzog, immerhin amtierende Weltmeisterin, zeigte einen soliden ersten und einen herausragenden zweiten Lauf. Sie flog regelrecht über das Wasser und traf alle Tore perfekt. Sie ist überhaupt, was ich so sagen kann, die coolste und nervenstärkste unserer vier Olympiateilnehmer. Hat man bei Sid und Ricarda die Anspannung deutlich gemerkt, lässt sich Andrea gar nichts anmerken. Sie ruht in sich selbst. 
Seit einem Jahr habe ich schon immer gesagt, dass hier in Tokio die Nervenstärksten um die Medaillen kämpfen. Schauen wir mal, was das für uns als DKV heute und morgen heißt.

Hannes Aigner ist mit einer 96er Zeit im ersten Lauf im Mittelfeld gelandet und hat genauso wie Andrea einen super zweiten Lauf runtergebracht. Wenn einer neben Sid Erfahrung hat, dann ist es Hannes. Er war seit 2012 immer da, wenn es um die Wurst ging. 
Er hat dann auch mit einer 90er Zeit im zweiten Lauf die Vorläufe gewonnen. Allerdings darf man die Platzierungen gestern nicht überbewerten. Die meisten der Top-Sportler in beiden Disziplinen haben vor dem Ziel abgebremst, um nicht zu viel zu zeigen. Ich sage mal voraus, dass auch heute die schnellsten Zeiten im Halbfinale gefahren werden und im Finale ein guter und solider Lauf reicht.

14.00 Uhr (7:00 Uhr MEZ) startet das Halbfinale bei den Damen und 15.55 Uhr (8:55Uhr) geht es mit dem großen Finale los.

Hinter den Kulissen

Heute will ich euch mal mit hinter die Kulissen des olympischen Slalomwettbewerbes nehmen. Ich kann nur schätzen, aber ich glaube, dass inklusive Security, Fernsehen und Kampfrichtern schon mehrere Hundert Mitarbeiter im Hintergrund mitarbeiten.

Alles ist perfekt organisiert. Jede Kleinigkeit ist gut durchdacht. Nur zwei Beispiele: Als es am Dienstag regnete, waren plötzlich überall Regenschirme greifbar. Vor den Containern und Zelten wurden Blumen aufgebaut, die mit selbstgemalten Karten von japanischen Kids geschmückt sind.

 

Am Eingang gibt es die obligatorische Sicherheitskontrolle. Genauso streng wie an einem Flughafen. Aber bevor man dort durchdarf, muss man seinen Corona-Spucktest abgeben, sonst darf man nicht weiter.

 

Ich konnte nicht genau zählen, denke aber, dass mindestens 20 Kameras aufgebaut sind um die Wettbewerbe zu übertragen. Der Kabelbaum vom Sendezentrum zur Strecke ist fast einen Meter dick.

Am beeindruckendsten ist eine Kabel-Kamera, die über die gesamte Strecke reicht und wirklich beeindruckende Aufnahmen macht. Die beiden Türme sind wohl fast 100 m hoch.

Im OK gibt es einen Meteorologen, der uns jederzeit über das aktuelle Wetter informiert. Die Kampfrichter haben eine eigene Lounge und können hier auch essen. Und natürlich haben auch die Mitarbeiter der ICF ihr Büro in diesem Trakt.

 
 

Am wichtigsten sind die Bedingungen für unsere Athleten. Sie haben 2 Lounges verfügbar, natürlich klimatisiert, und können hier zu Mittag oder einfach einen Snack essen oder etwas trinken und Olympia schauen.

Jedes Team hat ein eigenes Mannschaftszelt, natürlich klimatisiert. Hier sitzen unsere Wissenschaftler und kneten unsere Physios die Sportler durch. 

 

Am vollsten ist es vor dem Rennen im Pressezelt. Ca. 150 Journalisten berichten von den Wettbewerben. Alles, was in Deutschland Rang und Namen hat, die Bild, der Spiegel, die Welt, die FAZ, die Süddeutsche, sind bei den Finals vor Ort. Die regionalen Zeitungen werden unter anderem durch dpa und sid bedient.

 

Unseren Rennsportlern in Naka geht es gut. Alle sind gesund und warten, dass es endlich losgeht. Vom Empfang gab es auch in den regionalen Medien einen schönen Nachrichtenbeitrag

 

 

Gestern haben alle mit den Ruderern mitgefiebert. Im Vierer der Damen saß die Freundin von Max und hatte echte Medaillenchancen. Leider haben sie aufgrund der schwierigen Bedingungen kurz vor dem Ziel auf einem sichern zweiten Platz liegend, einen „Krebs gefangen“ sind aus dem Rhythmus gekommen und haben die sichere Medaille verschenkt. Danach flossen nicht nur in Tokio Tränen.

Am Abend gab es dann japanische Gesellschaftsspiele und die, die damit nichts anzufangen wussten, haben sich im Kältebecken abgekühlt.

 

Bei uns gibt es die Athletenbroschüre in diesem Jahr nur Online auf der kanu.de. Die Japaner haben es sich nicht nehmen lassen, eine gedruckte Broschüre in Landessprache herzustellen.

Schöne Geste!

Guten Morgen nach Deutschland und beim Daumendrücken nicht nachlassen ! 
 

 

Zurück zur Liste


Letzte News

06.08.2021 | Thomas Konietzko Blog
04.08.2021 | Thomas Konietzko Blog
03.08.2021 | Thomas Konietzko Blog
02.08.2021 | Thomas Konietzko Blog
02.08.2021 | Thomas Konietzko Blog
01.08.2021 | Thomas Konietzko Blog
31.07.2021 | Thomas Konietzko Blog
30.07.2021 | Thomas Konietzko Blog
29.07.2021 | Thomas Konietzko Blog