02.08.2021 | Thomas Konietzko Blog

Der Preis für sichere Spiele

#tokoblog (10): So langsam gehen mir in meinem Hotelzimmer die Themen aus. Die Tage laufen alle im Wesentlichen gleich ab und an Tagen ohne Wettkämpfe weiß ich gar nicht mehr, was ich berichten soll. Was waren das für Spiele in Rio! Irgendwie unfertig und doch schön. Atemberaubende Kulisse, man hat die Stadt entdeckt und viele Abende endeten im Deutschen Haus. Man hat sich mit anderen Sportarten ausgetauscht und mitgefreut.
Zeit "totschlagen" Im Hotelshop

Schon bei der Anreise nach Tokio war allen klar, dass diese Spiele anders werden. Man hat zwar das Playbook mit seinen fast 100 Seiten gelesen und hoffte, dass alles nicht so heiß gegessen wird. Ankunft am Flughafen, Masken, alles wie bei uns. Ankunft im Hotel, überall Absperrungen, auf der einen Seite die fröhlichen jungen japanischen Familien, die das nahe Disneyland besuchten, und auf der anderen Seite die Olympia-Offiziellen, die verloren in ihrem Bereich warteten.

Zwar hätte ich auch eine (bessere) Akkreditierung über den DOSB als Präsident bekommen können und hätte wenigstens Zugang zu allen Sportstätten und nicht nur zu den Kanu-Wettbewerben, allerdings hätte dann ein Betreuer weniger mitfliegen können. Deshalb habe ich als Vorsitzender der Jury der ICF für beide Kanu-Wettkämpfe meine Akkreditierung über den Weltverband beantragt. Also keine Treffen im Hotel mit anderen Verbandspräsidenten aus Deutschland und kein Treffen mit unseren Sportlern außerhalb des Wettkampfes. 

Stattdessen bin ich nun hier im Hotel, das man außerhalb der Fahrten zur Wettkampfstrecke nicht verlassen darf. 

Das Zimmer ist im Vergleich zu Rio riesig, im Vergleich mit europäischen Hotelzimmern zwar immer noch klein, hat aber alles, was man braucht. Der Blick ist atemberaubend. Zwar kann man kein Fester öffnen, aber man sieht das Meer. Was für mich wirklich schlimm ist, auf einer Joggingstrecke direkt am Meer sieht man die Japaner laufen.  

 
 

Man könnte ohne Handy wahrscheinlich raus, aber mit Sicherheit sieht mich dann jemand und verwarnt mich. Also halte ich mich an die Regeln. Kampfrichter, die im gleichen Hotel wohnen, wollten nur kurz vor das Hotel, um Luft zu schnappen. und haben sich tatsächlich direkt vor dem Eingang aufgehalten. Da sie aber das Handy mithatten, und sie, wie wir, alle eine Tracking-App installiert haben, wurden sie als außerhalb des Erlaubten geortet und am nächsten Morgen verwarnt. 

Die gute Idee hinter all diesen Maßnahmen ist die totale Trennung der Olympia-Offiziellen und der Bevölkerung. Das gelingt mit all diesen Maßnahmen perfekt. Seinen Flur darf man nur für Frühstück und Abendessen verlassen. Es gibt sechs Fahrstühle. Drei auf jeder Seite, von denen nur drei genutzt werden dürfen. Die linken Fahrstühle sind gesperrt. Die, die wir nutzen, halten nur auf Etagen, die von Offiziellen genutzt werden. Hier dürfen auch keine Einheimischen wohnen. Also ausbüchsen nicht möglich. 

 

Höhepunkte des Tages, natürlich außerhalb der Wettkämpfe, sind das Frühstück und das Abendessen. Der Fahrstuhl hält in der zweiten Etage, und natürlich abgesperrt geht es zum Bankett-Raum der nur von Offiziellen genutzt wird. 

 

Erste Pflicht ist Desinfektion. Das wird natürlich geprüft und danach eine Temperaturmessung. Erst dann bekommt man eine Karte und darf in den Speiseraum.

"Nicht schlecht", dachte ich über das Essen am ersten Tag. Zwar kein Brot, wie wir es kennen, sondern nur Toastbrot, aber es wird Müsli, Rührei und hervorragender Kaffee zum Frühstück angeboten. Ansonsten könnte man früh noch Reis und Suppe essen, nicht mein Fall. Zwischen den Stühlen ist jeweils einer frei und dann stehen noch Trennwände aus Plaste. Essen darf man nur mit Handschuhen holen und natürlich Abstand wahren. 

Abends dann wieder Temperatur messen, Handschuhe anziehen und wieder Reis, Suppe, Hühnchen und Salat. Am ersten Abend dachte ich noch "ganz ordentlich", aber nach neun Tagen mit immer dem gleichen Essen wird es langsam eintönig. Die größte Überraschung, auf die wir uns jeden Tag freuen, ist die „abwechslungsreiche“ Suppe. Entweder Kürbis oder Mohrrüben-Suppe ohne, dass man eine Logik erkennt. Drei Tage Kürbis, dann plötzlich Karotttensuppe und am Tag danach wieder Kürbis. Aber wir freuen uns auch über die kleinen Überraschungen und versuchen, im Bankettsaal so lange wie möglich gemeinsam sitzen zu bleiben.

 
 

15 Minuten am Abend dürfen wir in einen ca. 200 m² großen Shop im Erdgeschoss des Hotels. Hier gibt es Nudeln in allen Variationen, aber Brot oder Obst, wie wir es kennen, leider nicht. Trotzdem bummeln wir jeden Abend nur um Zeit totzuschlagen durch den Shop und hoffen, doch noch etwas Interessantes zu entdecken.

 

Morgen geht es mit den Vorläufen im Sprint los. Das verschafft dann wieder mehr Abwechslung. Heute waren die Bedingungen wieder sehr kompliziert. Straffer Wind von hinten rechts und Wellen im Zielbereich. Vorteile auf der Bahn 1 bis 3. Und dann kommen in regelmäßigen Abständen die großen Flieger und machen Krach, so dass man seine eigenen Worte nicht versteht, da die Strecke direkt in der Einflugschneise vom Flughafen Haneda liegt. Das kann die Athleten schon beeinflussen. Morgen und übermorgen sollte es auch bei diesen Bedingungen einigermaßen fair zu gehen, da für unseren Verband die Kajak-Zweier und der Candier-Zweier der Männer anstehen und diese Boote mit den Bedingungen zurechtkommen sollten. 

Wenn ihr aufsteht und diesen Blog lest, sind die Rennen schon gelaufen. Ab Dienstag dann die Finals, das werden kurze Nächte für viele von euch. 

Also guten Morgen Deutschland und viele Grüße

Euer Thomas

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